„He’s new, he’s young, he’s very talented, his name is Jerry Cole“ – ein Spruch mit dem die Plattenfirma für ihren Vorzeige-Saitenartisten (er war zuvor zusammen mit Glen Campbell Mitglied der Champs) Werbung machte.
Der Name Jerry Cole (eigentlich Jerald Edward Kolbrak) sagt wohl nur wenigen etwas, den Musiker dahinter hat sicher jeder schon mal gehört. Ganz sicher auf „Mr. Tambourine Man“ von den Byrds als die Produzenten entschieden, die originalen Vögel seien noch nicht sicher genug für die Aufnahme des finalen Basictracks, Jerry Cole bediente damals die 12-saitige Rickenbaker. Auch für Nancy Sinatra griff er in die Saiten, für Elvis, er arbeitete mit Phil Spector und den Beach Boys (auf Pet Sounds) und… eine unendlich lange Liste bekannter Artisten. Als fester Bestandteil, sprich als einer der Gitarristen der Wrecking Crew, verbrachte Jerry Cole wohl einen Grossteil seines Lebens in den legendären Gold Star Studios in Hollywood, anders lässt sich der beinahe unüberschaubare Berg an Aufnahmen kaum erklären. Und ein Tape lief eigentlich immer mit, auch wenn mal keine Stars begleitet wurden, einfach so, vielleicht wenn die Studiocracks sich warmspielten oder Lust drauf hatten eigene Ideen umzusetzen. Crown Records veröffentlichte diese Sessions regelmässig, zeitgeistig und an die jeweiligen Jugend-Trends angepasst, allerdings oft unter imaginären Bandnamen, was wieder eine endlos lange Auflistung ergeben würde. Rock’n‘Roll, R&B, Surf, Hot Rod, Folk, manchmal gab es auch Riffs mit Jazzanleihen. Ab 1967 wurde es dann extrem psychedelisch (The Animated Egg) und experimentierfreudig aber nicht minder interessant (die Sitar lässt grüssen), bei The Stone Canyon Rock Group, T Swift & The Electric Band, The Id und artverwandten Projekten kam auch Gesang mit ins Spiel.
Neben der Studioarbeit war Jerry Cole Produzent, Sänger, Komponist, Bandleader, z.B. bei der hauseigenen Liveband der TV-Show Shindig!.
Das Hauptaugenmerk lag jedoch immer auf dem instrumentalen Rock – Jerry Cole der Gitarrenakrobat – und in diesem Bereich ist der Gitarrist einfach unschlagbar. Da wurden keine Süssigkeiten gebacken, Cole ist mindestens eine Million Meilen entfernt vom Zucker-Planeten der Shandows, vielmehr vertrat er die schmutzige Seite des Gitarrenrocks mit den Anführern The Ventures, sprich die dunkle schmutzige bluesinfizierte Seite des Instro-Imperiums, immer wieder mit wüsten fauchenden Gitarren die sich beispielsweise auf den Hot-Rod-Platten mit brüllenden Motoren duellieren. Man höre sich mal „The Creamer“ oder „Drag Shoot“ von The Hot Rodders aus dem Jahr 1963 an (alternativ auch „Soul Twist“ von 1966, Bluesrock vom Feinsten!), das ist gnadenlos progressiver Heavy-Blues wie er ein paar Jahre später in Britannien zur Blüte gelangen sollte, völlig verdreckt, selbstverständlich kombiniert mit benzinernen Aussenaufnahmen – es hätte ja sonst niemand gemerkt hätte, dass es sich hier um eine Hot-Rod- oder Dragster-Scheibe handelt. Im motorisierten Bereich stand oft ein irres Saxophon im Mittelpunkt („Cops & Robbers“, 1964, was für eine atemberaubende Sax/Gitarre-Fusion), genauso überdreht und auf dem letzten Zacken laufend wie die Gitarren. Ich nehme jetzt mal an, das hatte mit hohen Drehzahl der Getriebe zu tun, jedenfalls passen sämtliche Zutaten ausgezeichnet zusammen.
1969 gründete Jerry Cole das Label Happy Tiger Records für das er Them (ohne Van Morrison) unter Vertrag nahm und mit ihnen eine LP veröffentlichte. Jerry Cole & The Countrymen zeigten sich Anfang 70er dann vermehrt in der Öffentlichkeit, der Ausnahmegitarrist hatte wieder angefangen zu singen und versuchte vom damals boomenden Genre Country Music zu profitieren.
Jerry Cole blieb bis ins Pensionsalter aktiv, der gebürtige Chicagoer starb 2008 im Alter von 69 Jahren. Die Musik die er versteckt unter eigenem Namen, aber auch unter allerlei Pseudonymen hinterlassen hat, ist ein beeindruckender Trip durch sämtliche Spielarten der populären Musik bei denen fast immer die elektrische Gitarre im Mittelpunkt steht.
Die Nachlassaufbereiter von ACE Records und Sundazed haben vor ein paar Jahren in den Archiven gewühlt und ein faszinierendes Stück instrumentaler Rockgeschichte in überwältigender Frische aufleben lassen.
LONG LIVE ROCK!
mellow