Erika Stucky – Prototyp einer Künstlerin
Ziemlich erstaunlich wie sich einige Musiker/innen an der Peripherie des Musikbusiness über Wasser halten können. Bei Freejazz, Avantgarde, Industrial oder Noise ist es ziemlich offensichtlich, nur die wirklichen Topshots kommen wohl über die Runden, der Rest spielt für Kleingeld (und dazu gehören leider auch Legenden in den jeweiligen Genres). Wo Erika Stucky da steckt, das weiss ich natürlich nicht, aber es kann nicht zu grossen Reichtümern geführt haben, wohl eher ein ewiger Kampf abseits der ausgetretenen Pfade.
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Ihr Grossvater wanderte 1907 nach den USA aus und in Kalifornien wurde sie 1962 geboren. Die Familie kam dann 1971 aus den Staaten zurück in die Schweiz, genauer, wieder ins Oberwallis. Nur um nach einer umfassenden Ausbildung (Pantomime und Jazzgesang etc.) und diversen Auslandsaufenthalten (z.B. Südamerika) wo sie in Walliser Werktagstracht Folk und Pop aus der anglo-amerikanischen Ecke vortrug – notabene auf der Strasse) wieder für einige Zeit in den USA zu landen. Ich kanns mir so in etwa vorstellen. Sie kommt mir einfach so wie ein echter Freigeist rüber und von denen gibt’s ja nicht wirklich viele,
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Ihre Karriere verläuft seit ihrer Rückkehr in die Schweiz wohl etwas europazentriert, aber das ist natürlich kein Nachteil, mit ihrem Bekanntheitsgrad dürfte Frau Stucky genügend Möglichkeiten für Bühnenauftritte haben und das entweder in einem Musik- oder einem Theatersetting. Die Mitspieler sind ein veritabler Filmabspann an bekannten und bekanntesten Namen im Bereich der Musikbranche. Auch wenn Erika Stucky Jazzgesang studiert und ihre Ausbildung als Theaterschauspielerin ebenfalls durchgezogen hat (beides übrigens in Paris), habe ich sie nie wirklich als Jazzsängerin wahrgenommen. Das ist absolut nicht geringschätzig gemeint, sondern im Gegenteil eine Verbeugung vor ihrem Können, welches sehr breit gefächert ist. Jazz greift viel zu kurz.
Aber ein Ansatz, ist neben vielen anderen Facetten, ihre Interpretation populärer Songs aus der Pop- und Rockszene. Allerdings war mir bis jetzt unbekannt, dass sie u.a. 2006 die Rolle der Ginger in Carla Bleys Jazzoper „Escalator Over The Hill“ auf der Bühne sang. Wobei ich mich hier wohl etwas mit anderen Meinungen anlegen würde, ist doch „Escalator Over The Hill“ in meinen Gehörgängen definitiv keine Jazzoper, sondern „nur“ eine sehr sehr gute und legendäre Komposition von Carla Bley (aber darauf komme ich noch zu sprechen in einem der nächsten Beiträge). Aber schon das zeigt die Stellung von Erika Stucky. Manchmal geht ihre Musik schon in die Richtung Avant-Garde und Improvisation (wobei ich ziemlich sicher bin, da ist wenig bis gar nichts wirklich improvisiert).
Meine ersten CDs von Erika Stucky im Regal waren die „Bubbles & Bones“ sowie die „Suicidal Yodeling“ CDs und tatsächlich ist praktisch auf jedem Tonträger eine gesunde Mischung aus Coverversionen und Songs aus eigener Werkstatt zu hören. Aber das ist ja der Rockzirkus Blog und nur noch eine kurze Zwischenbemerkung, ich habe im Zuge der Recherchen meine zehn CDs wieder mehrfach durchgehört und keine Möglichkeit gesehen auf einen Klatsch wirklich aufs ganze Werk der Frau Stucky einzugehen. Als Empfehlung würde ich mal auf YT vorschlagen sich ein Elvis Presley Cover anzusehen/-hören. Dieses Video (unter Erika Stucky / Jailhouse Rock auf dem Kanal Jean-Yves Pouyat) zeigt die Art und Weise wie Frau Stucky tickt, wohl am Besten.
Eine Auswahl an CDs
Sophisticrats (CDs)
1) Four Singers And Bass – Fun Key – 1990
2) We Love You! – Fun Key – 1992
Erika Stucky
1) Bubbles & Bones – Traumton Records – Traumton 4454, 06492 – 2001
2) Love Bites – Traumton Records – Traumton 4470, A386033 – 2003
3) Jimi – Double Moon Records – DMCHR 71048, 69381 – 2005
4) Princess (Star / Diva / Mother) – Traumton Records – Traumton 4481 – 2005
5) Wunderland – Ethnomics – 2005
6) Suicidal Yodels – Traumton Records – Traumton 4509, 904672, A795503 – 2007
7) Heimatklänge – Echoes of Home – Traumton Records 905572 – 2007
8) Black Widow – Traumton Records 4590, AD19044 – 2013
9) Call Me Helium – Double Moon Records – DMCHR 71155 – 2015
10) Papito – Traumton Records – 2017
11) Stucky Live 1985-2010 – Traumton Records, Indigo – Traumton 4548, 951202, AA22547 – 2012
Beschränken wir uns auf ihre Jimi Hendrix Interpretationen, davon gibt es zwei CDs (auf anderen Tonträgern bekommt man hie und da auch ein Jimi Hendrix Cover zu hören, aber das ist das Grosse und Ganze) und zwar „Jimi“ und „Call Me Helium“.
„Jimi“ kommt in der Besetzung
Christy Doran: Electric And Acoustic Guitar
Kim Clarke: Electric Bass And Vocals
Fredy Studer: Drums And Percussion
Erika Stucky: Voice And Toy-Instruments
„Call Me Helium“ im fast gleichen Line-Up
Christy Doran: Electric And Acoustic Guitar
Jamaaladeen Tacuma: Electric Bass And Backing Vocals
Fredy Studer: Drums And Percussion
Erika Stucky: Voice And Toy-Instruments
Ueberschneidungen gibt es zwischen den beiden Tonträgern keine und trotz der kleinen Aenderung in der Besetzung, die CDs sind massiv unterschiedlich. Christy Doran und Fredy Studer kennt man wohl am ehesten als Mitglieder der Formation OM (Christy Doran veröffentlicht heute noch Tonträger und Fredy Studer hat bis kurz vor seinem Tod ebenfalls noch Alben eingespielt), die damals, zumindest live, wohl eher zu den lauteren Jazzformationen gehört haben. Das geht auf LP/CD wohl etwas verloren. So ist es nicht verwunderlich, dass die Interpretationen auf „Jimi“ eine ganz schöne Schippe Jazz mit sich bringen, während „Call Me Helium“ für den Rockhörer etwas zugänglicher sein dürfte. Erika Stucky, obwohl sie hier „nur“ Teil einer Formation ist, ist natürlich äusserst präsent und drückt dem einen Stempel auf, dem man nicht entkommt.
Auf ihrer Homepage steht etwas von 2025 LONDON WHITECHAPEL STIPEND – FEB THRU AUG – was wohl bedeutet, dass man Frau Stucky erst wieder ab September 2025 irgendwo live erleben kann. Noch eine Empfehlung und wieder YT: Sucht nach Erika Stucky In Interview — Swiss Music Prize 2014 und ihr bekommt eine Ahnung was für ein Typ Künstlerin diese Frau ist. Für mich total sympathisch und auf dem Boden geblieben und sogar der durchgehende Wechsel von Deutsch – Englisch – Französisch, den ich, egal in welchen Sprachen sonst, nicht ausstehen kann, kommt hier ganz natürlich rüber.
Wenn ihr die beiden Jimi Hendrix CDs durch habt, dann vielleicht mal nach der „Stucky Live“ Ausschau halten. Mit einem Led Zeppelin, einem Rolling Stones und einem Britney Spears Cover und so weiter. Es gibt viel zu entdecken z.B. auf https://erikastucky.ch/