NDM: The Ancestry Program – TAP

Komplexer progressiver Artrock als Klang-Triptychon aus Bavaria

TAP: Mysticeti Ambassadors P1

Leider bereits vor fast genau einem Jahr im November 2021 erschienen, dennoch aufgrund der hervorragenden Qualität und mit Blick auf den kommenden Nachfolger hiermit doch noch vorgestellt. Ich wiederhole mich, kann es mir inzwischen aber gut erklären warum solche Bands wie The Ancestry Program, kurz TAP, aus der Bavaria-Hauptstadt immer wieder unter dem Radar vieler Konsumenten und sogar Musik-Facharbeitern laufen. Schwieriger ist nachzuvollziehen, warum, wenn diese großartigen Kompositionen denn mal bekannt geworden sind, oft das Material von britischen Künstlern dennoch vorgezogen wird. Schon mit dem Debüt »Tomorrow« (2020) setzte das damalige Münchener Quartett eine signifikante Duftmarke. Kollege Martin Dambeck wurde damals schon von dem starken progressiven Geruch angelockt und hat gleich mal was Passendes dazu geschrieben (Empire Heft 136). Leider diesmal wieder unberechtigt zum zweiten Werk unter den Kurzbeiträgen einige Zeilen von mir. Nachfolgend stelle ich aber auch noch das Debüt »Tomorrow« vor. Ich bin bei einem Sommer-Festival glücklicherweise in den Genuss gekommen eines der letzten CD-Exemplare des zweiten Werkes »Mysticeti Ambassadors (Part 1)« zu bekommen. Keine Sorge, das Album wird voraussichtlich bei Progressive Promotion Records demnächst neu aufgelegt werden und laut Thomas Burlefinger wird bereits fleißig am zweiten Teil dieser musikalischen Geschichte gearbeitet. Ein Konzept über mehrere Alben ist nicht neu, aber in dieser hochwertigen Qualität und hier im deutschsprachigen Raum schon sicher beachtenswert zu erwähnen. Schon die Front- und Rückseite des 8-seitigen Digipack von »Mysticeti Ambassadors (Part 1)« mit zwei beeindruckenden Breitbandbildern, ist ähnlich wie beim Debüt ein echter Hingucker. Vorne: Ein Schwarm Roboter-Wale schwebend in einem Medium in einer fernen Zukunft auf Planet Erde oder einem anderen Ort sonst wo im Universum. Hinten: Eine wüste Marslandschaft. Auch das 16-seitige Büchlein ist in diesem Stil gehalten. Es gibt wenige Alben, bei denen ich viel über das Cover erzähle, aber es gibt immer wieder mal Ausnahmen. Beide Alben haben ein erstklassiges Frontbild, würde fast sagen echte Augenfänger !! Das inzwischen Quintett aus Multi-Instrumentalisten spielt hier, unter Mitwirkung einiger Gäste an Gitarren, Cello, Violine, Saxofone, ein erstklassiges progressives Art-Rock-Album ein. Die Musik knüpft nahtlos an den Erstling an, hebt meines Erachtens sogar die Qualität signifikant an. Ich erspare mir oft die Vergleiche zu anderen Künstlern, hier mal eine Ausnahme. Konzept, musikalische Ausrichtung und Qualität über alles erinnert mich an die Werke von Philipp Nespitals Projekt smalltape. Keine Musik zum Hören nebenbei, eher komplexere Musik bei der man zuhören sollte. Mir hat das überzeugende 75-minütige Werk sehr gut gefallen und ich freue mich auf »Mysticeti Ambassadors (Part 2)«. Am Ende des Beitrag gibt es eine schöne Fotostrecke.

TAP: Tomorrow

TAP steht kurz für The Ancestry Program (Ahnenforschung-Programm), ein Kürzel das man sich merken kann und sollte, das mit dem P an ELP oder die in der Heimatnähe lokalisierten RPWL aus Freising erinnern. Die Musik auf diesem großartigen Debüt »Tomorrow« (2020) kommt dabei auch schon dem Freisinger Urgesteinen recht nahe, progressive, abwechslungsreiche, zeitgemäße, sehr gut komponierte Musik mit Konzept und auch längeren Titeln inklusive. Vier Musiker aus dem Großraum München hatten eine Menge musikalischer und visueller Ideen, haben sich 2015 zusammengetan um gemeinsam parallel zu ihren anderen vielfältigen musikalischen Aktivitäten auch hier im progressiven Bereich eine ordentliche Duftmarke zu setzen. Das Quartett hat das getan und besteht im Kern aus den drei Multi-Instrumentalisten Andreas Lind (Schizofrantic, Freaky Fuckin‘ Weirdoz, Lind), Manni Gruber (Boysvoice), Thomas Burlefinger (Stormhammer, 7 For 4) sowie Front-Vokallist Ben Knabe. Unterstützt werden sie bei einigen Passagen von den Gästen Heiko Jung (Bass, Panzerballett) sowie Martin Kursawe (Gitarre) und Axel Kühn (Blass-Instrumente) beim schönen Titel »Human Key«. Nicht unerwähnt bleiben darf Jan Reiser, der zum einen auch dann für das zweite Album-Design verantwortlich war, sondern auch schon hier für das Debüt mit spektakulären Design und Art-Work der 24-seitigen Ausgabe im Format Mini-Büchlein verantwortlich zeichnete. Daran sollten sich auch andere hochdotierte Künstler im progressiven Bereich mal ein Beispiel nehmen, die mit zunehmender Bekanntheit immer lieblosere Produkte auf den Markt bringen. Natürlich gibt es auch da einige Ausnahmen. Besonders auf dem LP-Cover der auf 320 Stück limitierten Vinyl-Ausgabe kommen die futuristischen Zeichnungen einer humanoiten Roboter-Dame im Terminator-Outfit und grünen Zweig im Mund sehr schön zur Geltung. Ich konnte mich davon bei einem Festival hautnah überzeugen, denn ein geschätzter Kollege hatte dort ein Vinyl-Album für seinen Sohn gekauft !! Und passgenau knüpft die wundervolle Musik dieser prallvollen CD, beziehungsweise Doppel-Vinyl, an das Gesamt-Konzept an. Dass dieses Münchener Projekt The Ancestry Program mit ihrer enormen Bandbreite natürlich an verschiedene andere Bands aus Vergangenheit bis heute erinnert, sollte für Niemanden eine Überraschung sein. Ich erspare mir wie üblich diese Vergleiche. Aber die moderne progressive Musik von TAP hat trotz Nähe zu bekannten Melodien und Klangmustern auch immer wieder Überraschungen parat. Schon nach dem knapp 1-minütigen sphärischem »Silver Intro« geht es bei »Silver Laughter« schon mal ordentlich krachend zur Sache. Alle Musiker können hier ihr Fähigkeiten virtuos ausspielen und Ben Knabe verbindet alles mit einer in Ausdruck und Variation starken Vokalleistung. Bei einigen Titeln, alle mit Spielzeiten zwischen sechs und elf Minuten, gibt es sogar Passagen mit dosierten, gut platzierten Growls, ähnlich wie bekannter weise in einigen Metal-Genres verwendet. Gut platziert ist auch der Einsatz von gleich mehreren Blasinstrumenten durch Gast-Bläser Axel Kühn; Saxofone, Flöten, Klarinette; im bereits erwähnten »Human Key«, das insgesamt etwas düster wirkt. Aber diese Klangmuster hätte TAP jedoch für meinen Geschmack auch noch etwas mehr einsetzen können. Hier gibt es natürlich etliche sehr gute bekannte Beispiele aus den 70er. Aber auch hier, die Münchener orientieren sich nicht Retro, knüpfen zwar an die erfolgreichen Zeiten der Vergangenheit an, sie setzen aber vital und modern ihr eigene frische Duftmarke. Ich habe lange gesucht, auch nach vielen Durchläufen sind mir keine Punkte zum Meckern aufgefallen. Einige Passagen wären mittels füllen mit dosierten klassischen Streich-Instrumentar noch perfekter. Das ist aber keine Kritik, sondern nur meine persönliche Sicht. Beim nachfolgenden »Mysticeti Ambassadors (Part 1)« hat man dann tatsächlich auch diesen Ball gespielt und gewonnen. Aus dem ursprünglichen Studio-Projekt ist bereits auch eine Live-Band geworden, weitere feste Bandmitglieder nun Live und im Studio, Gitarrist Wolfgang Zenk (7 For 4, Sieges Even) und am Bass Frank Thumbach (Klima, Rock Antenne Band, RPWL). Ein rundum überzeugendes, abwechslungsreiches Debüt mit Bandbreite von Art-Rock bis Prog-Metal, Growls-Allergiker müssen sich wegen ein paar Groll-Momente keine grauen Haare wachsen lassen, ein insgesamt ausgesprochen einfallsreichen, frisch-modernes, gut eingespieltes Album, das nach einem ebenbürtigen Nachfolger schreit. Das erschien zum Jahresende 2021.

The Ancestry Program: Promo 1

The Ancestry Program: Promo 2

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Fotostrecke The Ancestry Program beim Art-Rock-Festival in Reichenbach, Vogtland (2023)

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