Liverbirds

Liverbirds

Um mal zuerst den Ursprung des Namens Liverbirds richtig zu stellen: Es ist nicht das Wahrzeichen Liverpools gemeint (The Liver Bird), auch wenn Wikipedia das anderst sieht (und mit ihnen geschätzt eine Million anderer Webseiten). Das scheint mir ein Fall von nachlässiger Recherche (oder gar keiner) zu sein, abschreiben wie anno dunnemals im Klassenzimmer. Und so verbreiten sich fake News unkontrolliert. Natürlich ist es naheliegend, kommen sie doch aus eben diesem Liverpool.

Wieso mir klar ist, dass etwa 90 % des Internets falsch liegen? Vor Jahren habe ich mal ein altes Interview mit der Band gelesen in dem haarklein erzählt wurde, woher der Name stammt. Und wenn nicht die Band das wissen müsste, wer dann? Aber ganz gut wurde es mit der ersten Beat-Club DVD (Boxset) wo die Band auf der Bühne befragt wurde und eben ihre Version erklärte und die hatte nichts mit einem Liver Bird zu tun. Die Band bezog sich auf den Fluss Liver (den ich so plus/minus in Schottland ausmachen konnte). Uebrigens, der Fluss Liver (gesprochen Läiwr) hat auch deswegen nichts mit Liverpool oder dem erwähnten Liver Bird (Aussprache Liwrpuhl oder eben Liwr Bird) und die Band hat meines Wissens immer darauf bestanden, dass ihr Name Läiwrbörds sei.

Eigentlich werden die Liverbirds als erste reine Frauenband im U.K. gehandelt, was aber so nicht richtig ist, bzw. einer näheren Definition bedarf, gab es doch vor den Liverbirds bereits eben solche Combos, nur haben diese nicht im Bereich Beat und Rock’n’Roll gearbeitet. Manchmal wird das entsprechend aufgedröselt und erspart dann Missverständnisse. 1963 startete die Band mit

Valerie Gell – Guitar
Mary McGlory – Bass
Sheila McGlory – Guitar (ersetzt durch Pamela Birch)
Sylvia Saunders – Drums

Pamela Birch wurde durch die Kinks vermittelt und scheint wohl die Initialzündung gewesen zu sein. Irene Green (Vocals) kann man getrost als Fussnote erwähnen, scheint sie doch kein reguläres Mitglied der Band gewesen zu sein und war nur zeitweilig ein Teil der Gruppe. Die Liverbirds tourten im U.K. die Landstrassen rauf und runter, kamen aber auf keinen grünen Zweig. Die Frauen wurden nicht ernst genommen und von ihren Musikerkollegen runtergemacht und mit allerschlimmstem Sexismus konfrontiert. Mag sein, dass das damals gang und gäbe war, aber es wirft schon ein schlechtes Bild auf die Machogesellschaft Mitte der 60er, in der sich auch vermeintlich progressive Elemente nicht zu blöd waren, ihre vermeintliche Vormachtstellung als weisse junge Männer voll auszuleben.

Einer dieser Machos war ein gewisser John Lennon, der den Frauen einfach jede musikalische Kompetenz an ihren Instrumenten absprach. Passt aber voll ins Bild. Es war damals aber auch schon die Rede von einer Tour mit Chuck Berry oder einer Art Dauerauftritt in den Staaten. Letzteres wurde von der Band abgelehnt, war doch eine der Bedingungen, dass sie oben ohne auftreten sollten. Das zeigt auch wie toxisch das gesellschaftliche Klima damals war. Es gibt zwar genügend Beispiele von so genannten “all female bands” die während ihrer Auftritte oben ohne auftraten, aber die allermeistens hatten gar keine Tonträger aufzuweisen und bewegten sich eher im Umfeld von Nachtclubs und Stripschuppen.

Nachdem den Liverbirds die Sackgasse im U.K. klar wurde, ging man daran etwas für die Karriere zu tun und ergatterte von Manfred Weissleder 1964 einen Vertrag für den Star-Club, Und überraschenderweise waren die Liverbirds damals in Deutschland ein ziemlicher Erfolg. Im selben Jahr kam auch schon ihre erste Single auf den Markt und 1965 das Debut Album. Ich weiss nicht ob die Band sich das vorgestellt hatte, aber es gab nie mehr einen Liveauftritt im U.K. und bis zu ihrer Auflösung im 1968 war Deutschland die Heimbasis der Band. Einige Mitgieder blieben auch nach dem Ende der Liverbirds in Deutschland.

Die Fernsehauftritte waren z.B. im September 1965 im Beat-Club (mit dem erwähnten Interview) oder in der aktuellen Schaubude. Mehrfache Tourneen in Deutschland und dem angrenzenden Ausland kamen über die Jahre zusammen. Und natürlich war das Magazin Bravo mit dabei, die Liverbirds medial zu pushen. Nach einer Tour durch Japan (ja, doch!) war dann aber Feierabend mit der Band und erst eine kurzlebige Reunion in den 90ern brachte die Liverbirds wieder zurück.

Die Tour in Japan war aber schon eine abgespeckte Version der Band, wurden doch zwei Mitglieder kurzfristig ersetzt durch Christiane Schulz (Guitar) und Renate Wassermeyer (Drums). Die Musik? Irgendwie typisch für diese Zeit, zwischen Beat und R&B (englischer Prägung) changierend, aber sauber und kompetent gespielt (auch wenn gewisse Angebertypen das nicht wahrhaben wollten). Allerdings waren die Liverbirds immer vorwiegend eine Coverband, aus ihrem Repertoire sind mir nur drei Eigenkompositionen bekannt. Die Alben:

The Liverbirds – Star-Club Show 4 (LP und CD)
The Liverbirds – More Of The Liverbirds (LP und CD)
The Liverbirds – Fom Merseyside To Hamburg – The Complete Star-Club Recordings (CD)
The Liverbirds – Same (japanische CD)

Es gibt da noch eine LP “The Rattles Meet The Liverbirds”, aber ich glaube, die kann man sich schenken (und die vier erwähnten LPs bringen einfach die gleichen Tracks in unterschiedlichen Zusammenstellungen).  Die Merseyside gibts in grosser Auflage auch als Fehlpressung “Mersyside”. Aber auf “Merseyside/Mersyside” sind wirklich alle Tracks versammelt, so dass man nicht gross ins Geld gehen muss. Original Alben sind schon eine ganz andere Baustelle und manche der Singles ebenfalls. Vor allem die einzige japanische 7″ ist nahe am vierstelligen Durchbruch.

Kurz noch der Verweis auf das neu erschienene Buch “The Liverbirds – Our Life In Britain’s First Female Rock’n’Roll Band” von Mary McGlory und Sylvia Saunders. Das Buch liegt hier zwar schon einige Zeit, aber ich kann mich nicht dazu äussern, bin ich schlichtweg doch noch gar nicht dazugekommen es zu lesen.

 

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