Zwei dicke Freunde mit Mega-Hit, aber mit sehr wenig Glück danach !!
Wieder so ein Kandidat wie Rory Gallagher, Alexi Laiho (Children Of Bodom), Ian Fraser „Lemmy“ Kilmister oder Walter Trout. Saufen bis der Sensenmann kommt. Das hatte in jedem Jahrzehnt auch ihre prominenten Opfer. Beim Blues-Titan Walter, den habe ich zuletzt beim Woodstock Forever Festival im August 2022 voll in Aktion erlebt, hat das nur bedingt geklappt. Beim SchoTTen Gerald Rafferty etwas besser. Unser Schatzgräber mellow hat sich Mister Gerry Rafferty im Rockzirkus ja schon ausführlich angenommen und in seinem Beitrag kann die gesamte Erfolgsgeschichte von diesem tragischen Künstler detailliert nachgelesen werden, ich ergänze und vertiefe in meinem Beitrag nur einige Aspekte. Ich starte meine Geschichte als er sich mit seinem Schulfreund und musikalischen Zwillingsbruder Joe Egan (bürgerlich Seosamh MacAodhagain) – mit dem hat er ein Jahrzehnt erfolgreich bei The Fifth Column, The Mavericks, dem 1972er Solo-Gerry »Can I Have My Money Back?« und den Schottisch-Folk-Rocker Stealers Wheel bis 1975 zusammenarbeitete – komplett zerstritt und das große Drama seinen Lauf nahm. Die ständigen über fast zwei Jahre andauernden Auseinandersetzungen wegen dem dritten Album »Right Or Wrong« von Stealers Wheel waren sicher sehr belastend für Joe (und Gerry). Egan’s Solokarriere wird trotz seiner beiden hervorragender Alben »Out Of Nowhere« (1979) und »Map« (1981) aber wieder schnell aufgegeben, seine Spuren verlaufen sich dann im dichten Dschungel der Musik-Geschichte.
Etwas anders lief es am Anfang bei seinem kongenialen Partner Gerry Rafferty, der die wilden Punkjahre besser überlebte. Gleich mit dem Album »City To City« (1978, United Artists) und den ausgekoppelten Titeln »Baker Street« und »Right Down The Line« stieß er ins Zentrum der Charts vor. An dem Album waren unter anderem Vivienne McAuliffe (Affinity), Jerry Donahue (Fairport Convention, Fotheringay), Tommy Eyre (Illusion, The Sensational Alex Harvey Band, Zzebra), Andy Fairweather-Low (John Mayall, Mick Fleetwood), Micky Moody (Juicy Lucy, M3, Tramline, Snakecharmer, Whitesnake) und viele andere Könner beteiligt. Man kann hier ohne Übertreibung von einer echten All-Star-Besetzung sprechen. Vielleicht hätte man aber mit der Bezahlung des Saxofonisten Raphael Ravenscroft (Brand X, David Gilmour & Friends) nicht so derart knauserig sein sollen, denn Raphael bekam für seine Session-Arbeit und das unglaubliche Killer-Solo damals lumpige 27 englische Pfund, das auch noch als ungedeckten Scheck, Künstlerpech wie ich irgendwo lesen konnte. Allein für die verkürzte Single-Version von »Baker Street« sollte hingegen Rafferty über die Jahre mindestens 250.000 Euro an Autorentantiemen in seine Kasse bekommen haben. Aber derjenige der vergisst, wem er diesen Erfolg auch mit zu verdanken hat, der ruft dann auch manchmal die quälenden Dämonen herbei. Vermutlich hat auch der Maler & Grafiker John Patrick Byrne, der hat für Gerry von 1969 bis 2004 über ein Dutzend Coverbilder angefertigte, auch nur ein Hungerlohn bekommen. Vielleicht fühlte sich der introvertierte Musiker auch deshalb im Rampenlicht nie besonders wohl. Er versteckte sich stattdessen immer mehr hinter getönten Brillengläsern (siehe Titelbild), drängte sich nicht auf, oder schob sogar immer wieder seine Begleitbands freiwillig in den Vordergrund.
Mit den drei durchaus guten und niveauvollen Nachfolgern »Night Owl« (1979), »Snake And Ladders« (1980) und »Sleepwalking« (1982) konnte er dennoch den Mega-Erfolg dieses Rock-Pop-Ohrwurms nicht mehr wiederholen. Aber das lag nicht nur an den Alben, sondern unter anderem auch an den veränderten musikalischen Strömungen und Konsumverhalten in dieser Zeit. Und da war er auch nicht allein, denn auch so Künstler wie beispielsweise Al Stewart, Mike Batt, Leo Sayer, Chris Rea, John Martyn, Paul Weller, Chris de Burgh, oder auch einige andere hatten ähnliche Probleme; Folk-, Soft-, Pop-Rock und Power-Pop waren in den 80er nicht mehr besonders angesagt. Vermutlich war auch das ein weiterer gravierender Grund das Rafferty nicht mehr live auftreten wollte und die Bühnen der Welt mied wie der Teufel das besagte Weihwasser. Andere waren cleverer und waren auch mit kleineren Bühnen zufrieden. Er war in der Zeit zwar auch Edelhelfer bei seinem Bruder Jim Rafferty (1978: »Don’t Talk Back«), Richard & Linda Thompson (1979: »Sunnyvista«), Mark Knopfler (1983: »Local Hero«), aber auch das nutzte nichts. Gerry verschwand dann für längere Zeit aus den Charts und der Öffentlichkeit. Ende der 80er gab es dann mit »North And South« wieder ein zartes Lebenszeichen, bei »On A Wing & A Prayer« (1992) war beispielsweise der Lazarus Joe Egan wieder mit beteiligt und mit »Another World« (2003, Cover-Bild wieder von John Byrne) knüpft er endlich wieder an alte Zeiten an. Die Qualität seiner Arbeiten ist über das gesamte Werk immer überdurchschnittlich, einen ständigen Vergleich mit dem All-Time-Favorit »City To City« sollte man aber nicht ziehen. Das ist zweifelsfrei ein Ausnahmewerk !! Auch damit gibt es eine weitere Verbindung zu Al Stewart und »Year Of The Cat« oder anderen der oben erwähnten Künstler.
Im biografischen Bereich beschritt Gerry Rafferty hart und kompromisslos den Weg seiner fiktiven Figur in »Baker Street« und hangelte sich vom Pinchen zum Gläschen, vom Flachmann zur Schnapsflasche. Ehefrau Carla Ventilla Rafferty hielt das irgendwann nicht mehr aus, die Eheleute wurden dann 1990 geschieden, allerdings blieben sie weiter befreundet. Auch die gemeinsame Tochter Martha kümmerte sich weiterhin um ihren Vater, zumindest versuchte sie es, was aber nicht einfach war, da Gerry Rafferty nonstop in der Welt herumreiste, er lebte in Schottland, England, Italien (Toskana), Barbados und auch in Kalifornien war er zeitweise beheimatet. Sein massives Alkoholproblem bekam er nie mehr in den Griff, die skurrilen Gegebenheiten sind Legion. Auf Entziehungskuren folgte kurz nach Verlassen der Kliniken normalerweise der sofortige Rückfall in vorherige Gewohnheiten. 2008 wurde er zum Thema der britischen dämonischen Boulevardpresse als er spurlos aus einer Londoner Entzugsklinik verschwand, die bekannten heimischen Sensationsmedien überboten sich danach monatelang mit Spekulationen. Es wurde sogar gemunkelt er sei entführt worden, ganz typisch für diese Schmierblätter. Stattdessen hatte er sich mal wieder, klammheimlich in die sonnige Toskana abgesetzt, wo er ein großes Anwesen besaß, Geld hatte er ja auch dank Saxofonist Raphael Ravenscroft genug, um sich dort vor den manigfaltigen Dämonen zu verbarrikadierte und der bösen und düsteren Welt zu entkommen.
Wer zufällig über Rafferty’s letzte CD zu Lebzeiten »Life Goes On« (2009) stolpert sollte, zugreifen, sie enthält mit »Kyrie Eleison« (Mozart) und »Adeste Fideles« (Traditional: Oh Come All Ye Faithful) besinnliche Aufnahmen die darauf hinweisen, dass sich der angeschlagene Meister zuletzt mit (kirchlicher) Klassik beschäftigte. Nicht unbegründet, bei der Masse der heranstürmenden Dämonen. Nach seinem Tod erschien dann noch durch die Initiative seiner Tochter Martha die Resterampe »Rest In Blue« (2021, Parlophone) mit aufpolierten Material an dem Gerry seit 2006 arbeitete, aber dämonenbedingt nie fertigstellte. Daran haben unter anderem langjährige Weggefährten wie Hugh Burns (Gitarren), Dire Straits Keyboarder Alan Clark, sowie Tausendsassa Andy Patterson und viele andere mitgewirkt. Produzentin Martha hat versucht dem Material, das reicht zurück bis in die 70iger, den typischen Schliff der damaligen Zeit zu geben und die Stimme des britischen Song-Poeten in den Mittelpunkt gestellt. Damit noch einmal eine große Verbeugung vor dem scheuen Liedermacher.
Der im April 1947 im schottischen Paisley westlich von Glasgow ärmlich in einer Bergarbeiterfamilie aufgewachsene Gerald, litt als Kind massiv unter den Gewaltexzessen seines alkoholkranken irischen Vaters, schmiss nachdem Papa Rafferty im Jenseits war 16-jährig die Schule. Er jobbte danach in einer Metzgerei und starb nach einer erfolgreichen Karriere als Musiker am 04. Januar 2011 nach 2-monatigen Aufenthalt in einer Klinik in Bournemouth an multiplem Organversagen wegen einer aufgelösten Leber dann zuhause bei seiner Tochter Martha Rafferty in der englischen Kleinstadt Stroud (Grafschaft Gloucestershire). Sein musikalischer Lebensweg: ein Vollblut-Musiker, der schon als Kind erste musikalische Erfahrungen in katholisch Kirchenchören sammelte. Schon mit 21 begann er eigene Songs zu schreiben und sich als Straßenmusikant in London durchzuschlagen. Dann The Fifth Column (1966), The Mavericks (1967), The Humblebums (1969), Stealers Wheel (1971-75, Britanniens Antwort auf Crosby, Stills & Nash), dann allein Solo und weiter von »City To City« (ab 1978) in seine selbstgewählte Isolation bis zu seinem vorzeitigen Tod, einsam, von Dämonen verfolgt und durchaus viel zu früh. Damit ist auch seine Geschichte aus der tragischen Sicht hier nun erzählt.
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