Wolfgang Ambros – Es lebe der Zentralfriedhof (CD/LP)

Wolfgang Ambros – Es lebe der Zentralfriedhof (CD/LP)

Veröffentlichungen von 1972 bis 2024, wohl die Definition „Lebenswerk“. Aber ich bin an „Es lebe der Zentralfriedhof“ kleben geblieben und hatte nie das Bedürfnis weitere Tonträger zu erwerben. Ganz weit weg habe ich eine Erinnerung, dass ich mal etwas zum Thema Austropop geschrieben habe. Keine Idee wo das war und wie lange es her ist. Austropop war in diesen Breitengraden nicht wirklich präsent und das ist alles zwischen Stuhl und Bank gefallen. Natürlich gab es Ausnahmen, aber im Grossen und Ganzen war das Schaffen unserer östlichen Nachbarn nicht gerade auf der täglichen Diät. Ich würde jetzt nicht so weit gehen wie damals der Dude, der meinte, Oesterreich hätte noch nie etwas von Relevanz in der Unterhaltungsbranche (Genre Populärmusik) hervorgebracht, mit Ausnahme der Slaves. Tatsächlich gibt es doch so einige Musiker, die ihre Markierung hinterlassen haben, man denke nur an die ganze Punkszene, an die Rock’n’Roller und die Jazzer, oder an EAV.

1975 wars, als dieser Wolfgang Ambros und seine Plattenfirma „Es lebe der Zentralfriedhof“ auf den Markt warfen. Und dann mit einen Nerv getroffen hatten. Viele der Tracks wurden am Radio gespielt und ich muss zugeben, die Hitdichte auf der LP war und ist enorm. Es ist dieses eigenartige mäandern zwischen dem Heurigen in Grinzing, Hans Moser, dem Wiener Schmäh und all die plakativen Eigenschaften, die den Menschen dieser Region zugeschrieben werden. Und natürlich waren die Texte bissig und so gar nicht im Mainstream zu Hause. Und dann noch der Rockanteil, der diese Produktion von vielen anderen Tonträgern aus der Gegend abhob. Uebrigens hat ja z.B. Frankreich oder Italien ein ähnliches Problem, wenn man nicht sehr tief gräbt, dann kommt einem fast alles vor wie wiederaufbereitete Chansons.

Wolfgang Ambros (Jahrgang 1952) ist auch deshalb bemerkenswert, weil er so tief in die österreichische Kulturszene eingedrungen ist und tatsächlich als einer der wichtigsten Repräsentanten stehen kann. Die LP „Es lebe der Zentralfriedhof“ muss ich mir ein paar Jahre nach Erstveröffentlichung (aber noch in den 70ern) gekauft haben und die läuft bei mir immer noch und ist keinen Deut langweilig geworden. Die Tracks:

1. Es lebe der Zentralfriedhof
Es kommt nicht so oft vor, dass jemand eine Stück schreibt, dass eine Aera definiert. Wolfgang Ambros hats geschafft. Dazu kommt halt auch die morbide Faszination, die die Wiener haben (oder zumindest wird es so kolportiert). Alleine das Intro ist bemerkenswert, der Wind, der über den Friedhof streicht und die Stimme die etwas verkratzt tönt. Einen besseren Text über einen Friedhof (und die entsprechende Instrumentation) kann ich mir nicht vorstellen.

2. Wem heut net schlecht is
Die Walzerseligkeit in „Wem heut net schlecht ist“ zeigt wie der Herr Ambros tickt. Seine Beschreibung der Psyche der Hauptstadtbewohner ist bissig und ätzend und doch nicht hinterhältig. Alleine schon das zuhören versetzt einen in einen Rauschzustand. Wir können das nicht, uns philosophische Gedanken über das Saufen zu machen. In Heidiland wird gekippt und Ende Gelände.

3. Espresso
Viele dieser Songs haben einen Touch Depression inne. So auch „Espresso“ mit seinem verschleppten Takt und man kann es sich vorstellen, dass der Protagonist wahrscheinlich mit sich und der Welt im Reinen ist. Es ist einer dieser Tracks in die man total versinken kann und Sympathien für den Geschichtenerzähler aufbringen wird.

4. G’söchta
Einer der Texte, die ich nicht wirklich kapiere. Ich frage mich, was da der Auslöser gewesen sein könnte. Ein Konvolut an verbalen Angriffen und Drohungen. Ich kann mir zwar in etwa vorstellen was die Aussage ist und möglicherweise ist das o.k., ich habe einfach momentan die Spur verloren. Und trotzdem, gefällt mir irgendwie, aber ich muss ja auch nicht alles wissen.

5. Heite drah i mi ham
Ein Text, den ich tatsächlich nicht unbedingt brauche. Der Song ist gut, keine Frage. Der Text, resp. die Ausführung ist fragwürdig. Das Thema Selbstmord ist meiner Meinung nicht geeignet da ein Unterhaltungsthema draus zu machen. Irgendwie kommt mir hier der Gedanke, Selbstmord wird promotet als Lösung. Klar, es scheint Kritik durch, aber mir ist da zu wenig. Die Faszination der Wiener mit dem Tod und alles was damit zusammenhängt in Ehren, aber vielleicht ist es das was den/die Wiener/in ausmacht.

6. Zwickt’s mi
Noch eine bissige Beobachtung, die kongenial zu einem Songtext gestrickt wurde. Aber auch hier, die instrumentale Ausarbeitung passt nicht ganz zu den Lyrics. Aber genau das macht einen (grossen) Teil der Faszination auf diesem Album aus. Das Gegensätzliche auf der Höhe.

7. Familie Pingitzer
Beobachtungen in allen Ehren, aber das ist der schwächste Beitrag auf der LP. Nicht schlecht, aber irgendwie krieg ich mit „Familie Pingitzer“ die Kurve nicht. Scheint mir als wäre das „all killer, no filler (exception „Familie Pingitzer“). Aber egal, auch das ist mindestens über Durchschnitt und ein Verlegenheitsfüller sei gestattet.

8. De Kinettn wo i schlaf
Und er kanns immer noch, lakonisch/lyrische Texte mit entsprechender musikalischer Begleitung. Geht doch, Wolfi oder ist dir Wolfgangerl lieber? Irgendwo schweben die meisten Beiträge zwischen Niedergeschlagenheit und mach das Beste draus. Es sind dies nicht die matchentscheidenden Probleme dieser Welt (auch 1975 nicht), aber sie gehen dem Künstler unter die Haut und da ist er extrem glaubwürding.

9. A Gulasch und a Seitl Bier
Eine Georg Danzer Komposition (Text und Musik), übrigens sind von den zehn Songs lediglich zwei Fremdkompositionen (und die zwei sind beide von Georg Danzer). Bei den restlichen acht ist der Herr Ambros entwerden alleiniger Urheber oder hat zumindest seinen Anteil an den Kompositionen/Texten. Aber auch hier, „A Gulasch und a Seitl Bier“ macht bei mir das Schlusslicht zusammen mit „Familie Pingitzer“.

10. I glaub i geh jetzt
Genau das, was der grösste Teil dieses Tonträgers ausmacht. Ernste Texte, die Tiefgang haben und nicht überheblich sind. Dazu eine getragene Stimmung der Instrumente und man könnte den Blues kriegen. Mit Geigen und dem ganzen Brimborium, Wean halt.

Ein Wort noch zum Coverbild. Wolfgang Ambros auf einer Strasse, schaut einer älteren Frau beim vorbeigehen nach. Ein ikonisches Bild und wenn ich mich richtig erinnere, war das damals gar nicht gestellt (ich kann daneben liegen, finde ich die Quelle doch nicht mehr). Das ganze Paket passt von Anfang bis am Schluss. Bei meiner CD sind die Texte nicht abgedruckt, kann sein, dass das in anderen Ausgaben noch dabei war. Jedenfalls, meine LP hat das Beilageblatt. Die Texte sind schon entscheidend, ich würde also nach einer vollständigen Veröffentlichung Ausschau halten. Der Rest? Search me!

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