☺ Perfect ☺ Sounds Of Blue ☺ Chicken Shack ☺ Fleetwood Mac ☺ McVie ☺
Wie so oft entstehen neue Beiträge aus dem realen Erleben heraus. Diesmal beim genießen des Konzertes »The Dance« (1997) von Fleetwood Mac im Rahmen des diesjährigen Rock Around The Clock von 3SAT. Ich möchte aber nicht so viel auf diese Live-Veranstaltung in den kalifornischen Warner Brothers Studios Burbank eingehen, die dann dort mit dem Aufmarsch einer Marsch-Musik-Kapelle endete. Nicht ganz, denn den letzten Glanzpunkt setzte auch hier Christine McVie mit dem als Solo vorgetragenen »Songbird« vom 77er-Multi-Platin-Album Rumours. Danach kam nur noch die Verbeugung vor dem ausgesuchten erlesenen Publikum. Ich selbst stand auch schon mal Anfang der 80iger vergeblich vor den Toren dieses Studios für Kenny Rogers an. Keine Karten mehr, wenn aber denn verfügbar gewesen wäre, damals auch sicher unbezahlbar für mich.
Christine Perfect – Wie immer noch so oft selbst in der heutigen Zeit, stand diese Dame leider sehr oft im Schatten ihrer männlichen Wegbegleiter. Die in einem kleinen Dorf in der nordenglischen Provinz Lancashire am 12. Juli 1943 geborene Christine Anne Perfect war Tochter eines Konzert-Violinisten und einer Wunderheilerin. Diese besondere Pärchen-Kombination regt schon die Fantasie an für Spekulationen und viele unausgesprochene Annahmen über die Jugendjahre von Christine. Die häusliche Situation regte sie sicher auch an im Alter von nur vier Jahren mit dem Klavierspielen zu beginnen und mit 11 Lenzen dann noch etwas ernsthafter zu vertiefen und studieren. Bereits mit jugendlichen 15 hatte sie für sich den puren Rock’n’Roll entdeckt, sich auch sehr früh leidenschaftlich in diese wilde Musik verliebt. Dies auch noch hier in einen sehr von Männern dominierten Bereich der Rock-Musik. Während ihres fünfjährigen Studiums der Bildhauerei an einer Kunsthochschule Nähe Birmingham, tauchte sie als Musikbegeisterte zwangsläufig auch in die lokale Musikszene von Stourbridge (Region West Midlands) ein und trat dort 1964 der Band Sounds Of Blue als Sängerin und Pianistin bei. Zu den weiteren ursprünglichen Mitgliedern gehörten der Bassist Andy Sylvester, der Gitarrist Stan Webb und der Saxophonist Chris Wood (Locomotive, Mitgründer Traffic). Nach einer Reihe von Schlagzeugern wurde Dave Bidwell 1966/67 dann der feste Schlagzeuger. Als Christine ihr Studium Lehramt abschloss, löste sich Sounds Of Blue auf und sie zog wie viele andere junge wilde Künstler weiter zum Schmelztiegel London. Mit den drei ehemaligen Bandmitgliedern Dave Bidwell, Andy Silvester und Stan Webb fanden sie sich dort bereits 1967 in der britischen Blues-Rock-Band Chicken Shack zusammen, wo Perfect wieder Klavier spielte und auch den Gesang beisteuerte. Natürlich sind diverse fantastische Frontfrauen von beispielsweise verschiedener Folk-Rock-Ensembles gut bekannt. Eine Aufzählung erspare ich mir wie immer, aber einige davon habe auch ich bereits hier im Rockzirkus vorgestellt. Mit der britischen Blue-Rock-Legende Chicken Shack nahm Christine Perfect die ersten beiden Vinyl-Klassiker »Forty Blue Fingers, Freshly Packed And Ready To Serve« (1968) und »O.K. Ken?« (1969) auf, bevor sie dann bereits 1969 schon wieder ausstieg. Sie war die prägende Vokalistin auf deren Chart-Hit, einer Etta-James-Version des Blues-Klassiker »I’d Rather Go Blind« (von Ellington Jordan, Bill Foster), der in Großbritannien sogar in den Top 10 landete. Nach ihrem Ausstieg beim Hühnerstall Chicken Shack, die hießen dann ab 1978 rechtebedingt Stan Webb’s Chicken Shack, nahm sie 1970 ein etwas unbeachtetes selbstbetiteltes Solo-Album für Blue Horizon auf. Darauf erschien »I’d Rather Go Blind« auch noch einmal als Appetithappen für die Käufer. An diesem Solo-Album waren auch schon die Macs John McVie, inzwischen waren Christine und John ab 1968 sogar ehelich verbunden, sowie Danny Kirwan beteiligt. Während einer UK-Tour im Vorprogramm von Fleetwood Mac, beide veröffentlichten bei Blue Horizon, lernte Christine 1967 John McVie kennen und lieben, den sie dann auch später heiratete. Christine verließ Chicken Shack, wurde dort durch Paul Raymond ersetzt und schloss sich schließlich dann Fleetwood Mac an, man dort Platz für Peter Green. Und damit geht die Geschichte in die nächste turbulente und spannende Phase. Die ultimative Version des Perfect-Debüts von 1970 gibt es klanglich aufgearbeitet als »The Complete Blue Horizon Sessions« (2008), aber hier ohne den Blues-Klassiker »I’d Rather Go Blind«. Jedoch mit dem unveröffentlichten Studio-Titel »Tell Me You Need Me«, die Single-A-Seite bei Blue Horizon (S 57-3172) »I’m Too Far Gone (To Turn Around)« und drei Nummern einer BBC-Session (Dave Lee Travis Sunday Show vom 24. November 1969) in Mono sowie einem sehr informativen 16-seitigen Büchlein. Wie viele Alben von Chicken Shack, ebenso ein Vermächtnis von sechszehn puren Perlen der britischen Blues-Rock-Geschichte.
Christine McVie 1 – In den End-60er und 70er stand Christine McVie während der meisten turbulenten Veränderungen des britischen Blues-Rock-Flaggschiff Fleetwood Mac auch mit im Auge des Hurrikans, trug mit ihrer femininen aber dennoch kräftigen Stimme und ihren herrlichen, großzügigen Melodien dazu bei, die Entwicklung dieser Band vom bluesigen Rock über verspielteren Prog zum publikumsnahen Pop zu begleiten. Diese Fähigkeiten waren zuerst auf den progressiveren Alben, die Fleetwood Mac während ihrer Übergangszeit aufnahm, als Christine sich das Rampenlicht mit dem Gitarristen Bob Welch teilte, sehr deutlich zu hören. Ich habe insgesamt 50 Ton/Bildträger und 30 weitere von Peter Green, Bob Welch, Splinter Band, Paris und weiteren Protagonisten im Dunstkreis. Wie ich schon mehrmals schrieb, Fleetwood Mac ist eine Band die extrem polarisiert. Kaum ein Fan der die Blues-Rock-Phase liebt ist auch von der Pop-Phase begeistert, genauso in beide Richtung ausgehend von der Rock-Prog-Phase. Ich finde in allen drei Bereichen Perlen. Bitte hierzu im Beitrag zum Dunstkreis von Bob Welch und Paris weiterlesen. Bereits 1968 hatte Christine McVie auf dem Fleetwood Mac Debüt-Album »Mr. Wonderful« Keyboards als Gast beigesteuert, obwohl sie damals noch festes Mitglied von Chicken Shack war. Beim vierten Album »Kiln House« (08-1970) zeigte Christine sich sogar verantwortlich für das Artwork, bei »The Original Fleetwood Mac« (05-1971) war sie bereits Gast an Piano und Keyboards. Danach kam dann die unterbewertete Phase mit Bob Welch. Schon in ihren Gastrollen beeinflusste sie sofort den Stil von Fleetwood Mac, später war sie maßgeblich für den riesigen Erfolg der Pop-Titanen verantwortlich.
FleetWelch Mac – Die Meisterwerke, zuletzt mit »English Rose« und dem Saiten-Virtuose Greeny aka Peter Green, waren ja schon lange Geschichte bei den britischen Blues-Rockern, dann auch Gitarrist Jeremy Spencer. Wieder mit stabiler Mannschaft und etwas neuer Ausrichtung folgt nun die Phase mit Bob Welch (1971-1974), von dem wir alle, wenn er nicht so früh wieder abgetaucht wäre (auch wieder so ein Thema für die Tragischen Rocker), noch einiges zu hören bekommen hätten. Mit Robert Lawrence Welch Junior kam eine progressivere, facettenreichere Nuancierung zum erdigen oder sanften Blues hinzu. Meines Erachtens die musikalisch stärkste, gehaltvollste Zeit der Mac’s, aber auch leider die am wenigsten beachteste !! Hier erarbeitet sich der Gitarren-Partner von Danny Kirwan und Bob Weston das weitere Rüstzeug für seine späteren Karriereschritte. In den sechszehn Monaten mit dem Saiten-Duo Kirwan-Welch entstehen »Future Games« (1971) und »Bare Trees« (1972), mit den großartigen Kompositionen »Future Games« (Christine’s älterer Bruder John Perfect steuert hier Saxophon-Arbeiten dazu) und »Sentimental Lady« (wird Ende 1977 ein Hit auf Bob’s erstem Solo-Album »French Kiss«). Mit dem Welch-Weston-Duo entstehen dann 1973 »Penguin« und »Mystery To Me« (Hit: »Hypnotized«). Mit dem Album »Heroes Are Hard To Find« (1974) ist dann auch diese mehr als vierjährige Phase abgeschlossen und Fleetwood Mac wendet sich dann mit dem Pärchen Lindsey Adams Buckingham (Gitarren) und Stephanie Stevie Nicks (Gesang) einem ganz anderen Publikum zu. Das ist aber ein anderes interessantes Thema. Vermutlich nicht für den Rockzirkus, aber hier beim Thema Christine McVie vielleicht doch noch kurz. Alle aufgeführten Alben plus »Then Play On« (1969), »Kiln House« (08-1970) und »Live From The Record Plant 1974« (1974, Rarität) gab es kürzlich als 8CD-Box (auch 5LP+1Single, als »1973-74«) mit immerhin 20 Bonus-Titeln. Danach versuchte es Bob Welch allein, unterstützt wird er Ende der 70er von seinen ehemaligen Kollegen von Fleetwood Mac. Elf Titel von seinem Solo-Debüt »French Kiss« waren allesamt für das dritte Paris-Album geplant, nur »Sentimental Lady« ist eine Neu-Aufnahme seines erfolgreichen Fleetwood Mac Song vom Album »Bare Trees« (1972). Die gesamte 1977-Mannschaft der Mac’s spielte den schönen Song zusammen mit Bob Welch noch einmal neu ein. Das Album war mit den zwei weiteren Hits »Ebony Eyes« und »Hot Love, Cold World« das meistbeachtete Werk des US-Gitarristen überhaupt. Auch hier leistete Christine McVie wie bereits seit Zeiten bei Sounds Of Blue vorbildliche kollegiale Unterstützung.
Christine McVie 2 – Als dann Lindsey Buckingham und Stevie Nicks 1975 zur Gruppe stießen, verwandelte sich Fleetwood Mac scheinbar über Nacht in ein Pop-Rock-Kraftwerk. Ein ähnliches Chamäleon war ja auch Chicago, die mit progressiven Jazz-Rock begangen und dann noch extremer in das Soft-Pop-Lager wechselten. In den nächsten zwölf Jahren überragte die Gruppe die weltweiten Pop-Charts, oft dank der grandiosen Hits von Christine McVie. Die stürmische Beziehung von Buckingham und Nicks und die von ihnen inspirierten Songs sorgten oft für die großen Schlagzeilen, aber McVie schrieb und sang unaufgeregt die meisten der Riesen-Hits der Gruppe, darunter »Over My Head«, »Say You Love Me«, »Don’t Stop«, »You Make Loving Fun«, »Hold Me«, »Little Lies« und »Everywhere«. Christine McVie nutzte nach »Mirage« (1982) eine Kreativ-Pause von Fleetwood Mac um 1984 für ein gleichnamiges zweites Pop-Rock-Album, das den Top-Ten-Hit »Got A Hold On Me« sowie »Love Will Show Us How« hervorbrachte, als Solistin aufzunehmen. Mit ihren Kumpels Todd Sharp (Gitarre, Gesang), George Hawkins (Bass, Gesang) und Steve Ferrone (Drums, Perkussion) machte sie sich an dieses Solo-Album »Christine McVie«. Im Laufe der Aufnahmen, hauptsächlich aufgenommen in den legendären Mountain Studios in Montreux, kam prominente Unterstützung von Leuten wie Lindsey Buckingham, Mick Fleetwood, Eric Clapton, Ray Cooper oder Steve Winwood hinzu. Auch der Ohrwurm »Keeping Secrets« bot eine raffinierte Mischung aus Fleetwood Mac und den damals auf dem Höhepunkt ihrer Popularität befindlichen The Police. Das abschließende »The Smile I Live For« war eine von diesen unvergleichlichen Piano-Balladen, die niemand so anrührend interpretieren konnte wie Christine McVie. Bereits 1995 fasste Christine McVie den Entschluss die Band Fleetwood Mac zu verlassen, war jedoch noch bei der Comeback-CD »Time« (1995) sowie der folgenden Amerika-Tour »The Dance« bis 1998 noch einmal dabei. Damit ist hier nun der Bogen zum Eingangstext gespannt. Bei »Say You Will«, dem letzten Album von Fleetwood Mac aus dem Jahr 2003, wirkte sie nur als Gastmusikerin mit. Ganze zwanzig Jahre später veröffentlichte sie noch das dritte Soloalbum »In The Meantime« (2004), nachdem sie Fleetwood Mac nach deren erster Wiedervereinigung mit Buckingham und Nicks 1998 endgültig verlassen hatte. Hier arbeitete sie wieder mit ihrem Bruder John sowie auch Neffen Daniel Perfect zusammen. Später kehrte Christine 2014 für eine weitere Reunion sowie dazugehörige Tournee in die Band zurück. Das führte dazu das sie und Buckingham im Juni 2017 ein gemeinsames Album veröffentlichten an dem auch Ex John McVie und Mick Fleetwood mitarbeiteten. Das dieses Duo-Album nicht unter der Flagge Fleetwood Mac veröffentlicht werden konnte, was es durchaus hätte werden können, lag ausschließlich an Krawall-Schachtel Stevie Nicks. In den nächsten zwei Jahren tourte sie weiterhin mit Fleetwood Mac und McVie sowie Stevie Nicks unterstützten 2020 noch Neil Finn, der als Mitglied der Gruppe mit getourt hatte, bei der Wohltätigkeitssingle »Find Your Way Back Home«. Ihre Soloarbeit wurde im Juni 2022 auf einer Retrospektive von Rhino-Records mit dem Titel »Songbird: A Solo Collection« gefeiert. Es war das letzte Album, das zu ihren Lebzeiten veröffentlicht wurde, da sie am 30. November 2022 nach kurzer Krankheit dann 79-jährig verstarb. Ihr Tod wurde von ihrer Familie über die sozialen Medien bekannt gegeben.
Christine war von 1968 (Trauzeuge: Peter Green) bis zu ihrer Scheidung 1976 mit John McVie und von 1986 bis zu ihrer zweiten Scheidung 2003 mit dem portugiesischen Songschreiber und Keyboarder Eduardo Quintela De Mendonca (2020 verstorben) verheiratet. Von 1979 bis 1982 war sie mit Dennis Wilson von den Beach Boys zusammen. 1990 zog sie in ein unter Denkmalschutz stehendes Tudor-Gutshaus in Wickhambreaux, Nähe Canterbury in Kent, in das sie sich nach ihrem Ausstieg bei Fleetwood Mac 1998 zurückzog und an ihrem Solo-Material arbeitete. Christine ließ sich von der ländlichen Umgebung und dem Haus inspirieren, schrieb dort nicht nur Songs, sondern restaurierte es auch noch. Nachdem sie dann 2014 zu Fleetwood Mac zurückgekehrt war, verbrachte McVie jedoch mehr Zeit in London und bot das Haus 2015 zum Verkauf an. Indirekt war Christine Anne Perfect an über 100 Millionen weltweiten Albumverkäufen für Fleetwood Mac mit verantwortlich. 2006 wurde McVie mit dem »Gold Badge Of Merit« der British Academy Of Songwriters, Composers And Authors ausgezeichnet.
Über die beiden Namensgeber Mick FLEETWOOD, auch über John MACVie, wurde immer viel berichtet. Aber über Christine Anne, die immerhin genauso lange sowie darüber hinaus auch bei Chicken Shack und auch Solo eine beachtliche Karriere vorzuweisen hatte, wird kaum etwas berichtet. Damit natürlich ein signifikantes Thema für den Rockzirkus. Wer sich noch intensiver mit Christine Perfect und ihre Musik sowie Fleetwood Mac beschäftigen möchte, dem empfehle ich die verschiedenen Beiträge hier im Rockzirkus.
Wer sich weiter für ähnliche Themen interessiert, folgt den Weiterleitungen unten:
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