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Hawkwind


 

Dies ist ein Beitrag aus dem Forum. Geschrieben wurde die Story von "Jerry Garcia". Die Beiträge und die anschließenden Diskussionen sind hier zu finden:

HAWKWIND - Phase 1 (Anarcho Phase)
HAWKWIND Phase 2 (Robert Calvert Phase)
HAWKWIND Phase 3 (Die 80er oder "where is our galaxy ?)
HAWKWIND Phase 4 (Die 90er oder Techno-Rock has arrived)
HAWKWIND - eine Livealben Auswahl

 

HAWKWIND - Phase 1 (Anarcho Phase)


Zuerst einmal zu mir: Ich lese Science Fiction, ich liebe Science-Fiction Filme (alt & neu), auch sogenannte B-Pictures, ich interessiere mich auch für die Hintergründe von Science Fiction.
Warum ich das als Einleitung schreibe?
Weil ich denke das man Hawkwind wesentlich mehr genießen kann, wenn man eine Zuneigung zu Science Fiction hat. Dave Brock liebt Science Fiction ebenfalls und darum dreht sich eigentlich alles im Hawkwind Kosmos. Die Texte sowieso, aber auch das Cover-Artwork (sehr oft im Stil von B-Movies oder alten SF Comics) und erst recht die Musik.

Es zischt und flirrt und bliept und schliepst und ständig blubbern Synthis und sonstige Soundeffekte helfen dir ins Universum zu fliegen. Dazu gibt’s immer wieder Sprachsamples aus Science-Fiction Filmen die das Ganze erst so richtig rund machen.

Nun zur Kategorisierung.
Ich teile Hawkwind in verschiedene Phasen auf und beginne hier mit der anarchischen ersten Phase nach Gründung der Band durch Dave Brock und Nik Turner.
In dieser Zeit waren die Konzerte recht schräge Performances, da die Herren alle noch etwas „üben“ mussten und außerdem diverse Drogen eine gewisse Grundschrägheit noch unterstützten. Ebenso in diese Zeit fällt die einzige Hawkwind Hitsingle „Silver machine“, übrigens eine Live-Aufnahme aus dem Londoner Roundhouse.

- Hawkwind (1970)
- In Search Of Space (1971)
- Doremi Fasol Latido (1972)
- Space Ritual (Live 1972)
- Hall Of The Mountain Grill (1974)
- Warrior On The Edge Of Time (1975)
- The 1999 Party – Live in Chicago (1974 aufgenommen, 1997 erschienen)
- Year 2000:Codename Hawkwind – Live 1972 (erschienen 1999)

Das sind die offiziellen Scheiben die in diese Zeit fallen. Compilations, und davon gibt’s von HW zahllose, lasse ich mal alle weg. Das erste Album ist noch etwas bluesiger (Brock kam wie so viele in der Zeit, vom Blues), hat aber schöne Songs und ist noch lange nicht so abgedreht.

 

Die nächsten drei sind unverzichtbare Klassiker. Hier entstand ihr ruppiger, rauher Space-Sound der mal hartrockend, mal abgedreht wabernd, mal nur schräg zu ihrem typischen Sound avancierte. „Space Ritual“ gehört für mich zu den besten Live-Dopplern überhaupt. „Hall of the mountain grill“ geht in eine ähnliche Richtung, aber hier ist der Gesamtklang schon etwas „feiner“, so als ob sie eben besser spielen gelernt hätten.

Dann kam „Warrior At The Edge Of Time“ nach den Elric-Geschichten des SF & Fantasy Autors Michael Moorcock. Mit ihm hatten die Hawks nicht nur in einer WG zusammengewohnt, er war auch zeitweise als Sänger auf Tour dabei und schrieb einige Songs und Texte. WATEOT ist für mich ihr bestes Album dieser ganzen Zeit. Klasse Songs, richtige Ohrwürmer, spacige Sounds – hier stimmt auch für Nicht Hawkwind Fans wohl alles.

Zwei offizielle Livealben die später erschienen gibt’s noch: Die 1999 Party ist sehr gut, auch absolut zu empfehlen, die Year 2000 ist nur für Fans, da hier der Sound teils Bootleg Charakter hat.

Danach kam eine erste ernste Zäsur: Saxophonist Nik Turner wurde nach Bandabstimmung gefeuert. Offizieller Grund war "er überblies mit seinem Saxophon immer wieder bei Konzerten Gesangsteile von Dave Brock oder auch ruhigere Stellen in der Musik, so daß von den anderen recht wenig zu hören war". Nach Intervention von Dave Brock mußte er gehen.


Und Lemmy, bekannt als Motörhead Chef, Brüll-Sänger, Bassquäler und Rock-Unikum wurde wegen.....Drogen gefeuert. Kein Witz! Er wurde wegen Drogenbesitzes in USA am Flughafen festgenommen und war dann draußen weil’s schon länger Probleme gab. Damit begann ein neues Kapitel, das ich extra abhandle.

Also nochmal kurz: Space Ritual ist unverzichtbar für jeden Rockinteressierten der 70s, mein Einstiegsalbum wäre aber Warrior at the edge of time.- Diese Scheibe wurde gerade wieder beim Rock Fever
Label neu aufgelegt.

             

HAWKWIND Phase 2 (Robert Calvert Phase)


Phase 2 wurde geprägt durch die Rückkehr von Urmitglied, Ex-Sänger und jetzt-wieder – Robert Calvert. Calvert hatte auf der Habenseite ein wunderbares Talent als Texter, als exaltierter Sänger und vor allem als Performer zu bieten. Auf der Sollseite allerdings einen üblen Drogengebrauch, der eine latent vorhandene Schizophrenie bei ihm auslöste. Das äußerte sich u.a. in absoluter Unzuverlässigkeit was seine Performance betraf und leider auch manchmal in Verfolgungswahn.
Michael Moorcock erzählte einmal: Wir waren alle verrückt damals und nahmen Drogen. Aber Bob war wirklich VERRÜCKT und selbst für uns, die wir mit ihm wohnten und ihn seit Jahren kannten, gefährlich. Im Verfolgungswahn ging er nämlich schon mal dem einen oder anderen an die Gurgel. Soweit zur kleinen stimmungsvollen Einleitung.

- Astounding Sounds Amazing Music (1976)
- Quark Strangeness And Charm (1977)
- P.X.R. 5 (1979)
- Atomhenge Live 1976 (erschienen 2000)

Mit Calvert hatten Hawkwind eine song- und textorientiertere Richtung eingeschlagen. Nun war das Lied wichtig und wurde durch spacige Soundspielchen ergänzt.

Allgemein würde ich diese Phase eher als Rock mit dezentem Wave-Einschlag bezeichnen.

   

Drei Studio-Alben haben sie mit ihm als Lead-Sänger zusammengebracht und drei Knaller sinds geworden. In der Tat – eines besser als das andere. „Astounding“ (übrigens hieß ein Science Fiction Magazin so und das Cover der Platte ist ein Originalmagazin-Cover nur um den HW Schriftzug und den Titel ergänzt) bietet „Reefer madness“ und „Steppenwolf“, nicht die einzigen vertonten Bücher, da Calvert sehr belesen war. Auch der Rest des Albums hat stimmungsvolle Songs und Instrumentals.

„Quark, Strangeness & Charm“ hat mit dem Titelsong, mit „Spirit of the age“, mit „Damnation alley“ und mit „Hassan I Sahba (heutzutage heißt das „Assassins of Allah“) vier Konzertfavoriten die sie bis heute live spielen, zu bieten.

P.X.R. 5 schließlich enthält mit „High Rise“ einen der größten Ohrwürmer den die Hawks haben, sowie noch den Song „Robot“ der in der Ausrichtung etwas ähnlich dem göttlichen Steppenwolf ist. Das Doppel-Livealbum ist ebenfalls gut bis sehr gut.

Leider sind alle Alben der Calvert-Ära sehr gesucht und sehr selten, da sie seit geraumer Zeit nicht mehr aufgelegt wurden.

Mein Einstiegstip ist ohne Frage „Quark Strangeness and Charm“, das von allen den poppigsten (im Sinne von Ohrwurm) Charakter hat.

               

HAWKWIND Phase 3 (Die 80er oder "where is our galaxy ?)


Teil 3 nenne ich die 80er, weil hier keine große einheitliche Phase mehr stattfand. In der Tat ist das Jahrzehnt für die Habichte von stetigen Musikerwechseln und Stil- sowie Qualitätsschwankungen gekennzeichnet und ergibt darum eine recht umfangreiche Beschreibung von mir.

Ich beginne mit nem kleinen Rückgriff.
Dave Brock löst Hawkwind 1978 auf weil es in der Mannschaft nicht mehr stimmte und versucht mit Bob Calvert unter dem Namen Hawklords weiterzumachen. Ein Studio Album „25 Years On“ gibt’s in dieser Inkarnation aber bald wird daraus wieder Hawkwind und das Album P.X.R. 5 (im zweiten HW Posting von mir erwähnt).
Calvert’s Probleme halten an und steigern sich noch, was Dave Brock so frustriert dass er die Band wieder auflöst.

Aber natürlich nicht lange. Mit anderen Musikern stellt er Hawkwind bald wieder auf die Beine. Am bemerkenswertesten hierbei sicherlich ist Neuzugang Tim Blake. Der Ex-Keyboarder von Gong ist eine absolute Bereicherung für den Sound, weil er mit all den technischen Neuerungen im Tastenbereich bestens umzugehen weiß. Blake’s Crystal Machine (so nennt er seine Synthi-Burg) läßt HWs Synthiespielereien so smooth wie nie zuvor erklingen.

In der aufkommenden Heavy Metal Zeit ist es sicherlich clever es mit einem Livealbum zu probieren, da HW auf der Bühne eh schon immer etwas kerniger waren. Und es funktioniert - „Live 79“ wird beachtet. Spacig, rockig, auch mal dezent härter ist es ein ideales Einstiegsalbum.

Und nun kommt der nächste Neuzugang und sicherlich der spektakulärste in der ganzen Bandgeschichte. Mr. Ginger Baker setzt sich auf den Trommelstuhl und Hawkwind liefern noch im selben Jahr das Studioalbum „Levitation“ ab und treten im ZDF auf (kennt noch jemand die Sendung „RockPop“?). Baker’s Trommelei zahlt sich natürlich aus. Nun „federt“ der Rhythmus geradezu und ist nicht nur straightes Rock-Geklopfe. Eines der besten Alben der Bandgeschichte liegt vor. Gute Songs, fliessende Übergänge und einen allgemein gelüfteten Sound findet man darauf. Space-Rock mit Qualität. Aber natürlich nicht lange. Baker geht und Brock formiert wieder um.

Heavy Metal blüht, die Firmen suchen händeringend passende Bands und die RCA meint, dass Hawkwind da wohl gut reinpassen und nimmt sie für zwei Alben unter Vertrag. „Sonic Attack“ erscheint 1981, 1982 kommt (bei nem anderen Label) zuerst das Album „Church of Hawkwind“ unter dem Band-Signet, obwohl es eigentlich eher eine Solo-Arbeit von Brock ist und ebenfalls im selben Jahr kommt „Choose your masques“.

Beide Bandalben sind Hawkwind Space-Rock mit 80er Sounds in recht blasser Produktion. Recht orientierungslos klingen sie hier. Einzelne Songs sind Klasse, andere wiederum Mist und viele hängen irgendwo rum. Der Sound blutleer und am Ende nehmen sie auch noch „Silver machine“ als erstmalige Studioversion mit drauf. „Church of Hawkwind“ ist technischer im Klang, weniger rockorientiert, der fehlende Input der anderen ist zu spüren und dennoch ist es gar kein schlechtes Album geworden.

(Kleiner Einschub: Es begab sich zu dieser Zeit, dass ein kleiner bayerischer pickeliger Teenager im Heavy Metal Fach seines Plattenladens HW’s Sonic Attack entdeckte, kaufte und toll fand.

Da kannte dieser arme Tropf ja die Band-Vorgeschichte noch nicht. Aber man sieht – Plattenfirmenschubladen können doch nützlich sein.)

1983 erscheint „Zones“, ein Sammelsurium aus Live- und Studiotracks. 1984 spielen Hawkwind in Stonehenge und....ja wen haben wir denn da ? Nik Turner ist wieder dabei und das Free Festival rund um Stonehenge wird zumindest für Hawkwind ein unvergessliches Erlebnis. Neues kommt in Form der „Night of the Hawks“ E.P. (der Titelsong wurde in USA zum Fast-Hit und überhaupt zum Konzert-Dauerbrenner) und des Stonehenge Livealbums „This is Hawkwind, Do not panic“.

Wir haben 1985 und Hawkwind konzentrieren sich wieder. Moorcock ist wieder da und hilft mit dem Konzept schon mal. Diesmal soll es komplett um seinen Ewigen Helden Elric sich drehen. „The chronicle of the Black Sword“ wird veröffentlicht und jetzt sind sie nahe am Heavy Metal dran. Zumindest astreiner Hardrock ist das und nur gelegentlich blitzt noch der Space-Background durch. Eine Tour und ein Live-Doppelalbum (Live Chronicles) folgen. Moorcock persönlich, Tänzer, ein Schauspieler der Elric darstellt und Feuerspucker plus die einfachere Hardrock-Musik werden zum vollen Erfolg für Hawkwind.

Aaaaber ....ihr ahnt es schon....natürlich nicht lange. Alles zerstreut sich wieder, und Hawkwind verschwinden bis 1988 von der Bildfläche. „The Xenon Codex“ erscheint und hilft nicht weiter. Orientierungslos auch hier. Wieder einzelne gute Stücke, aber keine gute Produktion. Immerhin weg vom reinen Hardrock. Und als ich und vielleicht viele andere Hawkwind schon abgeschrieben hatten, kommt 1990 doch noch ein Licht am Ende der Galaxie. Davon mehr im vierten Teil.

- Live 79 (1980)
- Levitation (1980)
- Sonic Attack (1981)
- Church of Hawkwind (1982)
- Choose Your Masques (1982)
- Zones (1983)
- This is Hawkwind, Do not panic (1984)
- The chronicle of the Black Sword (1985)
- Live Chronicles (1986)
- The Xenon Codex (1988)

Schwierig sich in dieser Zeit auf ein Album festzulegen. Wer es härter mag nimmt die Chroniken, Levitation ist allgemein gut, Live 79 typisch. Ich entschließe mich fürs Livealbum weil das mich dann so richtig erst neugierig auf Hawkwind gemacht hatte. Sonic Attack, mein Erstgekauftes hielt da nicht lange vor.

Die erwähnte und übrigens sehr gute „Night of the Hawks“ E.P. gibt’s auf der CD „Mighty Hawkwind Classics 1980-1985" zu kaufen. Das ist eine Zusammenstellung von 4 E.P.s, alt und neu. Außer der „Night.....“ findet man da z.B. noch Liveaufnahmen der Hawklords, Pre-Hawkwind Songs, die Originalversion des Songs „Motorhead“ den Lemmy für Hawkwind schrieb und aus dem dann die allseits bekannte Krachkapelle wurde und das herrliche 8minütige „Valium Ten“, einen meiner Lieblingsongs von ihnen. Das beginnt mit den gesprochenen Sätzen: „No I don’t want you to panic, just lay back and relax“ und dann hört man einen fiesen Zahnarztbohrer und den armen Kerl jaulen. Und schon ist man mittendrin in einem geradezu archetypischen HW Song mit treibender rockiger Gitarre, flirrenden Synthis und einer Orgel die sehr 60ies like klingt. Eine versteckte Perle, dieser Song.


HAWKWIND Phase 4 (Die 90er oder Techno-Rock has arrived)


Wir sind in den 90ern und auch da möchte ich ausführlicher werden.

Beginnen wir gleich mal im Jahre 1990. Hawkwind präsentieren eine echte Neuerung. Mit Bridgette Wishart ist eine Sängerin auf der Kommandobrücke angekommen. Zu hören auf dem Album „Space Bandits“. Das fetzt gleich los mit dem über 9minütigen „Images“ und gleich ist man in alten Zeiten. Ein straighter Rhythmus, energisch, kräftig und Wishart’s Stimme passt so gut dazu, als ob sie schon immer dabei wäre. Erster Volltreffer. „Black Elk Speaks“ beginnt mit dumpfen Indianer-Trommeln aus der Steckdose und Häuptling Black Elk hält dazu ein wunderschönes Gebet, das langsam in nen treibenden HW Song übergeht.

Zweiter Volltreffer. Vögel zwitschern und langsam nimmt der nächste Song - „Wings“ - Fahrt auf. Sehr schön melodiös gesungen von Bassist Alan Davey. Dritter Volltreffer. Insgesamt ist das ganze Album ordentlich rockig, treibend, moderner als früher und einfach gut, macht Spass. Wo waren bloss diese Attribute in den Vorjahren? 1991 kommt „Palace Springs“, ein Livealbum bei dem sie das Publikum weggemischt haben (bis auf ein oder zwei Stellen) mit Material der „Space Bandits“ Tour mit Wishart plus zwei neuer Songs in Liveversionen. Mein Wiedereinstiegsalbum war das, nachdem ich sie durch ihre Mitt- bis Spätachtziger Eskapaden aus den Ohren verloren hatte. Bis heute gehört Palace Springs zu den am meisten aufgelegten Scheiben bei mir überhaupt. Typischer HW Sound, nicht zu hart und einfach rund und stimmig.

Wie schon gewohnt, hält diese Besetzung nicht. Wishart steigt aus, weil Hawkwind eine „Männer-Band“ ist und sie das Gefühl hat dass ihre Ideen in Sachen Sound und Performance nicht wirklich ernst genommen werden. Wer sich in Sachen Performance ein Bild machen will – es gibt ein HW Konzert aus Nottingham 1991 auf DVD namens „Classic Rock Legends“. Hier bekommt man schon eine Ahnung das es mit Bridgette Wishart mehr in Richtung Kunst-Performance gegangen wäre. Schade finde ich dass diese Kollaboration nicht weiterbestand.

Neben Wishart gehen gleich noch Violinist Simon House (der aber immer mal dabei und dann wieder nicht ist) und mit Harvey Bainbridge (Keyboards, Synths) auch ein Musiker der Dave Brock schon seit den Hawklords begleitet hatte.

Da warens also nur noch drei. Davey (Bass, Gesang), Chadwick (Drums) und Brock (Gitarre) basteln zu dritt das Album „Electric Tepee“. Die Keyboards übernehmen ab sofort Brock und Davey zusätzlich, im Studio wie auf der Bühne. Leider ist das Album recht langweilig. Außer dem Opener „LSD“ muß man davon eigentlich nix haben. Da war der Schock der Abgänge wohl doch groß.

1993 hatten sie sich wieder gefangen, aber in ner ganz anderen Richtung. „It is the business of the future, to be dangerous“. Das Album mit dem längsten Titel der Hawkwind Geschichte, ist alles andere als “Gefährlich”. Aber mir gefällts ausnehmend gut. Brock beginnt sich für ethnische Kulturen zu interessieren, entdeckt nach den Indianern diesesmal Tibet, und herauskommt auf diesem Album eine Art „Ambient-Rock“. Die ersten 5 Titel sind gleich alle instrumental und überwiegend ruhig, mit fernöstlichen Motiven angereichert. Für mich ein Volltreffer der unerwarteten Art, da ich ja solcherart Musik sehr schätze. Gerockt wird auf dem Album nur sehr dezent und erst beim (überflüssigen) Cover von „Gimme shelter“ wird’s richtig rockig. Bis auf dieses Stück, ein Lieblingsalbum der Hawks von mir und anders als alles was sie sonst gemacht haben.

1994 folgt das Livealbum „The business trip“ (auf dieser Tour sah ich sie zum erstenmal) welches die neuen ruhigen Stücke mit nahtlos ineinander übergehenden rockigen Songs, älteren Datums mischt. Die fehlenden Bandmitglieder ersetzen sie live mit Bravour, indem sie mit vielen intelligenten und spannenden Sound-Samples die Lücken füllen während Brock an der Gitarre und Davey am Bass alles geben. Saustarkes Konzert mit interessanter Optik (z.B. tibetische Tänzerinnen, und wunderschöne psychedelische Farben und Dias) und einfach Klasse-Musik.

Ein Jahr später hat sich natürlich schon wieder so einiges geändert. Sänger Ron Tree ist neu dabei. „Alien 4“ ist ein Konzeptalbum mit einer durchgängig erzählten und vertonten SF Geschichte. Metallisch hart und kühl ist ihr Sound, als auch Tree’s Gesang. Zuerst gewöhnungsbedürftig, gewann das Album mit jedem Hören.

1996 dann das, wie üblich nun zugehörige (diesmal Doppel), Live Album „Love in space“ welches auch als Video (nun DVD) erschienen ist. Sound wie beim Studioalbum nur noch stimmiger und runder.

Auch alte Songs werden jetzt ausgegraben und in das neue Werk mit eingepasst. Hervorragend und ordentlich rockig, teils hart.

1997 folgt „Distant Horizons“. Neu war hier außer dem jetzt zweiten Gitarrist Jerry Richards, dass das Album nicht in Europa normal erhältlich war. Es war nur kurze Zeit als Import da und dann verschwunden und gehört darum bis heute zu den gesuchtesten Hawkwind Alben.

Hawkwind hatten seit einiger Zeit ein eigenes Label, aber keinen Vertrieb zu dieser Zeit – das war der Grund.

Musikalisch geht DH noch deutlicher hin zu einer Vermischung der Rock und Hardrockelemente mit Technosounds und Beats. Bevor jetzt jeder hier aufstöhnt: Das machen sie wirklich gut, dezent, passend zum Gesamtsound und passend auch zu ihrem nun bald 30jährigem Space-Image. Trotzdem ist DH kein großes Album, da die wirklich Klasse-Songs fehlen.

Ein Jahr später erscheint „In your area“, ein Hybride aus Live- und Studioalbum. Der Liveteil ist teils so wild und hart wie lange nicht mehr, wird aber ergänzt durch intelligente auflockernde Soundteile (ein kurzer Space-Reggae mitten in Brainstorm z.B.). Der Studioblock ist dann in etwa als Science Fiction Hörspiel zu beschreiben. Natürlich gibt’s hier hauptsächlich Musik, aber viele Stimmsamples und Effekte lassen hier einen Film im Kopf entstehen. Sehr gut umgesetzt, aber leider das letzte was man bisher von HW aus dem Studio vernommen hat.

Im letzten Jahr mit der 19 vorneweg erscheint die schon von Beatnik erwähnte, offizielle (eher selten so was) Sammlung „Epoch Eclipse“ die in der 3CD Version gut zu empfehlen ist. Inzwischen (dem Internet sei Dank) werden HW immer unabhängiger von Record Companies, geben fleissig in England Konzerte und vereinzelt auch auf dem Festland und bringen fast pausenlos Live-Alben aus allen Hawkwind-Epochen auf den Markt. Diese sind überwiegend gut bis sehr gut. Dazu schreibe ich ne Extra-Liste. Die Musiker geben sich, bis auf Drummer Richard Chadwick, die Klinke in die Hand. Hawkwind ist nun definitiv Dave Brock.

In der Pipeline, genauer gesagt fertig und per Sound-Samples auch schon zu genießen – ist jetzt das brandneue Studioalbum „Take me to your leader“. Was ich bis jetzt dazu sagen kann: Gelüfteter Sound, mehr Techno und Drum & Bass Elemente, trotzdem rockig auch mal hart, teils erinnert es mich an den Beginn der 80er so wavig klingt es. Lene Lovich ist Gastsängerin, Arthur (God of Hellfire) Brown singt wohl auch auf einigen Stücken (er war schon auf der letzten Tour der Sänger). Wieder ein Konzeptalbum ist es geworden und soll auf der Bühne in einer Art Space-Labor umgesetzt werden.

- Space Bandits (1990)
- Palace Springs (1991)
- Electric Tepee (1992)
- It Is The Business Of The Future, To Be Dangerous (1993)
- The Business Trip - Live (1994)
- Alien 4 (1995)
- Love In Space – Live (1996)
- Distant Horizons (1997)
- In Your Area (1998)
- Epoch Eclipse (1999)

Hier tu ich mich furchtbar schwer. Das ganze Jahrzehnt über sind sie mir so richtig erst ans Herz gewachsen. Diese Mischung aus straightem Rock, mit technischen, technoiden Spielereien plus Science Fiction Themen, die sie nun mehr denn je dazugeben macht mich süchtig. Für viele von euch ist der Sound wohl durch die vielen vielen Technik-Spielereien leider wohl nix, für mich begann es damit so richtig erst. Eine Band die sich die Science Fiction auf die Fahne geschrieben hat, kommt um ernstgenommen zu werden, meiner Meinung nach, gar nicht an all den ganzen technischen Neuerungen vorbei.

Also als Einstiegsalbum ring ich mir gerade noch „Palace Springs“ ab (siehe oben den Grund). Aber eigentlich muß ich hier bis auf „Electric Tepee“ und „Distant Horizons“ wohl alle nennen, denn zumindest ich hätte mit jedem anderen 90er-Album den Einstieg zu dieser Band geschafft.

Auf alle Fälle kann man sagen: In diesen Jahren wurden Hawkwind erstens zur Kultband über Rockgrenzen hinaus (sie sind inzwischen in der Techno-Trance Szene auch als so eine Art Vorreiter angesehen), zweitens schafften sie es sich auf unabhängige Beine zu stellen und drittens sind sie wohl auch soundtechnisch nun zuhause angekommen, da diese Mischung nun schon ne ganze Weile anhält.

P.S: Das 2000er Album "Spacebrock" erschien zwar unter Hawkwind, aber der Titel sagt es schon - es ist ein Dave Brock Soloalbum. Drum hier nicht dabei

   
         

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