Christopher Anton Rea wieder zurück mit musikalischer Leidenschaft !!
Audio-CD’s sind in der Regel kein besonderer Augenschmaus, schon allein wegen des kleinen Formats. Da ändert auch das ein oder andere aufwendiger gestaltete Booklet oder Schmuckausgaben nichts daran. Das ist ja auch nicht ganz so schlimm, denn schließlich geht es ja hauptsächlich um die Musik. Und trotzdem geht es auch anders. Das sieht man natürlich beim starken wiederaufkommen von Vinyl-Alben. Aber auch die earBOOK aus dem Hause edel CLASSICS, die sind etwas Besonderes, die sogar viele Formate verbindet. Bei denen ersetzen großformatige Bildbände in üppigen LP-Format 280 mal 280 Millimeter die herkömmlichen einfachen Plastik-Hüllen und/oder kleinformatigen Digi-Packs. Eine echt fabelhafte Idee !! Der Druck der jeweils etwa 75 bis 150 Seiten ist meist exzellent und die Bilder von bekannten Fotografen sind Schwarz/Weiß oder Farbig oder auch gemischt. Ich beobachte das seit vielen Jahren, die Beliebtheit dieses außergewöhnlichen Formats nimmt weiter zu.
Er beherrscht mühelos eine Vielzahl von verschiedenen Instrumenten, ist ein erstklassiger Sänger und Gitarrist und ein begnadeter Liederschreiber und Komponist. Nachdem Christopher Anton Rea seine Pop-Rock-Phase beendet und seine erste lebensbedrohliche Krankheit einigermaßen überwunden hatte, fing er an endlich nur noch seinen Leidenschaften zu folgen, dem vielfältigen Blues, den historischen Rennsport, dem brutalen Stierkampf und viele mehr. Seither macht er Musik ohne Zugeständnisse an Irgendjemand, folgte fast ausschließlich seinem Blues-Herz und lieferte mit »Stony Road« (2002) einen wahren Karriere-Meilenstein. Danach 2003 zwei gute instrumentale Blues-Alben und 2004 bereits einen weiteren Blues-Kracher. Wieder nur ein Jahr später schrieb er 2005 mit dem 11CD-DVD-Album »Blue Guitars« Blues-Rock-Geschichte. Die ersten beiden Beiträge in dieser Serie, die earBOOKS »Blue Guitars« (2005) und der Nachfolger »The Return Of The Fabulous Hofner Bluenotes« (2008), haben sich vor allem mit dem puren Blues in allen Facetten beschäftigt. »La Passione« (2015) ist eine Hommage an eine strahlende Traumsymbolik des Rennsports: Ferrari. Das DCD-DDVD-Buch basiert auf eine Filmmusik von 1996 und ist bereits das dritte üppige earBOOK von Chris Rea. Dazu werde ich vielleicht später mal berichten. Diesmal geht es aber nicht um ein earBOOK, dennoch ist diese 2011 erschiene Box in jeder Hinsicht ungewöhnlich. Chris Rea ging in seinem zweiten Leben eben seinen Weg immer konsequent weiter.
Mit gängigen CD-Veröffentlichungen gab sich der Blues-Meister Chris Rea in seinem zweiten Karriereabschnitt ab 2003 ja nicht mehr zufrieden. Es wurde eine Sonderausgabe nach der anderen veröffentlicht. Und die Themen waren auch immer wieder unterschiedlich. Der Künstler Rea brauchte wohl niemanden mehr etwas beweisen, konnte aber nun seiner schier endlosen Leidenschaft und Kreativität jetzt freien Lauf lassen. Diesmal mit der 3CD-2DVD-Box »Santo Spirito Blues«. Der Heilige Geist des Blues, dass ist offensichtlich für Christopher mehr als nur seine alte Liebe, das ist mittlerweile wie ein Kreuzzug, seine ultimative Mission und finale Bestimmung. Hier kommen auch noch mit zwei von ihm selbst produzierte meisterliche Filme, das inzwischen sehr breite Spektrum seiner Interessen und Fähigkeiten wieder voll zur Entfaltung.
Dreimal Audio – Auf der ersten Audio-Silberscheibe »Santo Spirito Blues« setzt der Meister-Gitarrist wieder fetten, kraftstrotzenden Rea-Blues-Rock und sein prägnantes, virtuoses Slide-Spiel in Szene. Das Werk gibt es auch als Single-CD. Insgesamt dreizehn klasse Songs, wo Chris Rea zwar den rockigen Blues nicht neu erfindet, jedoch durchweg mit großer Spielfreude und in seiner typischen Spielart musiziert. Bei einigen Passagen hat man deshalb manchmal ein Déjà-Vu, es ist eben ein reinrassiges Rea-Album. Jedoch hat man wieder bei allen Songs zu jederzeit Spaß. Auch beim zweiten CD-Werk ist der Geist des Blues fast allgegenwärtig, Blues als Schicksal, Blues als bestimmende Leidenschaft. Bei der rein instrumentalen Musik zum Film »Bull Fighting« setzt Rea in zehn Titeln akustisch Akzente im klassischen und traditionellen spanischen Flamenco-Stil um. Künstlerisch übertrifft sich Rea dann mal wieder mit der zweiten Filmmusik »Santo Spirito: The Soundtrack« auf CD3, der mit kräftigen und eingängigen Melodien aufwartet. Hier auch noch ein klein wenig Folklore, aber auch viele für den Blues-Mann ungewöhnliche psychedelische Gitarrenriffs. Aber dennoch alles gewürzt im typischen, ausgewogenen Stil vom britischen Gitarrero. Der Soundtrack setzt da an, wo beispielsweise bekannte Art-Rocker ausgestiegen sind. Damit aber niemals der Verdacht aufkommen soll, diese Klangmaler würden nur kopiert, fügt Chris Rea ein untypisches Akkordeon hinzu. Damit stellt er geschickt dann auch die Verbindung zu Florenz, Toskana, Italien und traditioneller Musik dieser Region her. Beim Durchhören kann es schon passieren, dass man sich durch die Augenwinkel wischen muss. Allein die beiden Soundtracks zu diesen Filmen ist den Kauf der Box wert.
Video_1 – Für Rea-Fans etwas gewöhnungsbedürftig wird im 60-minütigen Film »Bull Fighting« mit ruhiger Kameraführung offen und ehrlich ein für Nicht-Kenner kaum nachvollziehbares iberisches Massenspektakel gezeigt. In der ersten Hälfte wird das ganze Szenario mit seiner kranken Leidenschaft aus der Sicht des mutigen Matadors und seines enthusiastischen Publikums beleuchtet. Der zweite Teil des Films zeigt in teilweise sehr grausamen Bildern das blutige Gemetzel in all seiner Unmenschlichkeit aus der Sicht des Stiers. Die Sinnlosigkeit dieses Treibens und vor allem der endlose Schmerz des Stieres werden hier absolut spürbar. Nichts für schwache Nerven. Das blutige Duell zwischen Torero und Stier, eine Anklage gegen Blutsport und die Sinnlosigkeit des Tötens. In diesem Film wird nicht gesprochen. Dialoge und Gedanken werden in visuellen Untertiteln eingespielt und die einfühlsame und dramatische Musik von Chris Rea wirkt dadurch noch ungestörter und intensiver auf den Betrachter ein. Machen wir uns nichts vor, es ist barbarisch, unmenschlich, absolute Tierquälerei die einer anderen Zeit angehört. Diese südländische Tradition bestehend aus Blut, Schmerz und Pein, ist manchmal nur sehr schwer zu ertragen. Aber was Menschen anderen Lebewesen antuen, ist ja auch im Moment allgegenwertig. Besonders jetzt auch mal wieder direkt vor unserer direkten Haustür, jenseits der östlichen NATO-Grenze. Wie tief kann ein Mensch nur sinken, um bei diesem grausamen Todesspiel, und das trifft auf das eine wie das andere zu, Stolz und Befriedigung zu empfinden. Ein weltweites Verbot dieser öffentlichen Tierquälerei ist längst überfällig, abscheuliche und unnötige Kriege ebenso. »Bull Fighting« sowie auch »Santo Spirito« sind düster und melancholisch, kunstvoll und sicher nichts für Action-Fans, aber zwei Filme mit betörend schlichten und eindringlichen Bildern.
Video_2 – Der ebenso intensive Film »Santo Spirito« beschäftigt sich mit der spirituellen Suche nach der Wahrheit, mit allen seinen menschlichen Irrwegen und Abgründen. Passt damit auch irgendwie gut zum Film »Bull Fighting«. Zwei vermeintliche Engeln unterhalten sich über die Unzulänglichkeiten der Menschen, die oftmals (wie auch im Moment) in Krieg, Tod und Verderben enden. »Santo Spirito«, der Heilige Geist ist ein vieldeutiger Titel, zeigt auch augenscheinlich die vielen Irrwege der menschlichen Religionen bis heute sowie seine verheerenden Auswirkungen besonders auf die Menschen. Der Film, in Schwarz-Weiß teils etwas unscharf oder weichgezeichnet und in extrem ruhigen Bewegungen gefilmt, hat kaum eine Handlung. Fasziniert aber durch viele Gedankenanstöße und durch die geniale Musik. Keine leichte Kost, aber wer sich mal diese etwas mehr als eine halbe Stunde darauf einlässt, kommt mindestens einen Schritt weiter, versteht am Ende vielleicht sogar besser warum sich der lebensgefährlich erkrankte Blues-Liebhaber Chris genau damit beschäftigt hat. Die Idee zum Film entstand als Chris Rea seine Tochter Josephine (die besungene aus dem Hit-Song, lehrte dort Kunstgeschichte) in Florenz besuchte. An jeder Ecke dort, das ist tatsächlich dort nicht schwer, begegnete ihm irgendeine Form von Spiritualität. »Somewehere Between The Stars«, der einzige gesungene Beitrag zum Schluss dieses Albums, beginnt als einschmeichelnde Ballade und endet im überbordenden Crescendo zwischen Stimme, Orchester und E-Gitarre. Mit seinen beiden Filmen, mit Unterstützung von Regisseur Scott McBurney, vollzieht Rea einen weiteren Schritt zum universellen Multi-Media-Künstler. Während seiner schweren Krebserkrankung begann er mit Malerei, Grafik, Design und Texten, nun kommen auch noch Filme, Fotografie und Regie hinzu, die in seinen Projekten wieder einige verschiedene Komponenten vereinen. Fast alle Gemälde, Musiken und Textpassagen stammen von ihm und verschmelzen unter seiner Hauptregie zu einer eigenständigen audiovisuellen Präsentation. Die Ideen scheinen nur so aus ihm herauszubrechen, mit unglaublicher Kreativität setzt er seine Gefühle & Gedanken in immer neue, komplexere Projekte um. Es entsteht der Eindruck, als habe der bereits lauernde Tod in ihm gewaltige schöpferische Energien freigesetzt und ihn in jederlei Hinsicht beflügelt. Ich ziehe meinen Hut vor diesem Ausnahmekünstler, und wünsche ihm zukünftig noch viele solcher ausgewöhnlichen Projekte dieser Art.
Drei grandiose und sehr unterschiedliche Audio-Alben mit großartigen Songs ohne echte Aussetzer. Es sei Chris verziehen, dass er sich stellenweise wieder einmal selbst covered. »The Last Open Road« wurde bereits mit »Road To Hell 2« (1999) veröffentlicht, wirkt aber in der aktuelleren Version druckvoller. Auch die eine oder andere Textpassage, Melodie, Phrase oder Titel dürften dem einen oder anderen Fan geläufig sein. So klingt beispielsweise der Refrain von »The Chance Of Love« wie eine Variation von »Road To Hell«. Es ist halt ein reinrassiges Solo-Projekt von Christopher Anton Rea und der hat nun mal gefühlt vier Dutzend Alben in 10 Jahren eingespielt, allein bei »Blue Guitars« elf an der Zahl. Blues-Skeptiker sollten sich nicht abschrecken lassen, hier rockt Chris so wie wir ihn kennen und schätzen. Erstklassiges Material in Ton und Bild.
Nach den europaweiten und ausgedehnten Santo-Spirito-Tour 2012 sowie The Last Open Road Tour 2014 ist Chris Rea leider gesundheitlich nicht mehr in Lage längere Konzert-Reihen oder Touren durchzuführen. 2016 erlitt der Saitenzupfer während eines Besuchs in einem örtlichen Pub einen schweren Schlaganfall mit folgender Halbseitenlähmung. Aber er hatte sich trotz massiver Gleichgewichtsstörungen wieder aufgerappelt, spielte nach viel Zuspruch wieder Gitarre. Er sagte 2018 in einem Interview das er das Rauchen aufgegeben und immer noch große Schwierigkeiten hat die Flaschenhals-Technik zu spielen, da ihm seine Finger noch nicht wieder problemlos gehorchen. Sein bisher vorletztes Projekt »Road Songs For Lovers« (2017, mit Tournee) wurde erneut von Fans und Kritikern gefeiert, eben wieder ein echtes Rea-Album. 2018 stand dann wieder mehr der Rennsport im Fokus, aber das ist das Thema für den nächsten Beitrag über die rauchige Stimme aus Berkshire, Südwest-England.
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