Keine Atempause, musikalische Geschichte wird gemacht, es geht voran
Die Rheinländer Wolf Maahn und Harald Großkopf kennen der ein oder andere Interessierte an deutscher Rock-Musik, deren langen Weggefährten Axel Manrico Heilhecker vermutlich kaum einer. Schade, denn Axel ist wie Alex Conti ein Reisender mit Gitarrenkoffer, immer bereit mit seiner fingerfertigen Kunst an allen Saiten-Instrumenten namens Gitarre, virtuos und unaufgeregt zu unterstützen. Ich habe Axel früh erlebt, zusammen mit Wolf Maahn & Die Deserteure in einer Jugend-Freizeitstätte FZW im Kreuzviertel Dortmund. Jane Palmer, Renate Otta und Werner Kopal waren so weit ich mich erinnere auch dabei. Ich erlebte ein unglaubliches Konzert mit einem im Hintergrund agierenden introvertierten Gitarristen mit atemberaubenden Handwerkskunst. Immer wieder konnte ich ihn bis heute bei seinen verschiedenen Projekten mit Präzision, Spielgefühl, Wandlungsfähigkeit erleben (Herzberg Festival 2007 mit Sunya Beat). Er gehört für mich neben den bereits vorher genannten mit zu den deutschen Legenden. Ich stelle hier einige seiner Projekte vor. Nachfolgend sein musikalischer Lebensweg.
Erste eigene Aufnahmen wurden Ende der 60iger vom Big-Band-Leiter Harald Banter veröffentlicht. 1972 nahm Axel durch Vermittlung von Jazz-Papst Joachim-Ernst Berendt (Die Welt ist Klang: dazu ist ein Beitrag in Arbeit) Lehrstunden beim Jazz-Trompeter und Ethno-Musiker Don Cherry. In der Zeit wurde er laut eigenen Angaben auch von der Kraut-Rocker-Szene, hier besonders Can und Kraan beeinflusst. Wenn ich mir eine deutsche Super-Group zusammenstellen dürfte wären Harald Großkopf, Hellmut Hattler, Wolf Maahn und Axel Manrico dabei.
1975 bis 1981 – Die Kölner Food Band wurde 1975 von Axel Heilhecker mit seinem Schulfreund Wolf Maahn (Neue Heimat), dessen Bruder Hans Maahn alias Hans Bäär (Fehlfarben, Hoelderlin, Kowalski, The Fred Banana Combo), Dick W. Frangenberg (Triumvirat) und Ralf Engelbrecht (Zeltinger Band) gegründet. Von 1976 bis 1981 waren zeitweise noch Helmut Zerlett (Harald Schmidt Show-Band), Matthias Keul (Dunkelziffer, BAP), Werner Kopal (BAP, Triumvirat, Soulcats), Jan Dix (BAP), Dick W. Frangenberg (Triumvirat), Paco Saval (Band Of Gold) und einige andere mit an Bord. Es entstanden bei Sessions in London das selbstbetitelte »Debüt« (Electric Records UK, auch Last Year’s Album) und »Rhythm’N’Juice« (Brain). Komponiert wurden die Lieder meist von den Buddies Wolf und Axel, die englischen Texte stammen von Wolf Maahn. Sie spielten einige Konzerte in England, wurden sogar von der BBC eingeladen und traten auch am 26. Juni 1980 (WDR Studio-A Köln) beim Rockpalast auf. Man kann aus der heutiger Sicht sagen, es war ein echtes Colonia-Allstar-Kollektiv und Schmelztiegel für Karrieren. In dieser Zeit arbeitete Axel auch mit Helmut Zerlett und Jaki Liebezeit (Can) mit an »Fata Morgana« (1980) von Richard Schneider Jr., ein kaum bekanntes, aber ein frühes Meisterwerk im Spannungsfeld zwischen Elektro und Rock. Ähnlich wie das einzige Album »Wunderbar« (1979) von Wolfgang Riechmann, beide Vinyl’s lege ich bis heute gerne auf meinen Thorens. Auch bei der The Palmer Band war er mit dabei, Jane Palmer’s Album »What’s In Front Of You« (1980, Prisma) blieb aber deren einziges Werk.
1982 bis 1993 – Axel spielte dann bei Wolf Maahn & Die Deserteure. Die Deserteure waren der kreative Kern der gut eingespielten Food Band. In kurzem Abstand entstanden in diesem kraftvollen Kollektiv die Alben »Deserteure« (1982), »Bisse Und Küsse« (1983), »Irgendwo In Deutschland« (1984), »Kleine Helden« (1986) und das Live-Album »Rosen Im Asphalt« (1986). Diese Phase von Food-Maahn gehört aus der heutigen Sicht sicher zum deutschsprachigen Kulturgut. Ich hatte mir damals die Triple-Vinyl-Box gekauft, die LP’s liefen nach den frühen Lindenberg-Scheiben bei mir in Dauerschleife. Exzellent instrumentierte Rock-Musik mit enormer Bandbreite sowie kritischen bis emotionalen Texten und außergewöhnlichen Melodien. Danach war Axel bis 1993 Gitarrist und Songwriter auf allen weiteren Alben und tragendes Mitglied der Wolf Maahn Band. Darüber hinaus war er in dieser Phase auch gerne gesehen als Session-Musiker bei Produktionen anderer Kollegen wie beispielsweise Rainhard Fendrich, Klaus Lage, Marius Müller-Westernhagen, Herbert Grönemeyer, Anne Haigis und einigen anderen Pop-Sternschnuppen. Bis hierhin schon einmal eine bemerkenswerte musikalische Lebensleistung und zwei phänomenale Karriere-Stationen, zwei Volltreffer, aber Atempause, nein !!
1991 bis 1994 – Parallel zu seiner Arbeit im Bandgefüge, verstärkt er seine Solo-Aktivitäten. Bei EMI, wo sonst, erscheinen »Strange Sex« (1991), die Maxi »Waitin’« (1992) und das Projekt-Album »Culture Cross« (1993), leider wie immer trotz sehr guter Qualität, wenig beachtet. Natürlich sind auch wieder Freunde von Axel als Helfer mit dabei (Jane Palmer, Kagermann, Volker Vaessen, Tobias Stachelhaus), neu ist das er auch selbst produziert. Damit nutzt er nun auch seine enorme Erfahrung auch in diesem Bereich. Und in dieser neuen Funktion gleich mit einem der ersten Surround-Album, »Eyem« (1994, in-akustik) von Ethno-Visionär Thomas Kagermann (Beitrag geplant), auf dem spielt er auch alle Saiten-Instrumente. Ein großer Wurf. Bei dieser Produktion hat Axel Manrico auch Kontakt mit dem aus Gambia stammenden Samson Gassama (Djembe, Bougarabou) mit dem er später das Duo-Album »Wandyah« (1999, Think Progressive) einspielte. Nicht sein einziges Gastspiel Bereich Grenzgänger.
1995 bis 2003 – Bei der Harald Schmidt Show (bis 2003 bei SAT1) war Axel Heilhecker als Gitarrist der TV-Show-Band von Helmut Zerlett (Keyboards, Bandleader) wieder mit alten Weggefährten, Rosko Gee – Bass, Antoine Fillon – Schlagzeug, Jürgen Dahmen – Keyboards, Thomas Heberer – Trompete, Mel Collins – Saxophon, am Musizieren. Auch bei der Fortsetzung als Harald Schmidt bei der ARD ab 2004. Es gab hier Live-Aufzeichnungen unter anderem mit Jim Capaldi, Eric Burdon, Meat Loaf, James Belushi. Konzerte wurden sowohl in Deutschland als auch in den USA veranstaltet. Ende der 90iger starteten auch einige Kooperationen mit dem Projektions- und Licht-Künstler Professor Mischa Kuball (Hochschule Köln und Karlsruhe, AWK NRW).
Phonoroid – Die Zeit war auch in Germanien in der Breite reifer für neue Ausdruckformen, ohne Rückschicht auf Genres, Kulturkreis, Wurzeln, Instrumentierung. Neben der Late-Night-TV Zerlett Band hatte Axel Heilhecker jetzt auch noch mehr Zeit für verschiedene Projekte und dort konnte er sich dann in alle Richtungen kreativ austoben. Eine davon war das avantgardistische Country-Folk-Duo Phonoroid, da war der Name Programm. Geklickt hat es ebenfalls 1995, zusammen mit der indigenen Kalifornierin, Sängerin und Visual-Künstlerin Vanessa Vassar, die auch beim späteren Projekt Fishmoon mitwirkte. Auch Harald Großkopf taucht hier schon mit auf. »Two Many Frames« (entstand 1997 in nur 3 Wochen), »Not On The Map« (1999), »Craving Astonishment« (2004, Anhör-Tipp: »Panic«, Intuition Music, UK) wurden von Axel produziert. Verschiedene Titel wurden von einigen namhaften Musik-Magazinen auf Heft-CDs veröffentlicht, die Videos liefen bei ARTE, 3SAT, NBC aber auch VH1, MTV, Onyx und 2000 tourte sie als Trio sogar in Mexiko. Der Album-Titel »Two Many Frames« und der Name der Gruppe Phonoroid beschreibt schon gut die kineastische Ausrichtung der Alben, Vanessa Vassar mit klaren, variantenreichen Vokalteilen und dazu passende, einfühlsam-bluesige, atmosphärische und sphärische Klänge von Axel. Dafür braucht man Virtuosität, die hat dieser unglaubliche Gitarren-Künstler mehr als genügend. Und dieses kongeniale Zusammenwirken ist auch der Nährboden auch für die weiteren Projekte von dem Saiten-Virtuosen aus dem Bergischen Land. Phonoroid einer bestimmten Musikkategorie zuzuordnen fällt manchem schwer, mir überhaupt nicht. Zeitlos schöne Musik und musikalische Schnappschüsse die einen berühren und sicher kein Etikett brauchen, einfach nur zuhören reicht. Vanessa hat aktuell ab 2019 ihre Arbeit als Phonoroid wieder aktiviert.
Sunya Beat – Bereits 1996 gründete Axel Manrico mit Rhythmus-Titan Harald Großkopf und ab 1998 mit Elektro-Klangtüftler Steve Baltes das Trio-Projekt Sunya Beat, und es war eine lange Zeit meine favorisierte Musik. Ich bin durch Zufall auf die ersten beiden Alben, das »selbstbetitelte Debüt« (1998) und »Delhi Slide« (1999), einer mir damals noch unbekannten Formation gestoßen und es hat mich förmlich aus den Schuhen gehauen. Im Booklet geschaut und gestaunt, Axel Deserteur und Harald Big Foot, der Hammer. Die Musikwelt sprach damals oft ständig von den britischen Klang-Visionären, aber auf meinem Spieler liefen die unglaublichen Klangwerker Sunya Beat. Passend dazu auch das Label Think Progressive von Karl-Heinz Becker, dem frühen Chef-Maschinist (1991 bis 2002) des Burg Herzberg Festival. Es folgten im zweiten Block noch 2005 »The Jelenia Gora Sessions« (Live 09-2004 Ricochet Gathering Electronic Music Festival, Jelenia Gora, Polen) und »Comin‘ Soon« (2006, Live Herzberg, Jelenia Gora, Eindhoven). Das Elektro-Rock-Trio debütierte am Herzberg 1999 sowie gleich 2001 noch einmal auf der Hauptbühne. Sie spielten auch 2007 auf der Herzberg-Freak-Bühne sensationell auf. Ich habe selbst dort erlebt was drei Musiker Live für Klangteppiche schaffen können.
N-Tribe und 4×3 – Ein weiteres Projekt von Steve Baltes & Harald Großkopf ist seit Mitte der 1990er das moderne Elektro-Duo N-Tribe. Für einen Kunst-Event von Mischa Kuball in Bönen (zwischen Unna und Hamm) und Kamp-Lintfort (nähe Moers) komponierte, produzierte und spielte das Duo mit Axel Heilhecker zusammen dann »Yellow Marker« (10-2000), passende Klang-Landschaften, sprich zwei 20-minütige Titel namens Landmarke I und II (Landmarke 3 gibt es dann 2006 auf »Comin‘ Soon«) ein. Leider ist diese Musik schwer zu bekommen, da es eine Auftragsarbeit war. Ich habe meine CD direkt von Harald Großkopf bekommen. In dieser eingespielten Trio-Besetzung und ähnlicher musikalischer Ausrichtung erscheint 2001 noch »Four Times Three: 4×3« beim Berliner Manikin Label von Mario Schönwälder.
Fishmoon – Seit 2000 veröffentlicht Axel Heilhecker auch unter dem Pseudonym Fishmoon Instrumental-Musik der besonderen Art. Es entstehen »Fishmoon« (2001) und »Two Moon Music« (2007) mit Unterstützung von vielen un/bekannten Künstlern. Natürlich sind seine Kumpels Harald und Steve auch dabei. Auch auf der sehr schönen Kompilation »Special Tofu Edition« (2009), eine Zustellung von Titeln der AMH-Projekte, finden sich einige Titel aber auch Material der anderen Projekte. Sehr empfehlenswert für denjenigen der in die facettenreiche Welt des Axel Heilhecker eintauchen möchte, ohne alle Werke komplett zu erwerben.
Phonokultur Records – Auf Axel’s eigenen Label erschienen zuletzt »Blues Turn Red« (Phonokultur Records 2015), »Lifeloops« (Phonokultur Records 2018), »Book Of Shelter« (Phonokultur Records 2019), Jane Palmer – »Slave Of Time« (Phonokultur Records 2019). Ich las kürzlich zu Are You Psyched? (2020) von Großkopf & Heilhecker den Kommentar: Sunya Beat Light. Na ja, da spiele ich nicht mit, denn jeder von beiden kann allein im Solo-Modus ein Kracher-Album produzieren, zusammen sind sie eh mit ihrer musikalischen Erfahrung unschlagbar. Und wer sich davon überzeugen möchte kann das tun. 2022 entert Axel Manrico Heilhecker beim Burg Herzberg Festival zusammen mit UFO Walter und Manni von Bohr, unter anderem die Rhythmusgruppe von Randy Hansen, als Power-Trio die Bühnen-Bretter. Wer ein Ticket dafür hat, dann wackelt der Berg, glaubt mir !!
Aktuell – Aber was macht der Projektleiter Axel aktuell. Genau, Blues-Rock ist wieder verstärkt angesagt. Nicht ohne Grund ist Norbert Egger mit seinen Blues-Projekten Natural Blues und City Blues Connection so fleißig am Produzieren. Mit »Ready For The Good Life« (2021) hat der Guitarero gerade wieder ein neues Werk bei seinem eigenen Label Phonokultur Records VÖ und alles mit den Zutaten die wir von seiner Saitenarbeit kennen. Axel Manrico Heilhecker wurde mit renommierten Preisen überhäuft, bekommt reihenweise Lob von Kollegen, Presse, Fans. Er ist eine wahre und würdige deutsche Legende der Musik-Kultur.
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