Renaissance – Illusion (1971)

Illusion ist für mich diejenige Sammlung mit den allerschönsten Herbst- und Nebelsongs aller Zeiten die wohl nie von irgendwem so gewollt und doch von einem Tontechniker (vermutlich war das der legendäre Producer Andy Jones) in einer langen Nacht aus übrig gebliebenem Bandmaterial liebevoll zusammengesetzt wurde, es ist ein einziges gigantisches Monument erhabener Klänge und Melodien denen trotz des ganzen Abschiedes der in der Luft lag ein Funken Hoffnung implantiert wurde. Der Funke der Hoffnung trug den Titel „Mr. Pine“ und stellte inmitten einstürzender Mauern die neue Keimzelle von Renaissance vor, eine Wiedergeburt im wahrsten Sinne des Wortes, der Phönix der aus Trümmern und rauchender Asche emporsteigt.

Für viele Kritiker ist dieser Tonträger ein ungeliebtes Kind , für mich ist es hingegen die gelungenste Form eines Versuches Klassik mit Popmusik zu verbinden. Nicht tonnenschwer und abgrundtief wie das damals manche Zeitgenossen zelebrierten sondern verspielt und organisch, magisch und dennoch logisch und natürlich. Die Stimmen von Keith Relf, seiner Schwester Jane und von Drummer Jim McCarty scheinen ineinander zu zerfliessen, sie verlieren alles irdisch Greifbare und verwischen wie warmes Sonnenlicht zu wunderschönen, körperbefreiten luftigen Stimmungen, sie werden zusammen mit den Pigmenten von Piano-Akkorden, glasklaren Gitarrenklängen, jazzig herumtanzenden Bässen und hypnotischen Drum-Teppichen zur gigantischen Farbmalerei an einer überdimensionalen Gipsdecke. Die Künstler die hier am Werke waren verstanden sich blind, es ist schlicht beeindruckend wie sie sich im begeisternden Longtrack „Past Orbits Of Dust“ die Hände reichten und unterschiedliche musikalische Galaxien zusammenführten. Was dem einen vielleicht zuerst  bedrückend, traurig und melancholisch erscheinen mag, wird sich bei intensiverer Begutachtung schnell zu einer faszinierenden interstellaren Farbexplosion entwickeln. Ein Trip ins Innere von Illusion verlangt deshalb höchste Aufmerksamkeit, zu viele der Details dieses atemberaubenden Klanggemäldes könnten einem sonst vielleicht entgehen.

RENAISSANCE FOREVER!
mellow

 


Renaissance – Illusion (LP, 1971, Island Records)
1. Love Goes On
2. Golden Thread
3. Love Is All
4. Mr. Pine
5. Face Of Yesterday
6. Past Orbits Of Dust

Bonus-Tracks (CD, 2010, Esoteric Recordings):
7. Prayer For Light
8. Walking Away
9. All The Fallen Angels

Renaissance:
Keith Relf – Guitar, Vocals
Jane Relf – Vocals
Jim McCarty – Drums, Vocals
John Hawken – Keyboards
Louis Cennamo – Bass

Renaissance on „Mr. Pine“:
Michael Dunford – Guitar
Terry Crowe – Lead Vocals
Neil Korner – Bass
Terry Slade – Drums

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