Dies
ist ein Beitrag aus dem Forum. Geschrieben wurde die Story
von "Jerry Garcia". Die Beiträge und die anschließenden Diskussionen
sind hier zu finden:
Zuerst
einmal zu mir: Ich lese Science Fiction, ich liebe Science-Fiction
Filme (alt & neu), auch sogenannte B-Pictures, ich interessiere
mich auch für die Hintergründe von Science Fiction. Warum
ich das als Einleitung schreibe?
Weil ich denke das man Hawkwind
wesentlich mehr genießen kann, wenn man
eine Zuneigung zu Science Fiction hat. Dave Brock liebt Science
Fiction ebenfalls und darum dreht sich eigentlich alles im
Hawkwind Kosmos. Die Texte sowieso, aber auch das Cover-Artwork
(sehr oft im Stil von B-Movies oder alten SF Comics) und erst
recht die Musik.
Es zischt und flirrt und bliept und schliepst
und ständig blubbern Synthis und sonstige Soundeffekte
helfen dir ins Universum zu fliegen. Dazu gibt’s
immer wieder Sprachsamples aus Science-Fiction Filmen die
das Ganze
erst so richtig rund machen.
Nun
zur Kategorisierung.
Ich teile Hawkwind in verschiedene
Phasen auf und beginne hier mit der anarchischen ersten Phase
nach Gründung der Band durch Dave Brock und Nik Turner.
In dieser Zeit waren die Konzerte
recht schräge Performances,
da die Herren alle noch etwas „üben“ mussten
und außerdem diverse Drogen eine gewisse Grundschrägheit
noch unterstützten. Ebenso in diese Zeit fällt
die einzige Hawkwind Hitsingle „Silver machine“, übrigens
eine Live-Aufnahme aus dem Londoner Roundhouse.
- Hawkwind (1970)
- In Search Of Space (1971)
- Doremi Fasol Latido (1972)
- Space Ritual (Live 1972)
- Hall Of The Mountain Grill (1974)
- Warrior On The Edge Of Time (1975)
- The 1999 Party – Live in Chicago (1974 aufgenommen, 1997 erschienen)
- Year 2000:Codename Hawkwind – Live 1972 (erschienen 1999)
Das sind die offiziellen Scheiben
die in diese Zeit fallen. Compilations, und davon gibt’s
von HW zahllose, lasse ich mal alle weg. Das
erste Album ist noch etwas bluesiger (Brock kam wie so viele
in der Zeit,
vom Blues), hat aber schöne Songs und ist noch lange
nicht so abgedreht.
Die
nächsten drei sind unverzichtbare Klassiker. Hier entstand ihr ruppiger,
rauher Space-Sound der mal hartrockend, mal abgedreht wabernd, mal nur schräg
zu ihrem typischen Sound avancierte. „Space Ritual“ gehört
für mich zu den besten Live-Dopplern überhaupt. „Hall of the
mountain grill“ geht in eine ähnliche Richtung, aber hier ist der
Gesamtklang schon etwas „feiner“, so als ob sie eben besser spielen
gelernt hätten.
Dann kam „Warrior At The
Edge Of Time“ nach den Elric-Geschichten
des SF & Fantasy Autors Michael Moorcock. Mit ihm hatten die Hawks
nicht nur in einer WG zusammengewohnt, er war auch zeitweise als Sänger
auf Tour dabei und schrieb einige Songs und Texte. WATEOT ist für
mich ihr bestes Album dieser ganzen Zeit. Klasse Songs, richtige Ohrwürmer,
spacige Sounds – hier stimmt auch für Nicht Hawkwind Fans wohl
alles.
Zwei offizielle Livealben die später erschienen gibt’s noch:
Die 1999 Party ist sehr gut, auch absolut zu empfehlen, die Year 2000 ist
nur
für
Fans, da hier der Sound teils Bootleg Charakter hat.
Danach
kam eine erste ernste Zäsur: Saxophonist Nik Turner wurde nach
Bandabstimmung gefeuert. Offizieller Grund war "er überblies
mit seinem
Saxophon immer wieder bei Konzerten Gesangsteile von Dave Brock oder
auch ruhigere Stellen in der Musik, so daß von den anderen recht
wenig
zu hören war". Nach Intervention von Dave Brock mußte
er gehen.
Und Lemmy, bekannt als Motörhead Chef, Brüll-Sänger,
Bassquäler und Rock-Unikum wurde wegen.....Drogen gefeuert. Kein Witz!
Er wurde wegen Drogenbesitzes in USA am Flughafen festgenommen und war dann
draußen weil’s schon länger Probleme gab. Damit begann ein
neues Kapitel, das ich extra abhandle.
Also nochmal kurz: Space Ritual
ist unverzichtbar für jeden Rockinteressierten der
70s, mein Einstiegsalbum wäre aber Warrior at the
edge of time.- Diese Scheibe wurde gerade wieder beim
Rock Fever
Label neu aufgelegt.
HAWKWIND
Phase 2 (Robert Calvert Phase)
Phase
2 wurde geprägt durch die Rückkehr von Urmitglied,
Ex-Sänger und jetzt-wieder – Robert Calvert. Calvert
hatte auf der Habenseite ein wunderbares Talent als Texter,
als exaltierter Sänger und vor allem als Performer zu
bieten. Auf der Sollseite allerdings einen üblen Drogengebrauch,
der eine latent vorhandene Schizophrenie bei ihm auslöste.
Das äußerte sich u.a. in absoluter Unzuverlässigkeit
was seine Performance betraf und leider auch manchmal in
Verfolgungswahn.
Michael Moorcock erzählte einmal: Wir waren alle verrückt
damals und nahmen Drogen. Aber Bob war wirklich VERRÜCKT
und selbst für uns, die wir mit ihm wohnten und ihn seit
Jahren kannten, gefährlich. Im Verfolgungswahn ging er
nämlich schon mal dem einen oder anderen an die Gurgel.
Soweit zur kleinen stimmungsvollen Einleitung.
- Astounding Sounds Amazing Music (1976)
- Quark Strangeness And Charm (1977)
- P.X.R. 5 (1979)
- Atomhenge Live 1976 (erschienen 2000)
Mit Calvert hatten Hawkwind eine
song- und textorientiertere Richtung eingeschlagen. Nun
war das Lied wichtig und wurde durch spacige Soundspielchen
ergänzt.
Allgemein würde ich diese Phase
eher als Rock mit dezentem Wave-Einschlag bezeichnen.
Drei Studio-Alben haben sie mit ihm als Lead-Sänger zusammengebracht und
drei Knaller sinds geworden. In der Tat – eines besser als das andere. „Astounding“ (übrigens
hieß ein Science Fiction Magazin so und das Cover der Platte ist ein
Originalmagazin-Cover nur um den HW Schriftzug und den Titel ergänzt)
bietet „Reefer madness“ und „Steppenwolf“, nicht die
einzigen vertonten Bücher, da Calvert sehr belesen war. Auch der Rest
des Albums hat stimmungsvolle Songs und Instrumentals.
„Quark, Strangeness & Charm“ hat
mit dem Titelsong, mit „Spirit of the age“, mit „Damnation
alley“ und mit „Hassan I Sahba (heutzutage heißt
das „Assassins of Allah“) vier Konzertfavoriten
die sie bis heute live spielen, zu bieten.
P.X.R. 5 schließlich enthält
mit „High Rise“ einen der größten
Ohrwürmer den die Hawks haben, sowie noch den Song „Robot“ der
in der Ausrichtung etwas ähnlich dem göttlichen
Steppenwolf ist. Das Doppel-Livealbum ist ebenfalls gut bis
sehr gut.
Leider sind alle Alben der Calvert-Ära
sehr gesucht und sehr selten, da sie seit geraumer Zeit nicht
mehr aufgelegt wurden.
Mein Einstiegstip
ist ohne Frage „Quark Strangeness and Charm“,
das von allen den poppigsten (im Sinne von Ohrwurm) Charakter hat.
HAWKWIND
Phase 3 (Die 80er oder "where is our galaxy ?)
Teil
3 nenne ich die 80er, weil hier keine große einheitliche Phase mehr
stattfand. In der Tat ist das Jahrzehnt für die Habichte
von stetigen Musikerwechseln und Stil- sowie Qualitätsschwankungen
gekennzeichnet und ergibt darum eine recht umfangreiche Beschreibung
von mir.
Ich beginne mit nem kleinen Rückgriff.
Dave Brock löst
Hawkwind 1978 auf weil es in der Mannschaft nicht mehr stimmte
und versucht mit Bob Calvert unter dem Namen Hawklords weiterzumachen.
Ein Studio Album „25 Years On“ gibt’s in
dieser Inkarnation aber bald wird daraus wieder Hawkwind
und das Album P.X.R. 5 (im zweiten HW Posting von mir erwähnt).
Calvert’s Probleme halten an und steigern sich noch,
was Dave Brock so frustriert dass er die Band wieder auflöst.
Aber natürlich nicht lange. Mit
anderen Musikern stellt er Hawkwind bald wieder auf die
Beine. Am bemerkenswertesten hierbei
sicherlich ist Neuzugang Tim Blake. Der Ex-Keyboarder von
Gong ist eine absolute Bereicherung für den Sound, weil
er mit all den technischen Neuerungen im Tastenbereich bestens
umzugehen weiß. Blake’s Crystal Machine (so nennt
er seine Synthi-Burg) läßt HWs Synthiespielereien
so smooth wie nie zuvor erklingen.
In der aufkommenden Heavy Metal Zeit
ist es sicherlich clever es mit einem Livealbum zu probieren,
da HW auf der Bühne
eh schon immer etwas kerniger waren. Und es funktioniert
- „Live 79“ wird beachtet. Spacig, rockig, auch
mal dezent härter ist es ein ideales Einstiegsalbum.
Und nun kommt der nächste Neuzugang
und sicherlich der spektakulärste in der ganzen Bandgeschichte.
Mr. Ginger Baker setzt sich auf den Trommelstuhl und Hawkwind
liefern
noch im selben Jahr das Studioalbum „Levitation“ ab
und treten im ZDF auf (kennt noch jemand die Sendung „RockPop“?).
Baker’s Trommelei zahlt sich natürlich aus.
Nun „federt“ der
Rhythmus geradezu und ist nicht nur straightes Rock-Geklopfe.
Eines der besten Alben der Bandgeschichte liegt vor.
Gute Songs, fliessende Übergänge und einen
allgemein gelüfteten Sound findet man darauf. Space-Rock
mit Qualität.
Aber natürlich nicht lange. Baker geht und Brock formiert
wieder um.
Heavy Metal blüht, die Firmen
suchen händeringend
passende Bands und die RCA meint, dass Hawkwind da wohl gut
reinpassen und nimmt sie für zwei Alben unter Vertrag. „Sonic
Attack“ erscheint 1981, 1982 kommt (bei nem anderen
Label) zuerst das Album „Church of Hawkwind“ unter
dem Band-Signet, obwohl es eigentlich eher eine Solo-Arbeit
von Brock ist und ebenfalls im selben Jahr kommt „Choose
your masques“.
Beide Bandalben sind Hawkwind
Space-Rock mit 80er Sounds in recht blasser Produktion.
Recht orientierungslos
klingen sie hier. Einzelne Songs sind Klasse, andere wiederum
Mist und viele hängen irgendwo rum. Der Sound blutleer
und am Ende nehmen sie auch noch „Silver machine“ als
erstmalige Studioversion mit drauf. „Church of Hawkwind“ ist
technischer im Klang, weniger rockorientiert, der fehlende
Input der anderen ist zu spüren und dennoch ist es gar
kein schlechtes Album geworden.
(Kleiner Einschub: Es begab sich zu dieser Zeit,
dass ein kleiner bayerischer pickeliger Teenager im Heavy
Metal Fach
seines Plattenladens HW’s Sonic Attack entdeckte, kaufte
und toll fand.
Da kannte dieser arme Tropf ja die
Band-Vorgeschichte noch nicht. Aber man sieht – Plattenfirmenschubladen
können doch nützlich sein.)
1983 erscheint „Zones“,
ein Sammelsurium aus Live- und Studiotracks. 1984 spielen
Hawkwind in Stonehenge und....ja wen haben wir denn da ?
Nik Turner ist wieder dabei und das Free Festival rund um
Stonehenge wird zumindest für Hawkwind ein unvergessliches
Erlebnis. Neues kommt in Form der „Night of the Hawks“ E.P.
(der Titelsong wurde in USA zum Fast-Hit und überhaupt
zum Konzert-Dauerbrenner) und des Stonehenge Livealbums „This
is Hawkwind, Do not panic“.
Wir haben 1985 und Hawkwind konzentrieren
sich wieder. Moorcock ist wieder da und hilft mit dem Konzept
schon mal. Diesmal soll es komplett um seinen Ewigen Helden
Elric sich drehen. „The chronicle of the Black Sword“ wird
veröffentlicht und jetzt sind sie nahe am Heavy Metal
dran. Zumindest astreiner Hardrock ist das und nur gelegentlich
blitzt noch der Space-Background durch. Eine Tour und ein
Live-Doppelalbum (Live Chronicles) folgen. Moorcock persönlich,
Tänzer, ein Schauspieler der Elric darstellt und Feuerspucker
plus die einfachere Hardrock-Musik werden zum vollen Erfolg
für Hawkwind.
Aaaaber ....ihr ahnt es schon....natürlich
nicht lange. Alles zerstreut sich wieder, und Hawkwind verschwinden
bis 1988 von der Bildfläche. „The Xenon Codex“ erscheint
und hilft nicht weiter. Orientierungslos auch hier. Wieder
einzelne gute Stücke, aber keine gute Produktion. Immerhin
weg vom reinen Hardrock. Und als ich und vielleicht viele
andere Hawkwind schon abgeschrieben hatten, kommt 1990 doch
noch ein Licht am Ende der Galaxie. Davon mehr im vierten
Teil.
- Live 79 (1980)
- Levitation (1980)
- Sonic Attack (1981)
- Church of Hawkwind (1982)
- Choose Your Masques (1982)
- Zones (1983)
- This is Hawkwind, Do not panic (1984)
- The chronicle of the Black Sword (1985)
- Live Chronicles (1986)
- The Xenon Codex (1988)
Schwierig sich in dieser Zeit auf
ein Album festzulegen. Wer es härter mag nimmt die Chroniken,
Levitation ist allgemein gut, Live 79 typisch. Ich entschließe
mich fürs Livealbum weil das mich dann so richtig erst
neugierig auf Hawkwind gemacht hatte. Sonic Attack, mein
Erstgekauftes hielt da nicht lange vor.
Die erwähnte und übrigens
sehr gute „Night of the Hawks“ E.P. gibt’s
auf der CD „Mighty Hawkwind Classics 1980-1985" zu
kaufen. Das ist eine Zusammenstellung von 4 E.P.s, alt und
neu. Außer der „Night.....“ findet man
da z.B. noch Liveaufnahmen der Hawklords, Pre-Hawkwind Songs,
die Originalversion des Songs „Motorhead“ den
Lemmy für Hawkwind schrieb und aus dem dann die allseits
bekannte Krachkapelle wurde und das herrliche 8minütige „Valium
Ten“, einen meiner Lieblingsongs von ihnen. Das beginnt
mit den gesprochenen Sätzen: „No I don’t
want you to panic, just lay back and relax“ und dann
hört man einen fiesen Zahnarztbohrer und den armen Kerl
jaulen. Und schon ist man mittendrin in einem geradezu archetypischen
HW Song mit treibender rockiger Gitarre, flirrenden Synthis
und einer Orgel die sehr 60ies like klingt. Eine versteckte
Perle, dieser Song.
HAWKWIND
Phase 4 (Die 90er oder Techno-Rock has arrived)
Wir
sind in den 90ern und auch da möchte ich ausführlicher
werden.
Beginnen wir gleich mal im Jahre 1990. Hawkwind
präsentieren
eine echte Neuerung. Mit Bridgette Wishart ist eine Sängerin
auf der Kommandobrücke angekommen. Zu hören auf
dem Album „Space Bandits“. Das fetzt gleich los
mit dem über 9minütigen „Images“ und
gleich ist man in alten Zeiten. Ein straighter Rhythmus,
energisch,
kräftig und Wishart’s Stimme passt so gut dazu,
als ob sie schon immer dabei wäre. Erster Volltreffer. „Black
Elk Speaks“ beginnt mit dumpfen Indianer-Trommeln aus
der Steckdose und Häuptling Black Elk hält dazu
ein wunderschönes Gebet, das langsam in nen treibenden
HW Song übergeht.
Zweiter Volltreffer. Vögel zwitschern
und langsam nimmt der nächste Song - „Wings“ -
Fahrt auf. Sehr schön melodiös gesungen von Bassist
Alan Davey. Dritter Volltreffer. Insgesamt ist das ganze
Album ordentlich rockig, treibend, moderner als früher
und einfach gut, macht Spass. Wo waren bloss diese Attribute
in den Vorjahren? 1991
kommt „Palace Springs“, ein Livealbum bei
dem sie das Publikum weggemischt haben (bis auf ein oder
zwei Stellen) mit Material der „Space Bandits“ Tour
mit Wishart plus zwei neuer Songs in Liveversionen. Mein
Wiedereinstiegsalbum war das, nachdem ich sie durch ihre
Mitt- bis Spätachtziger Eskapaden aus den Ohren verloren
hatte. Bis heute gehört Palace Springs zu den am meisten
aufgelegten Scheiben bei mir überhaupt. Typischer HW
Sound, nicht zu hart und einfach rund und stimmig.
Wie schon gewohnt, hält diese Besetzung nicht. Wishart
steigt aus, weil Hawkwind eine „Männer-Band“ ist
und sie das Gefühl hat dass ihre Ideen in Sachen Sound
und Performance nicht wirklich ernst genommen werden. Wer
sich in Sachen Performance ein Bild machen will – es
gibt ein HW Konzert aus Nottingham 1991 auf DVD namens „Classic
Rock Legends“. Hier bekommt man schon eine Ahnung das
es mit Bridgette Wishart mehr in Richtung Kunst-Performance
gegangen wäre. Schade finde ich dass diese Kollaboration
nicht weiterbestand.
Neben Wishart gehen gleich noch Violinist Simon House (der
aber immer mal dabei und dann wieder nicht ist) und mit Harvey
Bainbridge (Keyboards, Synths) auch ein Musiker der Dave
Brock schon seit den Hawklords begleitet hatte.
Da warens also nur noch drei. Davey
(Bass, Gesang), Chadwick (Drums) und Brock (Gitarre) basteln
zu dritt das Album „Electric
Tepee“. Die Keyboards übernehmen ab sofort Brock
und Davey zusätzlich, im Studio wie auf der Bühne.
Leider ist das Album recht langweilig. Außer dem Opener „LSD“ muß man
davon eigentlich nix haben. Da war der Schock der Abgänge
wohl doch groß.
1993 hatten sie sich wieder gefangen,
aber in ner ganz anderen Richtung. „It is the business of the future, to be
dangerous“. Das Album mit dem längsten Titel der
Hawkwind Geschichte, ist alles andere als “Gefährlich”.
Aber mir gefällts ausnehmend gut. Brock beginnt sich
für ethnische Kulturen zu interessieren, entdeckt nach
den Indianern diesesmal Tibet, und herauskommt auf diesem
Album eine Art „Ambient-Rock“. Die ersten 5 Titel
sind gleich alle instrumental und überwiegend ruhig,
mit fernöstlichen Motiven angereichert. Für mich
ein Volltreffer der unerwarteten Art, da ich ja solcherart
Musik sehr schätze. Gerockt wird auf dem Album nur sehr
dezent und erst beim (überflüssigen) Cover von „Gimme
shelter“ wird’s richtig rockig. Bis auf dieses
Stück, ein Lieblingsalbum der Hawks von mir und anders
als alles was sie sonst gemacht haben.
1994 folgt das Livealbum „The business trip“ (auf
dieser Tour sah ich sie zum erstenmal) welches die neuen
ruhigen Stücke mit nahtlos ineinander übergehenden
rockigen Songs, älteren Datums mischt. Die fehlenden
Bandmitglieder ersetzen sie live mit Bravour, indem sie mit
vielen intelligenten und spannenden Sound-Samples die Lücken
füllen während Brock an der Gitarre und Davey am
Bass alles geben. Saustarkes Konzert mit interessanter Optik
(z.B. tibetische Tänzerinnen, und wunderschöne
psychedelische Farben und Dias) und einfach Klasse-Musik.
Ein Jahr später hat sich natürlich schon wieder
so einiges geändert. Sänger Ron Tree ist neu dabei. „Alien
4“ ist ein Konzeptalbum mit einer durchgängig
erzählten und vertonten SF Geschichte. Metallisch hart
und kühl ist ihr Sound, als auch Tree’s Gesang.
Zuerst gewöhnungsbedürftig, gewann das Album mit
jedem Hören.
1996 dann das, wie üblich nun zugehörige
(diesmal Doppel), Live Album „Love in space“ welches
auch als Video (nun DVD) erschienen ist. Sound wie beim
Studioalbum nur noch stimmiger und runder.
Auch alte Songs werden jetzt ausgegraben
und in das neue Werk mit eingepasst. Hervorragend und ordentlich
rockig, teils hart.
1997 folgt „Distant Horizons“.
Neu war hier außer dem jetzt zweiten Gitarrist Jerry
Richards, dass das Album nicht in Europa normal erhältlich
war. Es war nur kurze Zeit als Import da und dann verschwunden
und gehört darum bis heute zu den gesuchtesten Hawkwind
Alben.
Hawkwind hatten seit einiger Zeit
ein eigenes Label, aber keinen
Vertrieb zu dieser Zeit – das war der Grund.
Musikalisch geht DH noch deutlicher
hin zu einer Vermischung der Rock und Hardrockelemente mit
Technosounds und Beats.
Bevor jetzt jeder hier aufstöhnt: Das machen
sie wirklich gut, dezent, passend zum Gesamtsound und passend auch zu ihrem
nun bald 30jährigem Space-Image. Trotzdem ist DH kein großes Album,
da die wirklich Klasse-Songs fehlen.
Ein Jahr später erscheint „In
your area“, ein Hybride aus Live- und Studioalbum.
Der Liveteil ist teils so wild und hart wie lange nicht mehr,
wird aber ergänzt durch intelligente auflockernde Soundteile
(ein kurzer Space-Reggae mitten in Brainstorm z.B.). Der
Studioblock ist dann in etwa als Science Fiction Hörspiel
zu beschreiben. Natürlich gibt’s hier hauptsächlich
Musik, aber viele Stimmsamples und Effekte lassen hier einen
Film im Kopf entstehen. Sehr gut umgesetzt, aber leider das
letzte was man bisher von HW aus dem Studio vernommen hat.
Im letzten Jahr mit der 19 vorneweg
erscheint die schon von Beatnik erwähnte, offizielle
(eher selten so was) Sammlung „Epoch Eclipse“ die
in der 3CD Version gut zu empfehlen ist. Inzwischen (dem
Internet sei Dank) werden HW immer unabhängiger von
Record Companies, geben fleissig in England Konzerte und
vereinzelt auch auf dem Festland und bringen fast pausenlos
Live-Alben aus allen Hawkwind-Epochen auf den Markt. Diese
sind überwiegend gut bis sehr gut. Dazu schreibe ich
ne Extra-Liste. Die Musiker geben sich, bis auf Drummer Richard
Chadwick, die Klinke in die Hand. Hawkwind ist nun definitiv
Dave Brock.
In der Pipeline, genauer gesagt fertig
und per Sound-Samples auch schon zu genießen – ist
jetzt das brandneue Studioalbum „Take me to your leader“.
Was ich bis jetzt dazu sagen kann: Gelüfteter Sound,
mehr Techno und Drum & Bass Elemente, trotzdem rockig
auch mal hart, teils erinnert es mich an den Beginn der 80er
so wavig klingt es. Lene Lovich ist Gastsängerin, Arthur
(God of Hellfire) Brown singt wohl auch auf einigen Stücken
(er war schon auf der letzten Tour der Sänger). Wieder
ein Konzeptalbum ist es geworden und soll auf der Bühne
in einer Art Space-Labor umgesetzt werden.
- Space Bandits (1990)
- Palace Springs (1991)
- Electric Tepee (1992)
- It Is The Business Of The Future, To Be Dangerous (1993)
- The Business Trip - Live (1994)
- Alien 4 (1995)
- Love In Space – Live (1996)
- Distant Horizons (1997)
- In Your Area (1998)
- Epoch Eclipse (1999)
Hier tu ich mich furchtbar schwer.
Das ganze Jahrzehnt über sind sie mir so richtig erst
ans Herz gewachsen. Diese Mischung aus straightem Rock, mit
technischen, technoiden Spielereien plus Science Fiction
Themen, die sie nun mehr denn je dazugeben macht mich süchtig.
Für viele von euch ist der Sound wohl durch die vielen
vielen Technik-Spielereien leider wohl nix, für mich
begann es damit so richtig erst. Eine Band die sich die Science
Fiction auf die Fahne geschrieben hat, kommt um ernstgenommen
zu werden, meiner Meinung nach, gar nicht an all den ganzen
technischen Neuerungen vorbei.
Also als Einstiegsalbum ring ich mir
gerade noch „Palace Springs“ ab (siehe oben den
Grund). Aber eigentlich muß ich hier bis auf „Electric
Tepee“ und „Distant Horizons“ wohl alle
nennen, denn zumindest ich hätte mit jedem anderen 90er-Album
den Einstieg zu dieser Band geschafft.
Auf
alle Fälle kann man sagen: In diesen Jahren wurden Hawkwind erstens
zur Kultband über Rockgrenzen hinaus (sie sind inzwischen in der Techno-Trance
Szene auch als so eine Art Vorreiter angesehen), zweitens schafften sie es
sich auf unabhängige Beine zu stellen und drittens sind sie wohl auch
soundtechnisch nun zuhause angekommen, da diese Mischung nun schon ne ganze
Weile anhält.
P.S: Das 2000er Album "Spacebrock" erschien
zwar unter Hawkwind, aber der Titel sagt es schon - es ist
ein Dave Brock Soloalbum. Drum hier nicht dabei