Beat Fräuleins (Teil 7)

Aus der Abteilung Dynamit, pures Dynamit:
Isabella Bond (eigentlich Isabel, aber in Good Ol‘ Germany wurde sie zur Isabella), ein junges Fräulein aus Glasgow strandete Anfang 60er in Hamburg. Ich vermute sie war anfangs noch keine Sängerin, das wurde es erst als es irgendwie ums Überleben in der Fremde ging. Ihre Rechnung ging jedenfalls auf, denn plötzlich stand sie im berühmten Top Ten Club auf der Bühne. Begleitet wurde sie normalerweise von unterschiedlichen Bands, meist waren diejenigen die eben zur gleichen Zeit Engagements in der gleichen Location hatten. Auf ihren frühen Schallplatten war es normalerweise die Hausband Top Ten Allstars, eine typische Jamband mit laufend wechselnder Besetzung. Der Grossteil des Repertoires waren Standards aus dem Bereich Rhythm & Blues und Soul was das Zusammenspiel mit einer Begleitband natürlich enorm erleichterte.

Wer jetzt an der Musik von Isabel Bond interessiert ist, der wird ziemlich schnell merken, dass hier eine grosse Lücke in Aufarbeitung ihrer Diskografie besteht. Bei Decca erschien 1964 die Langspielplatte Everything’s Allright With Isabella Bond. Die Aufnahmen dieser heutzutage äusserst raren und gesuchten LP kenne auch ich nur vom Hörensagen, selbiges gilt für die vier Songs die sie 1966 auf Top Ten Allstars & Isabella Bond – Surfin‘ 66 – Live Recording From The Top Ten Beat Club 4 gesungen hatte, am ehesten trifft man vielleicht mal auf eine ihrer wenigen Singles.

Überhaupt was hat eine Schottin eigentlich in der Abteilung Beat Fräuleins zu suchen?
In dieser spezifischen Kiste sollte eigentlich Deutsch gesu… halt… jetzt kommt’s:
Von Isabella Bond existieren grandiose Recordings von „Downtown“ und „Bread & Butter“ die sie Deutsch eingesungen hatte! Ja, vor allem dieses „Bread & Butter“ zieht einem die Schuhe aus, die rauchige Stimme von Isabella kommt hier so richtig scharf rüber und so wie sie sich durch den Text schmuggelt oder viel mehr nuschelt, ist das ganz einfach nur begeisternd! Von Isabellas englischsprachiger Version des Newbeat-Tracks sollte man sich übrigens unbedingt einmal die historische Live-Aufnahme aus dem Beat Club von 1966 anschauen, da wird man beinahe erschlagen von der Power und Bühnenpräsenz von Fräulein Bond die bei diesem Auftritt von The Tramps aus Hamburg begleitet wurde.

Nach einem Jahr Tingeltangel quer durch Europa kehrte Isabella Bond (gemäss ihrer Aussage infolge Heimweh) nach Schottland zurück und veröffentlichte 1968 beim Label Major Minor den Longplayer The Heart & Soul Of Isabel Bond, unter anderem mit einer tollen Version von „When A Woman Loves A Man“.

Nach der Single „Let’s Find Out / Cry“ (1969) sah sie dann den Zeitpunkt gekommen sich in ein bürgerliches Leben zurückzuziehen. Sie heiratete, kriegte Kinder und lebt noch heute abseits der Öffentlichkeit in ihrem geliebten Glasgow.

 

Liane Covi.


Wie ich aus den Highlands Of Zurich und wohl auch so von Musik besessen wie ich selber, zumindest in jungen Jahren. Anstatt wie üblich in den 60ern eine Lehre zu absolvieren, setzte der Teenager Eliane Jacqueline Maria Haus (Jg. 1947) sich stattdessen in den Kopf Sängerin zu werden. Mit 13 gewann sie bereits einen Talentwettbewerb und kurz darauf ging es auf Tournee mit dem beliebten Orchester Teddy Kunz. Persönlich gefärbter Einschub des Autors: Witzigerweise spielte ich mit Kunz‘ trommelndem Sohnemann rund 20 Jahre später zusammen in einem Hardrock-Trio. Ah ja, ich weiche ab, zurück zum Beat-Fräulein aus dem Hochland: Die Hartnäckigkeit machte sich bezahlt, sie schaffte irgendwie den Sprung nach Deutschland und gewann dort weitere Talentwettbewerbe.


Unter dem Namen Liane erschien 1962 bei Vogue Schallplatten ihre erste Single „Hilly Billy Hochzeit  / Post aus Oklahoma“. Das von Karl Bette produzierte Scheibchen war ganz im damals beliebten, kitschig verklärten, realitätsfremden Wild-West-Romantik-Stil der ziemlich sicher durch unzählige Hollywood-Leinwand-Schinken und die US-Country-Stars der Fifties geprägt worden war. Es war der Startschuss ihrer Karriere (ab Single No. 3 unter dem Künstlernamen Liane Covi) die jetzt so richtig lanciert war: Unter den Fittichen diverser Produzenten und bei verschiedenen Labels erschienen bis 1972 insgesamt 17 Kurzrillen. Gemeinsam hatten diese Singles, dass sie allesamt keine grossen Erfolge wurden, einzig „Zu Jung / Spare nicht mit deiner Liebe“ (1965, Polydor) lief bei Radio Luxemburg recht gut.

Das Problem lag gemäss Liane darin, dass ihre jeweiligen Produzenten ihr meist ein bestimmtes Image aufdrücken wollten, immer irgendwie angelehnt an die bekannten Stars und wenn das mit der zweiten Single nicht hinhaute, dann verloren sie schnell das Interesse. Nun, ich vermute das hat sie richtig analysiert, aber trotz dieser frustrierenden Ausgangslage finden sich ein paar groovy Songs in ihrem Repertoire. Da ihre Singles keine grosse Verbreitung fanden, sind sie heutzutage auch relativ rar, einzig auf „Simsalabim“ (die letzte 45er von 1972) stösst man hier ab und zu in Brockenhäusern oder auf Börsen.

Mit ihren Singles auf Cornet verdient sich Liane bei mir ohne lange überlegen zu müssen die Auszeichnung eines Beat Fräuleins, ganz speziell hat es mir der zielstrebige, euphorisch ratternde Brass-Bass-Drum-Stampfer „Viel Wasser fliesst den Berg hinab“ (Brandner/Hackenbeck) von ca. ‘67/‘68 mit punktierter funky Zinc-zinc-E-Gitarre und die dazugehörige B-Seite „Eine 1 in Sachen Liebe“ (unerhört gute Vibraphon/Chaka-Chaka-Rhythmusgitarre-Kombination) angetan. Weshalb der straighte Klopfer „Bottle Of Wine“ (1968, Cornet) in den Startlöchern stecken blieb wird auf ewig ein ungelöstes Rätsel bleiben, das ist klasse Jukebox-Futter das nach Endlos-Replay verlangt.

Die letzte Phase von Lianes Laufbahn als Sängerin wurde von Schlagersänger/Produzent Jack White (alias Horst Nussbaum) betreut. Als der dann aber merkte, dass er mit Lena Valaitis ein heisseres Eisen im Feuer hatte, liess er Liane Covi fallen. Liane hatte nach diesem Kapitel die Nase voll vom Showbiz, sie heiratete und lebt heute in St. Gallen.

Ein Wort an die Künstlerin: Liebe Jacqueline Vogelsanger, wenn ich nun über 50 Jahre nach der Veröffentlichung sowas wie „Viel Wasser fliesst den Berg hinab“ genauer unter die Lupe nehme, dann komme ich zum untrüglichen Schluss, dass dieser Song ein kostbares, funkelndes, zu Unrecht vergessenes Juwel ist, es ist ein zweieinhalb Minuten langer, von Gischt und tosendem Wasser umspülter Felsen in einem reissenden Bergbach. Der Titel transportiert gleichermassen Beatfeeling, Soul und Rock (vor allem auch durch den grossartigen unbekannten Drummer), er kommt kompakt, selbstbewusst und geschlossen daher, hat Seele, ist wohltuend frisch und gehört zu den zwei Dutzend handverlesener Deutsch gesungener Sixties-Schlager die mich ganz einfach vom Hocker reissen mit ihrer übersprudelnden Energie. Hier passt alles zusammen, von A bis Z, von deiner Stimme bis zum Arrangement und der musikalischen Umsetzung durch das zuständige „Orchester“ im Studio. Deshalb ein herzliches Dankeschön, hier ist mindestens einer der dein musikalisches Vermächtnis (zumindest den Teil den ich bislang erforschen konnte) im Nachhinein zu schätzen weiss.

mellow

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4 Kommentare

  1. Klar, ein Titel von Christian Bruhn, die Nummer kann man problemlos in der „Kuriositätenecke“ parkieren. Die zweite Sweetles-Single glänzte dann mit der Textzeile: Früher oder später, bekomm‘ ich meinen Peter.“ Schwamm drüber, man kann sich nicht immer im Schatten von Goethe und Schiller bewegen…

  2. …erinnert sich noch jemand an die SWEETLES und ihre merkwürdige Nummer ICH WÜNSCH‘ MIR ZUM GEBURTSTAG EINEN BEATLE? Eine schräge Mischung aus I WANT TO HOLD YOUR HAND und UNSERE OMA FÄHRT IM HÜHNERSTALL MOTORRAD. In der ersten Beat-Begeisterung ein echter Ausrutscher! Ansonsten lesen ich die Tipps hier immer gerne und höre sie alle nach. Weiter so. Gruß – Ronald;-)

  3. Isabell & Downtown

    Definitiv besser als das Original.

    Der Gesang in den Strophen (der Refrain ist in Inklisch) ist Deutsch, klingt aber wie turkmenisch. 😉

    Frollein Isabell hatte es nicht wirklich mit der Sprache meiner Mutter. 😉

    1. Also wenn man Isabels Deutsch/Turkmenisch-Versuche mit denen anderer Angelsachsen vergleicht, dann hat sie sich dafür mindestens eine Goldmedaille verdient. Und dann eben ihr Charisma und ihre unglaubliche Stimme, sie hätte auch Arabisch oder Chinesisch singen können, es wäre dann noch toll gewesen. „Bread & Butter“ ist übrigens einiges verständlicher als „Downtown“, ich liebe die Passage „ich hab‘ ein kleines Sportcoupé, das hat Platz für zwei“. Fräulein Bonds Hamburg-Recordings finde ich durchs Band überwältigend, vor allem auch wegen ihrer Begleiter, da riecht man förmlich die Aufbruchstimmung der frühen Sechziger…

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