The Dynamites (Die Sixties in Basel Teil 3)

The Dynamites (Die Sixties in Basel Teil 3)

 

Die Dynamites sind wohl die Band aus Basel, die Beat mit Garage am eindrücklichsten verknüpft hat und das hört man heute noch. Das ist 1A Gescheppere und wilder Beat aus längst vergangenen Tagen. Aber interessanterweise geht das heute noch und irgendwie tönt das nicht wirklich abgestanden, sondern ziemlich kontemporär. Natürlich ist die Aufnahmetechnik von vorgestern, aber damals gings wohl nicht besser (und vor allem nicht billiger) und trotzdem, die Musik tönt ehrlicher als so manch totgeschliffener Sound der Neuzeit.

 

Im Buch „Als die Haare länger wurden. Die Sixties in Basel“ nehmen die Dynamites ganze 12 Seiten ein, nur knapp geschlagen von den Sevens, die noch ein paar Seiten mehr erhalten haben. Aber die Countdowns, die Dynamites und die Sevens waren die Speerspitze des Beats in Basel Mitte der 60er. Natürlich gab es einige weitere Bands, aber die hatten nicht wirklich ein sichtbares Profil und deren Aufnahmen auf Platte beschränkten sich in der Regel auf ein oder zwei Singles und dann war Schluss. Wenige der lokalen Bands konnten mehr als ein paar 7″s vorweisen, da waren die Sevens mit ihrer einzigen LP fast die Ausnahme (aber auch die Red Devils brachten eine LP auf den Markt). Bis die Jahre ins Land gingen und dann … aber dazu später mehr.

 

Die treibende Kraft hinter den Dynamites scheint Robert Wittner gewesen zu sein. Er ist auch der einzige, der auf allen Singles der Dynamites vertreten ist. Rolf Antener war ein weiteres Langzeitmitglied der Band, ist aber auf der letzten Single nicht mehr zu hören. Wie viele andere Musikgruppen starteten die Dynamites auch nicht aus sich selbst heraus sondern hatten eine Vorgeschichte. Die Little Robin Band war 1958 der Startschuss, damals mit Robert Wittner, Fritz Arpagaus und Willi Lanz. Kurz darauf wurde die Kapelle duch Rolf Antener komplettiert. Letzterer wechselte 1966 zu den Les Sauterelles, welche erstens nicht aus Basel kamen und zweitens es nicht so mit dem Beat hatten. Bei allem darf man nicht vergessen, Basel war (und ist) nicht der Nabel der Unterhaltungsbranche oder anders gesagt, das Kuhdorf liegt East of East St. Louis. Und da treffen sich viele Akteure jener Zeit zwischen Landgasthof Riehen, Kirchgemeindehaus und Cliquenkeller.

 

1962 war das dringendste Thema auf der Agenda der Namenswechsel der Little Robin Band zu den Red Dynamites und wieder wurde das Schallplattenarchiv geplündert um den neuen Namen festzulegen. Bereits die Red Dynamites hatten Aenderungen im Line-up zu verzeichnen, aber konnten im selben Jahr einen Auftritt beim Filmball im Bayrischen Hof in München festmachen. 1963 kam dann der erneute Namenswechsel und man liess das Red fallen. Die Dynamites waren geboren (mit erneutem Wechsel des Line-up) und kurz darauf wurde die erste Single aufgenommen. Ich habe keine Ahnung wo diese Aufnahmen abgeblieben sind („Be My Own“ / „Hello Daddy“), gab es meines Wissens doch nie eine Veröffentlichung als Single. Aber das Leben hält die eine oder andere Ueberraschung bereit.

 

Robert Wittner war nicht nur die treibende Kraft hinter der Band, sondern auch der Songschreiber. Man erzählt sich, dass er ein ziemlicher Diktator gewesen sein muss. Er machte klar, dass die Dynamites seine Band waren und die anderen ohne ihn keinen Fuss auf den Boden brächten. Irgendwie war das ja auch wahr, aber es sollte niemanden verwundern, dass sich die Besetzungen schneller ablösten als sich jemand die Unterhosen wechselt.

 

Die erste reguläre (sprich: veröffentlichte) Single (eigentlich eine EP) kam 1965 auf den Markt und zwar mit den Tracks A1 „Dance, A2 „Nadine“ und B1 „I Wanna Be Your Man, B2 „Little Safari“ (auf dem Label Sesam). Die 7″ „Tell Me Yes Or No“ / „Too Late“ kam dann ebenfalls 1965 raus (Columbia). Das wars bereits für das Jahr, bis auf die LP „Swiss Beat Live“ die auf Columbia veröffentlicht wurde und einige Livesongs der Dynamites vorstellte (ebenfalls auf der LP waren Tracks der Counts und der Les Sauterelles zu finden). Letztere war bis kürzlich die billigste Gelegenheit überhaupt an Aufnahmen der Band ranzukommen, ohne Haus und Hof verkaufen zu müssen. Das Original der „Swiss Beat Live“ geht für stolze Summen über den Ladentisch, wurde aber schon mehrfach  neu aufgelegt als CD und LP.

 

Vielen Bands aus der Zeit war gemein, dass sie sich nicht lange hielten und die Dynamites waren da keine Ausnahme. 1966 gab es von der Band die letzten Lebenszeichen in Form dreier weiterer 7″s und zwar „“Don’t Leave Me Behind“ / „Someone Like Me“ (Columbia), Right Down“ / „Say It Today“ (Philips) und eine EP „“Someone Like Me“ / „Don’t Leave Me Behind“ b/w „Too Late“ / „Tell Me Yes Or No“ (Columbia). Und das wars dann mit Veröffentlichungen der Dynamites … und die Spannung steigt.

 

Die Auflösung der Band war zum einen Teil dem diktatorischen Gehabe von Robert Wittner geschuldet, andererseits wohl auch den fehlenden Entwicklungsmöglichkeiten (künstlerisch wie auch finanziell). Letzteres, obwohl die Dynamites bezogen auf CH-Verhältnisse eine ziemliche Nummer waren, aber zwischen Miststock und dem Gasthof Krone lässt sich halt keine Karriere aufbauen die auch noch tragend ist. In der letzten Inkarnation war ohnehin nur noch Robert Wittner übrig geblieben. Man kann sagen, die Band war implodiert.

 

Die Singles und EPs kann man mit einigem Suchen auch heute noch finden, aber man sollte da schon die etwas grössere Geldbörse bereithalten. Die erste veröffentliche EP auf Sesam z.B. kann man mit etwas Glück und Rückenwind noch finden, was man aber nicht findet, ist das Bildcover. Davon wurden nur 50 Stück gedruckt (oder so munkelt man). Die Platte selbst habe ich zwar, aber die Hülle wäre auch noch schön. Bei „Tell Me Yes Or No“ / „Too Late“ gibt es zwei Versionen, eine hat die Bestellnummer in Schwarz, die andere in Rot (sachdienliche Hinweise zu Letzterer werden gerne entgegengenommen).

 

Fast Forward 2019: Ich erhalte eine Nachricht von einem Händler und Sammler, dass da eine Box über die Dynamites in Arbeit sei und die demnächst veröffentlicht werde. Doppel-LP, Poster, 40-seitige Bandbio, the Lot. Sagen wir mal so: Ich hätte nie auch nur davon geträumt, dass das geschehen könnte. Mein Wissensstand war, dass die Band damals alles veröffentlich hat (ja gut, mit Ausnahme der ersten beiden Tracks). Und dann kommt so etwas. Nicht nur eine Zusammenfassung der alten 7″s, sondern eine „extended“ Version. Ich habe sofort drei Exemplare gekauft und danach auch noch eine Testpressung in die Sammlung eingereiht. Die Box ist wirklich extrem gut gemacht mit der Bio, den drei Postern und den 2 LPs im Gatefoldcover. Und für den Preis bekommt man nicht einmal eine der Singles im Original. Sesam Records ist schon lange über den Jordan gegangen, aber hier wurde nun das Label wiederbelebt, was ich ja schon von der Idee erwähnenswert finde.

 

P.S.: Das Beitragsbild ist die erwähnte Box.

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3 Kommentare

    1. Hallo Brigitta

      Ein Gaetano ist mir nicht bekannt und meine Unterlagen geben das auch nicht her. Aber du schreibst ja „kurz in der Band“, kann ja sein, dass er nur für ein paar Wochen/Monate als Ersatz mitgemacht hat?

  1. Die Aufarbeitung des Dynamites-Nachlasses gehört ganz einfach in die Sparte «to die for» und wie von Canvey beschrieben lässt die Aufmachung der Box keine Wünsche offen, absolut keinen, Hut ab vor dem für die Veröffentlichung zuständigen Produzenten.

    Den einzigen Vorwurf den man The Dynamites machen kann ist der Name, ich weiss nicht wie viele Dynamites durch die Musikgeschichte geistern, vermutlich hunderte. Die japanische Beat- und Garageband The Dynamites etwa (über die stiess ich vor ein paar Jahren im Zuge von Recherchen zu den Ventures) oder The Dynamites aus Jamaica, eine Sessionband die in erster Linie für den Reggae-Star Clancy Eccles aber auch für andere im Einsatz stand und unzählige Singles in Eigenregie veröffentlichte.

    Berücksichtigen muss man bei kontinentalen Sixties-Bands auch immer, dass ihnen längst nicht die Studiotechnik englischer oder amerikanischer Künstler zur Verfügung stand. In USA wurde (spätestens seit dem Höhenflug des Jazz) alles was mit dem Thema «Aufnahme» zu tun hatte regelrecht zelebriert, nicht verwunderlich also, dass die Arbeiten des Tontechnikers Rudy Van Gelder (Blue Note Records) bis heute das tontechnische Mass aller Dinge darstellen. Selbiges gilt für das britische Studio Abbey Road (EMI/Parlophone) in dem einer wie George Martin (vor allem im Dienste der Beatles) die damalige Studiotechnik immer weiterentwickelte. In anderen Locations hingegen herrschte Ratlosigkeit wie man mit dieser neuen Popmusik umzugehen hatte, bei PYE haben etwa die Kinks mit ihrem brachialen Sound bei dem Heer der (in weisse Arbeitsschürzen gekleideten Tontechniker) für Kopfschütteln gesorgt.

    Das europäische Festland hinkte punkto Aufnahmetechnik in den Sixties flächendeckend hinterher, die neuen Rockbands mussten in Studios aufnehmen die normalerweise auf Volksmusik, Schlager, Klassik, Jazz oder Marschmusik spezialisiert waren, «Distortion» die zum Blues, Rhythm & Blues, Rock’n’Roll und Beat gehörte wie der Deckel zur Konservendose war überall verpönt und widersprach der weit verbreiteten Lehre des reinen Klangs. Was aber nicht hiess, dass man stehen blieb, der deutsche Komponist und Produzent Christian Bruhn schuf Mitte Sechziger eigenständige, meist Deutsch gesungene Wunderwerke («Marmor Stein und Eisen bricht», die Erfindung des Power Pop) die sich den britischen Beat einverleibt hatten und in Italien war einer wie Adriano Celentano federführend was die Entwicklung nationaler Popmusik anbelangte. Spätestens mit Produzenten wie Conny Plank und Dieter Dirks wurde Pop- und Rockmusik «Made in Europe» salonfähig, aber davor müssen in der Studioszene teilweise üble Zustände vorgeherrscht haben, jedenfalls für Bands die sich der angloamerikanischen Musik verschrieben hatten.

    Unter Einbezug der damaligen Produktions-Bedingungen klingen die Sixties-Bands aus Basel doch recht authentisch, das gilt auch für The Dynamites. Und wie eingangs geschrieben, die Dynamites-Box ist atemberaubend…

    LONG LIVE ROCK!
    mellow

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