Eddie Cochran

Und jetzt geht die Reise mal zu einer wahren Koryphäe, zu einem der immer wieder in einem Atemzug im Zusammenhang mit der Sparte Rock’n’Roll genannt wird. Für mich ist das aber auch einer der im Alleingang die Sparte Rock (noch genauer definiert vielleicht das Subgenre Hardrock) erfunden hat, ein begnadeter Songwriter, Gitarrist und Sänger der (neben Les Paul) lange vor George Martin das Multitracking erfunden hatte:

Eddie Cochran!

Der Stern des 1938 in Albert Lea, Minnesota als Ray Edward Cochrane geborenen Musikers ging Mitte der 1950er in Los Angeles auf. Er war zuvor in der Rockabilly-Szene aktiv gewesen, traf dann auf den Komponisten und Produzenten Jerry Capehart und landete schlussendlich in den legendären Goldstar Studios die fortan sowas wie sein zweites Zuhause wurden, seine kuschlige Höhle in der er tage- und nächtelang an seinen Songs schraubte. Dabei sind hunderte Stunden Musik entstanden, in den Archiven gefunden und veröffentlicht wurde bis heute wohl nur ein Teil des Cochran-Vermächtnisses .

Vermarktet wurde der neue Star in erster Linie über Gastspiele in Filmen, bei Konzerten, in den USA überaus beliebten Radioshows und vor allem über das damals extrem erfolgreiche Medium der 45er-Single. Die einzige zu Lebzeiten erschienene LP Eddie Cochran With The Johnny Mann Orchestra And Chorus – Singin‘ To My Baby von 1957 deckte noch nicht das ganze Potential des Rock’n’Roll-Jungstars auf, da befand er sich noch in einer Art Findungsphase.

Nicht die unzähligen, damals durchaus zeitgemässen Balladen, sondern die harten Kracher, respektive seine Rock-Klassiker wie Summertime Blues, Somethin‘ Else (geschrieben mit seiner Freundin Sharon Sheeley, siehe Bild oben, im Plattenladen neben Eddie), C’mon Everybody oder seine Definition von Bluesrock wie beim knackigen, völlig zeitlosen My Way und diverse andere Tracks (z.B. auch seine Coverversionen von Ray-Charles-Nummern) katapultierten Eddie Cochran schlussendlich in den Rock-Olymp.  Das nach 1960 noch frische und überall präsenten Cochran-Erbe beeinflusste auch die britischen Beat- und R&B-Bands wie Beatles, Stones, Yardbirds. Eddie Cochran wurde auch verehrt von wilden Rockbands  wie The Who oder Blue Cheer welche die Einzigartigkeit und Härte der Riffs erkannten und für eigene Zwecke zu nutzen wussten. Cochran’s Einfluss reicht eigentlich noch weiter, zu einem schrägen Blueser wie Kevin Coyne, zur Siegel Schwall Band, aber auch bis hin in den Bereich Punk, genauer zu den Sex Pistols und schlussendlich kann man auch direkte Linien zum Genre Powerpop erkennen.

Bemerkenswert bei vielen von Eddie Cochran’s  Rocksongs ist, dass sie vom bewährten 12-Takt-Bluesschema (das ja auch im Rock’n’Roll verwendet wurde) abwichen. Er spielte ein Rockriffing auf der Gitarre das sich (z.B. beim Summertime Blues) oft klar unterschied von den Aufbauten eines Chuck Berry. Diese neu modulierten Rocksongs setzten sich ähnlich wie bei Buddy Holly vielmehr aus diversen Ursprüngen zusammen, hatten ihre Wurzeln in der liedbetonten Unterhaltungsmusik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Tin Pan Alley), in der Countrymusic, Folkmusic, Doo Wop, natürlich auch im schwarzen Blues und selbstverständlich wurde auch das Fahrwasser des obersten King des Rock’n’Roll – Elvis Presley – gekreuzt. Aus diesen Einflüssen setzte Cochran seine Songs zusammen, er suchte auf seiner halbakustischen E-Gitarre Marke Gretsch nach neuen Wegen abseits althergebrachter Spielweisen, er begann die Seiten zu dämpfen und schrubbte sozusagen über das Griffbrett, suchte nach zu ihm passender Technik. Natürlich immer auf den Punkt gespielt, gnadenlos, bretterhart, da kam ihm auch zugute, dass er sich gerne hinter’s Schlagzeug setzte, er hatte ein durch und durch natürliches Verständnis für „Groove“. Und was Eddie Cochran stimmbandtechnisch drauf hatte, also Hut ab, das würde man niemals von einem Jüngling um die 20 herum erwarten. Wenn man bedenkt in welch kurzer Zeitspanne (April ‘56 bis Januar ‘60) Eddie Cochran seine Form, respektive Auslegung des damals noch taufrischen „Rock’n’Rolls“ aus dem Boden stampfte, dann ist das schon erstaunlich. Im Nachhinein und aufgrund des jugendlichen Alters muss man ihm eigentlich die Auszeichnung „Wunderkind“ zugestehen.

  

Am 17. April 1960, gleich nach abgeschlossener England-Tournee kam Eddie Cochran (auf der Rückreise in die USA) auf dem Weg nach London bei einem Verkehrsunfall  in Chippenham, Wiltshire, UK ums Leben, seine Freundin Sharon Sheeley, Kumpel Gene Vincent, der Fahrer des Unfallwagens und sein Manger überlebten den Crash. Und damit diese Fussnote nicht vergessen geht: Das Unfallprotokoll hat gemäss kursierender Legende ein junger Polizist namens Dave Dee aufgenommen, er sollte ein paar Jahre später mit Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick & Titch im Rampenlicht stehen.

Mit seinen begeisternden Konzerten, TV-Auftritten, Radiosendungen und Kollaborationen mit britischen Musikern (z.B. Joe Brown) hatte Eddie Cochran in England gerade erst Superstar-Status erreicht, die ganze Gilde späterer britischer Gitarren-Ikonen von Beck, Clapton, Townshend bis Page pilgerte zu seinen Auftritten. Sein tragisches Ableben auf dem Gipfel des Erfolges wurde gleichzeitig auch Beginn der Mystifizierung und Legendenbildung von Eddie Cochran.

  

Tonträger von Eddie Cochran gibt es unzählige, ein Teil seiner Singleveröffentlichungen wurde kurz nach seinem Tod auf „offiziellen“ LP’s zusammengefasst, die Alben Singin‘ To My Baby, The Eddie Cochran Memorial Album, Cherrished Memories und My Way müssten eigentlich zum Grundstock eines Rockmusikarchivs gehören. Erstaunlicherweise kann man sich eigentlich fast alle während der letzten bald 60 Jahre erschienenen Cochran-Compilations (sowohl auf LP, Cassette, CD) problemlos zu Gemüte führen was wohl an der ausserordentlichen Qualität der Goldstar-Bänder liegt. Fortgeschrittene Cochran-Fans greifen natürlich auch zu Produkten der britischen Nachlassverwalter von Rockstar Records die sich seit Jahrzehnten durch die Archive wühlen und immer wieder unglaublich dynamische Aufnahmen und Alternativversionen zu Tage fördern. Ich beispielsweise schwöre auf seine rohen Studio-Sessions die man auf diversen Zusammenstellungen finden kann, manchmal unvollendet, manchmal mit Gastsängern, meist unbehauen, live, schmutzig, 100% Cochran!

LONG LIVE ROCK AND ROLL!
mellow

 

Lesetipp:
Three Steps To Heaven by Bobby Cochran.
Bobby Cochran war schon als kleiner Junge tief beeindruckt von der Musik seines Onkels, er wurde ebenfalls Gitarrist und spielte in den Siebzigern bei einer Band namens Steppenwolf.

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Ein Kommentar

  1. Zu Eddie Cochran und Rockstar Records : die Rockstar LP „Rock’n Roll Heroes “ beinhaltet Auf-
    nahmen der BBC von Eddie Cochran und Gene Vincent in der legendären Saturday-Club Show mit Interviews geführt durch Brian Matthew , im Februar 1960 . Der Saturday-Club wurde damals vom brit. Radio-Sender BFN ( BFBS ) in NRW ausgestrahlt und der Eine oder Andere wird sich evtl. noch an die Stimme von Brian Matthew erinnern , der ebenfalls auf dieser LP zu hören ist .
    AloysF ,Essen.

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