Manche Instrumente landen zum Vornherein in der Trashkiste (zumindest bei Freunden populärer Musik): Zither, Mundharmonika oder klassische Saiteninstrumente wie etwa die Bouzouki. Okay, der „Mundhobel“ ist eigentlich relativ recht geläufig, etwa im Bereich Blues und war in den Sixties auch sowas wie ein Erkennungsmerkmal des Filmgenres des Spaghetti-Westerns. Von Anfang an (ab 1850) galt die Mundharmonika als einfaches und leicht zu transportierendes Instrument mit dem sich eigentlich überall und spontan Melodien spielen liessen, ganz im Gegensatz zu den schweren und sperrigen Ziehharmonikas.
Originale Tondokumente solcher exotischen Instrumente findet man oft in den Wühlkisten von Brockis und Second-Hand-Läden, Seite an Seite mit Heino, Marschmusik, Schlager, Country, Jazz, Michael Jackson und klassischer Musik. Es lohnt sich trotzdem genau hinzuschauen, weil oft verstecken sich da wahre Perlen unter dem ausrangierten Schrott der Musikgeschichte.
Ja, manchmal ist es schon erstaunlich wie nah, respektive wie weit die beiden berüchtigten K’s auseinanderliegen. K? Das eine K steht für Kunst, das andere für Kitsch oder Katastrophe.
Wenn beispielsweise Giganten wie der Jazzer Toots Thielemans oder der anerkannte Soulman Stevie Wonder zur Mundharmonika griffen, dann war das die hohe Schule, eine einzige Demonstration ihres Könnens (aha, ein weiteres K), tut das jemand aus volksmusikalisch angehauchten Kreisen, dann legt man das augenzwinkernd in der Schublade Kitsch & Katastrophen ab.
Obwohl…
Das Hotcha Trio stammte aus den Niederlanden, eine Gruppierung die zwischen 1935 und 1970 aktiv war. Anfangs nannten sie sich The 5 Hotchas, am Ende waren noch drei holländische Mundharmonikaspieler übrig. Ein Fang den ich aufgrund des LP-Covers machte, „vervielfältigtes Mädchen“ mit „extrabreitem Blasegerät“, eventuell eine Compilation (klingt allerdings wie aus einem Guss), undatiert, vermutlich Anfang 1970er. Und die Chose klingt denn auch wirklich sehr „breit“, vor allem auch wegen der rudimentären Band-Begleitung, swingende Drums und dem damals überall erklingenden elektrischen Knackbass. Den Rest erledigten die Hotchas im Alleingang, bemerkenswert vor allem die Passagen bei denen die Bass-Harmonikas für den passenden Groove sorgen. Wie erwähnt eine K–K-Gratwanderung die am besten abseits von süsslich angehauchten Volksmusikmelodien funktioniert, also bei einem Traditional wie „Battle Of Jericho“ kommt die Chose nicht schlecht aus den Boxen und „Wiener Blut“ rockt regelrecht. Aber eben, die K-Sache steht immer noch unheilschwanger im Raum. Ein in der New Yorker Jazzszene etablierter Toots (Belgier notabene) wird eben ganz anders bewertet als eine Combo die durch Nord- und Mitteleuropa tingelte, auch wenn sie dies mit grossem Erfolg tat.
Szenewechsel, von Amsterdam nach Wien zum Zither-Spieler Karl Swoboda und der LP Mr. Swobodas Magic Zither. Da werde ich schwach wenn ich „magic“ lese, es besagt, dass dem entsprechenden Instrument spezielle Klänge entlockt werden, im deutschsprachigen Raum war in den Fifties und frühen Sixties beispielsweise für Gitarren auch die Bezeichnung Trickgitarre geläufig. Das war vor der Erfindung der elektrischen/elektronischen Effektgeräte, die entsprechenden Musiker waren Tüftler und experimentierten mit Klängen und Sounds die im Nachhinein noch immer innovativ klingen. Einer der Szene-Väter war wohl der Amerikaner Les Paul der vor allem mit seinen von ihm entwickelten E-Gitarren Furore machte aber auch gerne dazugehörige Sounds entwickelte. Den von Mr. Swoboda aufgenommenen Klängen hört man nicht an, dass sie auf einer Zither gespielt wurden, vielmehr klingt die durch Verstärker gejagte Zither im Endeffekt wie eine E-Gitarre. Klasse gemacht und mit dem jazzy aufspielenden Orchester Robert Opratko mit teilweise wunderbar rauchig klingenden Saxofonen bekommen die Sounds einen äusserst mondänen und zeitlosen Charakter. Anspieltipps: „Alley Cat“, „If I Had A Hammer“, „Take Five“ und „A Hard Days Night“ von den legendären Pilzfrisur-Trägern aus Liverpool. Entstehungsdatum der Aufnahmen war 1965, in den USA wurde die LP im selben Jahr unter dem Titel Pop Goes The Zither veröffentlicht, in Europa erst 1968, als Mr. Swobodas Magic Zither auf dem Fontana-Sublabel fontana spezial. Offenbar hatte Karl Swoboda in Übersee für einiges Aufsehen gesorgt mit seiner E-Zither, im beschaulichen Wien wurde es dann wieder ruhiger, 1968 hatte er ein Engagement im Alten Hofkeller, das Weinlokal in welchem das „Harry Line Theme“ für den Film Der dritte Mann entdeckt wurde.
Takis Elenis (siehe auch Beitragsbild) gehörte nicht zu den Künstlern die 1967 nach dem Militärputsch Griechenland verliessen, der auf Rhodos geborene Musiker emigrierte bereits 1961 im Alter von 13 Jahren in die USA. Ein musikalisches Naturtalent offenbar, schaffte er sich seine erste Bouzouki (Langhalslaute) doch erst 1967 an. Das in New York entstandenes Album Dance The Greek Way (undatiert, anhand der Bestellnummer MFS 722 welche die Plattenfirma Monitor vergeben hatte ist die LP vermutlich um 1970/71 herum entstanden) ist ziemlich aussergewöhnlich, das war mir gleich bei der ersten Anhörung klar. Nur schon die Tatsache, dass Takis von einer Band mit Drums, Bass, E-Gitarre, Querflöte und manchmal Orgel begleitet wurde hebt sie aus der Masse griechischer Folklore heraus. Und wenn auch mediterrane und orientalisch angehauchte Melodiebögen auftauchen, Zucker und Honig findet man nicht, stattdessen ausreichend schmackhafte griechische Küche die mit Olivenöl und Essig hantiert. Herrlich wie sich Takis mit seiner Bouzouki unbeschwert in die Saiten-Schlacht warf und sich an keine Konventionen hielt. Die Spielfreude mündete in die 10minütigen Improvisation „Bouzoukee Medley“ in welcher er populäre griechische Melodien spielte von denen ich allerdings keine einzige kenne, vielmehr ist der Longtrack eine Demonstration seiner Fingerfertigkeit. „Roditikos“ offenbar ein klassischer Tanz aus Rhodos, bei Takis und seiner Begleitcombo wird daraus ein wildes Stück Folkrock, gar nicht mal so weit weg von den traditionellen Jig-Bearbeitungen der Briten Fairport Convention. Und da schliesst sich irgendwie der Kreis, Takis Elenis hatte weltverbindende Musik auf diese Scheibe gepackt und egal aus welchem Winkel der Erde sie auch stammen mochte, die Klänge verzaubern geneigte Zuhörer in Ost und West, genauso wie im Norden und im Süden. Dance The Greek Way blieb gemäss Discogs das einzige Solo-Album, der Saiten-Derwisch schloss sich danach dem immens erfolgreichen Trio Belcanto an, eine griechische Formation die sich 1966 in den Staaten niedergelassen hatte.
Zum Cover-Motiv der Takis-LP:
Photographed at the ADONIS Restaurant in New York,
„Monday Nights Greek Dancing Class“
Alle drei hier vorgestellten Vinyl-Fundstücke übrigens in hervorragendem Zustand, sprich ohne Gebrauchsspuren, einzig bei der Plattenhülle von Dance The Greek Way ist die Druckfarbe leicht abgerieben.
LOVE LOUNGETRASH!
mellow