The Rattles – Tonight: The Rattles Starring Edna (1972)

Schande über alle Verleger und Vertreter angestaubter Rockmusik, mit Tonight: The Rattles Starring Edna schlummert im Halbdunkel der Rockgeschichte eine wahre Perle die noch immer sehnlichst darauf wartet aus dem finsteren Archiv befreit zu werden. Wissen die Götter weshalb da noch nie ein Archäologe Hand angelegt hat.

Im Vergleich zu ihren Sixties-Konkurrenten The Lords schafften The Rattles den Sprung in die Seventies mit Bravour. The Rattles, die 1970 mit „The Witch“ europaweit einen Hit landen konnten, hatten mit der Sixties-Formation allerdings nicht mehr allzuviel gemeinsam, die Band hatte nicht nur personell sondern auch musikalisch eine Frischzellenkur erhalten. Beat war längst passé, räumte zu Gunsten einer neueren Form angelsächsisch geprägter Rockmusik das Feld. 1971, auf dem ersten Longplayer mit Edna harkte es manchmal vielleicht noch etwas, aber schon zwei Jahre später spielte sich die Truppe um Sängerin Edna Béjarano äusserst entspannt durch die Aufnahmen.

Die Tonight-LP ist trotz des Entstehungsjahres prinzipiell „krautfrei“, völlig entkrampft und entspannt, hat dennoch einen leicht exotischen Charakter, steht aber durchwegs schwindelfrei auf den selber zusammen geschraubten Songs die sich ihren eigenen Weg zwischen den Sparten suchen. Manchmal orgellastig wie bei dem begnadeten, groovy stampfenden Kracher „Make It“ (…nur schon dieser rollende, knallige Bass… göttlich…), andernorts progressiv abgehoben wie auf „Visions Of Tarzan & Jane“, aber auch funky und amerikanisch angeturnt („Be My Man“), Atlantis nicht unähnlich. Unterm Strich addiert: Tonight: The Rattles Starring Edna ist eine wirklich ausgezeichnete Langrille. Leider ein Exponat dem jeglicher Erfolg vorenthalten blieb. Tja, das muss man wohl so akzeptieren, gute Musik lässt sich niemals anhand nackter Verkaufszahlen messen, trotzdem wäre es schön, wenn sowas im Nachhinein eine entsprechende Würdigung erfahren würde. Also ich zumindest habe mir soeben „Move It“ zum Mobile-Klingelton erkoren.

Hey all ihr lieben Retro-Producers, hört euch mal „Make It“ an… und dann… ja dann „macht es“… krallt euch diese Schatztruhe, bringt das Baby ins Trockene!

PS. Liebe Soundarchäologen, falls ihr die Tapes da unten im muffigen Keller gefunden habt, dann schaut doch gleich mal rechts davon ins Regal. Steht da zufällig auch noch die Schachtel mit der 74er-Rattles-Scheibe Gin Mill mit Linda Fields? Okay, RCA statt Philips, aber wer weiss. Da war Edna bereits wieder weg, aber die LP sollte dringend auch mit zur Restauration und danach ab damit in die Silberpresse…

LONG LIVE ROCK!
mellow

 

The Rattles – Tonight: The Rattles Starring Edna
(LP, 1972, Philips)

A1) Devil’s Son
A2) You’ve Got To Get Another Girl
A3) Will You Pay When I Cry
A4) Alabama
A5) Make It

B1) Visions Of Tarzan & Jane
B2) Be My Man
B3) What Do I Care
B4) Blue Berry Music

Producer: The Rattles
Engineer: Thomas Kukuck

The Rattles (1972):
Edna Béjarano – Vocals
Frank Mille – Guitar, Vocals
Kurt „Zappo“ Lüngen – Bass, Guitar, Vocals
Herbert „Borny“ Bornhold – Drums
Jochen „Lude“ Peters – Keyboards

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4 Kommentare

  1. Lieber mellow, ich habe es 2020 zumindest geschafft, den Rest meines Archivs mit weiteren 12 Meter neuen Regalen für CD’s auszustatten und konnte jetzt viele Lagerboxen dort unterzubringen. Kürzlich suchte ich eine rare CD von Michels (wäre auch mal einen Beitrag wert) für eine Kopie (Transfer nach MP3 und WMA) zwecks Übertragung nach USA zu einem Kraut-Rock-Fan. Ich war kurz vor dem durchdrehen, aber dann doch gefunden, transferiert und per We Transfer zu dem Fan. Der hat sich gefreut wie ein Teenager, ich natürlich auch, weil ich mit so einer Kleinigkeit so einen leidenschaftlichen Ausbruch erzeugen konnte. Ich habe als Techniker alle Evolutionsstufen der modernen Technik nicht nur durchlebt, sondern bin darin (bis heute) eingetaucht (ja auch SW und Color Röhre). Ich habe bisher nur wenige Formate ausgelassen oder stiefmütterlich behandelt, beispielsweise Bild-Platte, SACD, DVD-Audio, Beamer, ansonsten habe ich fast alle Abspiel und Aufnahmegeräte noch spielbereit (teils mehrfach). Kürzlich musste ich meine DV-Maschinen sogar wieder anschmeißen, weil eine Werkstatt für Sportwagen aus Zuffenhausen einen Videomittschnitt auf CD/DVD zur Präsentation brauchte, hat geklappt, der kann jetzt direkt in dauerschleife direkt von Server abgespielt werden. Und wieder das gleiche Spiel mit den Freudentränen. Ich war auch glücklich. Zurück zu Keller-Visionen, ja es ist fast so wie du es beschreibst beim DJ. Ich bin so ein wenig wie der Sammler in der Geschichte Boogiedogs (soll ich schicken ??). Bleib weiter so kreativ und leidenschaftlich. Klingende Grüsse, Der SchoTTe

  2. Selbstverständlich weiss ich nicht wie es im SchoTTen-Keller aussieht, ich stelle mir einfach das Ambiente in etwa so vor wie ich es jeweils bei einem befreundeten DJ in dessen Kellergewölbe (mehrere Keller, eigentlich hat er die halbe Tiefgarage angemietet) antreffe. Bei der Suche nach bestimmten Vinylos staunt er selber immer wieder was er da alles hortet: Kürzlich stiess er auf mehrere Kisten (mit französischen EP’s und Singles) von denen er keine Ahnung hatte, dass er die gebunkert hat. Vermutlich hatte er die mal en bloc übernommen als ein Lager aufgelöst wurde…

    mellow

  3. Woher weiß der mellow Meister denn so genau wie es in meinem Keller aussieht ?? Vermutlich deshalb, weil es bei vielen Tape-Vinyl-Maniac in irgendeiner Ecke der Wohnräume oder Keller so aussieht. Was er nicht weiß, bei mir ist es noch viel, viel schlimmer, denn in meinem Keller-Archiv stehen unter anderem mehrere riesige Säcke mit Tonbändern (13 cm für Uher Report, 18 cm für Uher Royal, 27 cm für Revox A77), daneben noch mehrere Kisten mit Kompakt-Kassetten (von C30 bis C120). Die meisten kennen von den The Rattles tatsächlich nur The Witch, alles was davor und danach war verschwindet mit der fließenden Zeit immer noch viel tiefer ins Vergessen. Wie mellow bereits ausführte und ich bestätige, besonders die 70iger Alben durchaus unberechtigt. Bei Vinyl spielt auch sehr viel Nostalgie mit, welcher Tonabnehmer hat sich schon in den Rillen bewegt, welchen Weg hat die schwarze Plastikscheibe hinter sich, Vinyl ist etwas Zeitloses zum Anfassen und Vererben. Vermutlich werden viele rare Vinyl-Alben der 60iger und 70iger nicht wieder veröffentlicht, weil die Population der Zielgruppe immer kleiner wird (im Moment besonders remo4) und den kleinen aber feinen unabhängigen Labels langsam die Luft (im doppeldeutigen Sinn) ausgeht. Umso mehr, jeder der gut erhaltenes Vinyl-Gold in seinem Bestand hat wie du Olaf, sollte gut darauf aufpassen und auch das Abspielgerät (sprich Plattenspieler) bitte nicht abgeben. Und dann noch Linda Fields, die ist heute noch unbekannter wie das Davor/Danach von den Rattles. Aber immerhin hat sie bei jeweils einem Album folgender Künstler mit ihrer prägenden Stimme geglänzt, Atlantis (Ooh, Baby), Diez & Bischof (Daybreak), Inga Rumpf (Second-Hand Mädchen), Elephant (Elephant, siehe Beitrag: Alex Conti – Deutsche Legende 1), die immer noch superaktiven Bochumer Fritz Brause (Don’t Go), Swimming The Nile (Swimming The Nile), Euro-House-Act Prince Ital Joe (Life In The Streets) und viele mehr. Bleibt Gesund und Klingende Grüsse, Der SchoTTe

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