Roy Buchanan – Tragische Rocker 10

Erich ist göttlich, aber Roy ebenso – Aber auch Götter können scheitern

Wenn ich an medienstarke Gitarristen denke, fallen mir sofort die üblichen Verdächtigen wie Jimi Hendrix, Eric Clapton, Jimmy Page, Jeff Beck, Peter Green, David Gilmour, Gary Moore ein. Aber wer denkt an John Martyn, Albert Lee, Roy Buchanan oder die vielen virtuosen Gitarren-Helden des Jazz. Über den gefühlvollen während des 2. Weltkriegs in Arkansas geborenen und in Kalifornien aufgewachsenen Saitenhexer Leroy sind nicht so viele handfeste und verlässliche Fakten bekannt, die fundierten Details werden aber dann auch in allen Berichten Gebetsmühlenartig erzählt. Natürlich hat dieser Virtuose an der Fender Telecaster zu Lebzeiten, wie auch danach bis heute und darüber hinaus, Horden von Kollegen und auch die es mal werden vollen inspiriert und beeinflusst. Seine Eltern (Mutter: Minnie) waren Farmer, wie viele Menschen damals an der Westküste, aber auch aktive gläubige Kirchen-Mitglieder. Damit waren für Roy auch die ersten Weichen zur Musik und vokalen Aktivitäten vorgezeichnet sowie wichtige Verbindungen hergestellt. Auch das ist nichts Erwähnenswertes, denn das ist nichts Unnormales und im US-Alltag oft an der Tagesordnung. Noch im Kindesalter wird er dadurch zum Gitarrenspiel inspiriert, besonders die Instrumente mit Stahlsaiten und auch elektrifizierte Geräte haben seine Vorliebe. Einer seiner Lieblingswerkzeuge nannte er laut einiger Quellen Nancy. Es ranken sich nee Menge Geschichten um seine Gitarren, Effektgeräte, Verstärker, Boxen und Techniken. Aber all diese Details sind für die Fans der Musik zweitrangig, für die Gitarristen, und davon gibt es eine Legion, sicher nicht uninteressant, aber das ist ein anderes Thema. Fakt ist, das Roy Buchanan durch ständiges Benutzen seiner Arbeitsgeräte, schnell viel Erfahrungen hatte und irgendwann sein meisterliches Gesamtpaket gefunden hatte.

Roy Buchanan: Promo_4 (1988)

Das Spielen nach Noten war nicht sein Ding, er hatte es früh bei Mrs. Pressure erfolglos versucht zu erlernen. Deshalb setzte er Zeitlebens auf sein Gehör. Seine frühen Stationen in Formationen waren Waw Keen Valley Boys (Bakersfield), Heartbeats (Los Angeles, mit Spencer Dryden), Oklahoma Bandstand (Tulsa), sind alle recht unbekannt geblieben. Sein Einfühlungsvermögen und Fingerfertigkeit, aber besonders sein Ruf als kompletter Musiker und Allzweckwaffe für jedes Terrain, hatte sich schnell in der sich explosionsartig entwickelnden Rock-Musik-Szene der 50/60iger herumgesprochen. Er wurde oft um Mithilfe gebeten, auch bei damals recht bekannten Musikern, tourte mit Swamp-Rocker Dale Hawkins und spielte mit Robbie Robertson (The Band). Aber das scheint auch mit so ein wenig seine Tragik zu sein, wie bei vielen seiner Kollegen an den sechs/zwölf Saiten. Wer die Beiträge über Nick Drake oder John Martyn gelesen hat, der wird jetzt Wissen wovon ich spreche. Wer wie Roy weiß das er genial ist, aber dennoch der große Durchbruch sich einfach nicht einstellen will, der kann schnell frustriert auf die falsche Spur geraten. Dazu kommen später oft Mutlosigkeit, Zweifel, Depression, Drogen, also die Dämonen ins Spiel, die dann ständig mit an den Nerven nagen. Deshalb kam er auch des Öfteren mit anderen Menschen und dem Gesetz in Konflikt und hatte Alkoholprobleme. Er heiratete 1961, lässt sich in Washington DC nieder und gründet 1962 Buch And The Snakestretchers. Dann erste lange musikalische Pause.

Roy Buchanan: Promo_3 (1976)

Roy Buchanan: Promo_2 (1976)

Erst Mitte 1969, er ist inzwischen acht Jahre mit Judy Owens verheiratet und wohnt an der Ostküste nähe New York und Washington DC, hat er die Nase gestrichen voll von schlecht bezahlten Jobs. Nach Ausstrahlung einer 90-minütigen TV-Dokumentation »Introducing Roy Buchanan« (1971: PBS Special), auch bekannt als »The Greatest Unknown Guitarist In The World«, entsteht die Idee die Karriere als Band-Leader mit einer eigenen Band neu zu starten. Roy’s Gäste auf Zelluloid sind immerhin: Jerry Garcia, Bill Graham, Nils Lofgren, Merle Haggard, Johnny Otis. Es gibt eine sehr gut restaurierte und komplettierte Version auf einer bekannten digitalen Video-Plattform zu sehen. Roy Buchanan bekommt dadurch Kontakt zu Polydor und sodann geht es mit Unterstützung von Southern-Rocker Charlie Daniels an die Arbeit. Leider bleibt die neu geschaffene Musik erst einmal unveröffentlicht, wird aber erfreulicherweise 2004 mit satten 17 Songs als »Prophet: The Unreleased First Polydor Album« erstmals komplett (in Japan als DCD) veröffentlicht. Die Klänge von vier schönen Titeln ertönten in dieser Welt aber schon 1992 auf der DCD-Kompilation »Sweet Dreams« (Details siehe weiter unten). Roy rettete damals aber einige Titel, nimmt sie neu auf und VÖ sie auf seinem selbstbetitelten »Debüt« (1972). Dann geht es Schlag auf Schlag, jedes Jahr mindestens ein Album bei Polydor. Zuletzt, mit progressiver und rockiger Ausrichtung, das unglaubliche »You’re Not Alone« (1979) auch bei Atlantic Records. Insgesamt zehn unfassbar gute Alben in zehn Jahren. Diesmal kurze Pause.

Roy Buchanan (1972)

A Street Called Straight (1976)

Loading Zone (1977)

Der beste unbekannte Bluesgitarrist Leroy Buchanan, der sich Ende der 70iger noch einmal aus dem Musik-Geschäft zurückzog, kam 1980 schon wieder zurück. Auf dem Album »My Babe« (Attic) war als Schlagzeuger Danny Brubeck, ein Sohn von Dave Brubeck zu hören. Aber erst vier Jahre später erscheinen die nächsten Alben als Dreier-Block bei Alligator Records. »When A Guitar Plays The Blues« (1985) das sich 13 Wochen in den Billboard-Charts hielt und für einen Grammy nominiert wurde, »Dancing On The Edge« (1986, Gesang Delbert McClinton) und »Hot Wires« (1987). Der letzte belegte Auftritt von Roy Buchanan war dann am 07. August 1988 in Guilford, Connecticut. Auch das Material bei Alligator Records zeigt die Weitentwicklung und Spannweite seiner Musik. Fünf Monate vor seinem mysteriösen Tod ist er noch vitaler Hauptakteur in einer 90-minütigen Video-Präsentation von The Fritz Brothers, bei der er die neue Gitarre Blues Master virtuos dem Publikum präsentiert.

Roy Buchanan: Promo_5 (1988)

Roy Buchanan: Promo_6 (1988)

Sein Leben lief eigentlich wieder recht stabil, da wurde er im August 1988 nach einem Streit mit seiner Frau wegen angeblich Trunkenheit in der Öffentlichkeit verhaftet und in eine Arrestzelle zur Ausnüchterung gesperrt. Dort in Fairfax County, Virginia verlor er mit nicht mal 49 Lebensjahren auf dem Buckel den langen Kampf mit seinen Dämonen, Leroy erhängte sich mit seinem eigenen T-Shirt in seiner Zelle. Dennoch sind die Zusammenhänge um seinen Selbstmord sehr umstritten, denn er hatte laut Leichenschau im Bereich Kopf massive Prellungen, die auf eine vorausgegangene Auseinandersetzung oder Schlägerei schließen lassen. Wieder einmal eine sehr tragische Lebensgeschichte. Mit ihm ist ein Gitarrist gestorben, der uns über seine Musik in sein Inneres hat schauen lassen. Hört euch mal »The Messiah Will Come Again« (vom Debüt, Inspiration für Gary Moore) oder »You’re Not Alone« (1979) vom gleichnamigen Album an. Wer als Musik-Enthusiast bei dieser Musik keine Gefühle zeigt, der ist weit über dem Punkt. Seine Gefühle sah man auch immer seinem Gesicht an, das beim Zupfen der Stahl-Saiten eine ständige Verbindung mit seinen zehn Fingern bei der Arbeit hatte. Ein Saiten-Meister für immer !!

You’re Not Alone (1978)

When A Guitar Plays The Blues

Sweet Dreams: The Anthology

Nach seinem tragischen Tod strahlte sein Blues-Spotlight heller denn je, das kennen wir ja schon von anderen im Rockzirkus vorgestellten tragischen Rockern. Es erscheint, wie nicht anders zu erwarten, eine Retrospektive mit »Sweet Dreams: The Anthology« (1992: Polydor), und die hatte es in sich !! Diese Doppel-CD habe ich schon mehrfach an Blues-Fans verschenkt, denn 1. sie zeigt einen umfassenden Überblick der erfolgreichen Solo-Jahre dieses Blues-Man bei Polydor, 2. man überrascht mit einem genialen Blues-Rocker den kaum einer kennt, 3. das Paket beinhaltet ein üppiges 20-seitiges Büchlein das seinen Namen echt verdient, mit Lebensgeschichte und vielen erstklassigen Bildern, 4. alles Remastered, 26 Blues-Perlen und davon auch noch sieben rare unveröffentlichte Titel. Die erste CD deckt die Phase ab 1969 ab, mit vier Titeln vom bis dahin unveröffentlichten und von Charlie Daniels produzierten »The Prophet« (1969-1971), bis »Rescue Me/In The Beginning« (1974). CD2 eröffnet mit dem damals noch unveröffentlichten 10-minütigen Live-Titel »Down By The River« von Neil Young (vom Auftritt Town Hall, New York City, 27. November 1974, wurde damals nicht mit auf dem Album »Live Stock« VÖ), über zwei weitere Titel von Live Stock Album bis zum Hendrix-Titel »Hey Joe« vom Album »Live In Japan« (1978). Als Nachschlag und Sahnehäubchen gibt es zum Schluss »Fly… Night Bird« und »Turn To Stone« vom Polydor/Atlantic Album »You’re Not Alone« (1979). Leider fehlt auf diesem 2,5-stündigen Doppeldecker mein Roy-Alltime-Favorit »You’re Not Alone«. Roy Buchanan war kein lautstarker Sänger oder extrovertierter Frontmann, das übernahmen manchmal Band-Mitglieder oder andere Gast-Sänger. Dennoch war seine Stimme ausdruckstark, passte gut zu seiner Art Gitarrenspiel. Sein Stimmlage, Betonung und Dynamik erinnern mich sehr stark an Lee Clayton, ein weiterer recht unbekannter singende Gittarist. Das ebenfalls unveröffentlichte 12-minütige Fade-Out »Dual Soliloquy«, während der Sessions zum Debüt im Juli 1972 aufgenommen und ebenfalls bis zu diesem Zeitpunkt erstmals veröffentlicht, nur Leroy an der elektrischen Gitarre. Das gefühlvolle Instrumental ist optimal am Schluss platziert, wie eine Melodie zum Abschied. Pure Gänsehaut !!

Roy Buchanan: Promo (1971)

Roy Buchanan: Promo (1976)

Roy Buchanan: Promo (1985)

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