4 Tage Hippie-Leben wie Woodstock – Wetter, Technik, Organisation waren hier besser
Pandemische Woodstock Forever – Ob das Woodstock Forever Festival 2021 im südlichen Teil des Thüringer Walds, genauer gesagt im idyllischen Auenland des Dorfes Waffenrod, Stadtteil von Eisfeld, stattfinden könnte, war sehr lange nicht ganz sicher. Nach nimmermüden Bemühungen der Veranstalter Michael Memm und Tochter Melanie sowie Umsetzung von einigen geforderten Auflagen gab das Motto dann letztes Jahr die Richtung an: „Wir finden statt!“ Und wie eine der wenigen großen deutschen Freiluft-Veranstaltungen 2021 stattgefunden hat, darüber berichteten wir ausgiebig. Schon letztes Jahr waren einige organisatorische Änderungen vor allem wegen der Zunahme an Besuchern unbedingt nötig. Und diese Entwicklung hat sich 2022 nun positiv fortgesetzt. Das Festivalgelände ist zwar nun per Gitternetzzäunen in Camp und Bühnen getrennt und die vorher für alle Besucher frei zugängliche obere Bühne damit Geschichte. Das aufgerüstete 4-tägige Non-Stopp-Programm ist aber nun auf zwei gleichwertige Spielstätten aufgeteilt, der Spielplan optimal zeitlich versetzt. Technik in jeder Hinsicht, hier wie dort, auf höchstem Niveau und circa alle zwei Stunden wechseln sich die internationalen Attraktionen ab. Oben die Waldbühne auf einer sportplatzgroßen Rasenfläche mit einseitig erhöhter Geländestufe, dort aber auch mit extrem guter Sicht; sowie die altbekannte Hauptbühne unten im Hexenkessel an Hang und Scheune mit toller Aussicht in das Tal Richtung Bayern. Dort fand denn auch wie immer der Abschluss des jeweiligen Tages statt: mit My Baby, Kamchatka und Physical Graffiti. Drei würdige Kandidaten die durchgängig mit glasklaren Sound für Unruhe und rhythmischen Klanggewitter vor dem späten Schlafengehen gesorgt haben. Weiterhin lud zeitlich dazwischen die kleinere sehr beliebte Parkbühne im Grüngürtel zwischen den beiden Hauptschauplätzen immer wieder zu einem zusätzlichen Konzert ein, dort gemütlicher bei Club-Atmosphäre, aber eben dennoch nicht zum Verschnaufen. Auch hier ein sehr ausgewogenes hochkarätiges Programm, das durch ständiges Verweilen Schulter-an-Schulter unterstrichen wurde. Die Ständler haben ebenso Zuwachs bekommen, man kann regelrecht von einem kleinen zentralen Händler-Genuss-Dorf sprechen, inklusive vieler Aktivitäten, Workshops, Aktionen; beispielsweise mit Yoga, Meditation, Malen & Färben, Nähen, Trommeln. Auch neu, mit dem Mittwoch ein vierter halber Tag obendrauf, die Eröffnung des Festivals gleich mit Volldampf voraus. Das Blues-Rock-Orchester Sixty Amp Fuse, die Bühne proppenvoll mit Musik-Personal, erst einmal mit bluesiger Mucke und danach mit Voodoo Room eine der angesagtesten britischen Tribute-Bands. Und auch schon bei diesen beiden Bands und zu später Stunde, ein enormer Zulauf nach unten Richtung Bühne zwischen Scheune und After-Show-Bereich. Dort wo dann später im täglichen Wechsel DJ Bunzel und DJ Electric ihr ruheloses Unwesen für viele Nachtschwärmer sorgen. Oben vom inzwischen optimal integrierten Restaurant, das wird von Michaels Frau gut geführt, klappt einem die Kinnlade runter. Unten auf den Freiflächen ein Gewimmel wie in einem Ameisenhaufen, selbst jetzt um Mitternacht. Ja ist denn hier Sommerschlussverkauf, nee, die Feierbiester sind ausgehungert und lechzen nach Live-Musik, kollektives Feiern, sommerliches Nachtleben. Und das bekommen sie fast vier Tage lang Nonstop bei bestem Wetter geboten.
Wald-Bühne – Die habe ich am Mittwochabend schon das erste Mal inspiziert, die Techniker waren zu später Stunde noch fleißig mit den finalen Arbeiten beschäftigt. Chef der Technik-Mission Elias von LS Professional verriet mir, das er Michael empfohlen hatte beide Bühnen gleich hochwertig auszustatten. Und das schon vorweg: es hat sich echt gelohnt!! Hier beim Woodstock Forever Festival werden wie im italienischen Veruno beim 2 Days Prog + 1 nunmehr Maßstäbe in punkto Gelände, Personal, Infrastruktur, Technik, Wohlfühlen gesetzt. Hier ist der Künstler König und die Gäste sind kaiserliche Hoheiten !! Was in Italien auf einer Bühne abgeht, hier gibt es sogar zwei gleichwertige Spielstätten mit Mega-Programm. Die imposante Wald-Bühne, mit täglicher Startzeit mittags, sieht man schon von weitem, der Weg dorthin ist gesäumt von Ständen aller Art und führt direkt, vorbei am geschickt platzierten Technik-Zelt, vor die große Bühne. Alles eingefasst mit Gitternetzzäunen die komplett verhangen sind mit bunten Bannern der letzten Festivals. Das Gefühl man schreitet in eine der großen überdachten Musik-Tempeln der Metropolen drängt sich einem auf. Der Unterschied ist, kein Hallendach vorhanden und der Blick geht offen in den Himmel und Wald. Schon zum Festival-Start steht mit der zierlichen Cynthia Nickschas eine renommierte und bereits mehrfach ausgezeichnete, wenn auch in der Rockszene noch nicht so bekannten Musikerin, mit ihren sechs großgewachsenen Friends auf den Bühnen-Brettern. Sie spielt ein Lieder-Potpourri aus ihrer 10-jährigen Karriere und das breite musikalische Spektrum ist genau das richtige für die sich langsam versammelte Schar von Zuhörern. Ich zitiere mal aus einer Laudatio: „Du triffst den Nerv Deines Publikums so vibrierend, so präzise und so dauerhaft.“ Das kann ich bestätigen, der Vortrag dieser jungen bayrischen Künstlerin und ihrer versierten Combo macht Appetit auf mehr. Und das mehr kommt später ebenso aus Bayern von einer Band mit komplett anderer Musik. Ungewöhnlich für die hypnotischen Orange ist die frühe Tageszeit. Normalerweise tritt das rhythmische Natural-Trance-Projekt um Gesangsakrobat Rainer Von Vielen und Schlagzeuger Jürgen Schlachter fast immer zum Tagesabschluss an, dann meist in Lichtkaskaden, Laserstrahlen, Nebelschwaden gehüllte Endlos-Jam-Sessions. Aber Michael geht Risiko und gewinnt. Der Auftritt wird trotz des sonnigen Nachmittags zu einem kollektiven Feiererlebnis, endlich kann man die ganz in weiß gewandeten Männer mal bei ihrer schweißtreibenden Arbeit an Trommeln, Didgeridoo und Synthesizern gut beobachten, und die Wirkung ist ähnlich wie nachts. Der dritte Streich am Donnerstag ist die britische Blues-Rock-Legende Hundred Seventy Split, die passend zum Festival das gesamte TYA-Programm vom legendären 69-Woodstock spielen. Von »Love Like A Man« bis »I’m Going Home« ist es ein Pafoursritt durch das klassische Material von Ten Years After, aber auch das HSS-Material fügt sich gut ein. Für viele, auch für mich als Blues-Rocker, ein Filetstück des Festivals. Am nächsten Morgen geht früh der Sound-Check los, ich kann die Bühne von meiner Schlafstätte gut beobachten. Dank Organisations-Chefin Melanie habe ich einen Standplatz mitten im Dorf. Und gleich zu Mittag brodelt es oben am Waldrand. Mit B.I.R.D. steht eine Gruppe junger deutscher Musiker auf der Bühne, interpretieren gekonnt bekannte Mega-Hits der 60er bis 80er, sie selbst waren da alle noch nicht geboren. Und so gut, das man meint die Originalen spielen hier auf. Michael hat mit seinem Woodstock-Riecher – zurück zu den Wurzeln, zurück zu Liebe, Frieden, Hippie 60er – die sensationelle Qualität dieser Truppe früh erkannt und sie bereits für weitere Events gebucht. Mich haben Katz & Philipp Graf, Marko Burkhart, Jonas Jenet, Tobias Schwarz, Chris Geenen mit ihrem Mix der Ohrwürmer im zeitgemäßen Gewand restlos begeistert. Vielen anderen ging es ebenso, das konnte man bei der Besucherzahl und in deren Gesichtern sehen. Und mit frischer, tanzbarer Folk-Jazz-Pop-World Klangwelt und Tanzeinlagen aus den Niederlanden geht es am Waldrand in die nächste Runde. Unser Bild-Reporter Marvin Brauer war letztes Jahr schon völlig begeistert: die herzlichste Band des Wochenendes. Jetzt verstehe ich es endlich. Warum einen Aerobic-Kurs besuchen, hier beim achtstimmigen Multi-Instrumental-Ensemble The Magic Mumble Jumble um die authentischen Vorturner Leah Uijterlinde und Paul Istance ist kollektives gemeinsames Fitmachen Band & Publikum ein wichtiger Teil der gemeinsamen Zeit. Ich stehe auf dem erhöhten Wall, ein ständiges zucken in allen Gliedmaßen, für mich ist es sehr ergreifend, diese große Masse an fröhlichen Menschen jeden Alters in herzlicher Verbundenheit zu beobachten. Man spürt förmlich die pure positive Energie, die wunderbare Atmosphäre, den zeitlosen Geist von Woodstock Forever, hier und jetzt. Schön bei der Party dabei gewesen zu sein. Pausieren oder Weiterfeiern vor den anderen Bühnen?? Hier präsentiert erst zum späten Abend hin Dauergast Miller Anderson mit Blues-Band seine Lieder von zwei Dutzend Karrierestationen. Die Protagonisten aufzuzählen mit denen Woodstock-Veteran Mill bisher zusammengearbeitet hat, würde etwa so umfangreich sein wie dieser komplette Beitrag. Er ist krankheitsbedingt noch etwas angeschlagen, sitzt umringt von seinen vielen Saiten-Instrumenten etwas verloren mittig auf der Bühne. Band-Dompteur und Tastenmann Frank Tischer hatte ja bereits mit der Hamburg Blues Band als Gast auf der Hauptbühne seine Sternstunde des Woodstock Forever. Aber auch hier war, in seiner laut Mill besten Miller Anderson Formation, wieder verlass auf Frank. Das unaufgeregte, sehr präzise Gitarrenspiel in Kombination mit dem ausdrucksvollen Gesang des britischen Aushängeschilds trugen wie gewohnt das gesamte Konzert diese Rock-Dino. Die Sonne geht am Samstag auf und heute eröffnen die Plauener Polis die progressive Trilogie auf dieser Bühne. Andreas Sittig, Christian Roscher, Christoph Kästner, Marius Leicht, Sascha Bormann kommen so früh am Tag schwergängig in Fahrt, aber sie steigern sich jede Minute bis zum großen Finale. Schwerpunkt ist das Album »Weltklang«, aber es gibt auch älteres und unveröffentlichtes Material. Ich habe die Salzburger Band Blank Manuskript bereits beim diesjährigen Night Of The Prog erlebt und nicht nur ich war überrascht wie kurzweilig die Salzburger ihr sperriges Material präsentieren. Backstage spreche ich kurz mit beiden Bands und beglückwünsche sie für ihre guten Auftritte. Schon seit Mittwoch sprechen viele Besucher ehrfürchtig von den Gästen aus Südamerika, von Flor De Loto aus Peru’s Hauptstadt Lima. Ich habe seit 2019 auf diesen Augenblick gewartet, die fünf Musiker ebenso, fast drei Jahre. Nun liegen wir uns in den Armen und die Freude ist grenzenlos. Endlich wieder in Europa, endlich ein deutsches Festival, danke für eure Geduld Melanie & Michael, endlich Woodstock Forever. Flöten-Derwisch Sergio Cuadros, hatte seinen großen ersten Gast-Auftritt auf deutschen Boden schon am Freitag mit der Hamburg Blues Band und den Gott des Höllenfeuer Arthur Brown. Höhepunkt ist aber der vom Publikum hochgelobte Auftritt des Quintetts. In Südamerika seit 1998 aktiv und Superstars müssen sie sich hier die Lorbeeren erst erspielen, die Truppe um Gründer Alonso Herrera und Langzeit-Gefährte Alejandro Jarrín schaffen es aber mit einem Sturm aus Anden-Folklore und leidenschaftlichen puren Rock & Roll.
Park-Bühne – An der kleinen aber feinen hölzernen Bühne, etwas versteckt im dicht bewachsenen Park zwischen den großen Spielstätten gelegen, kommt man unweigerlich im Tagesablauf öfters vorbei. Und mit dem Duo Kalter Kaffee aus Erfurt wird mit dem passend lokalem Motto »Thüringer Bratwurst« hier gleich Sogwirkung zu Beginn, Lachmuskulatur wird maximal trainiert, fast überstrapaziert. Virtuose Instrumentierung mittels Klaviertaste Björn Sauer und Gitarrensaite Tilo Schäfer, ironisch-witzige Texte und unmenschlich ansteckende Spielfreude sind die Visitenkarten. Seit 2004 zusammen, über 800 Auftritte mit klugen Klampfen-Klamauk, klassischem Klänge-Klumbatsch absolviert, das merkt man diesem kongenialen Gespann an. Und schon der nächste Künstler zeigt die Wertigkeit auch dieses Park-Programms. Psycho-Gitarrist Ax Genrich, immerhin sehr früher Wegbegleiter von Elektrolurch Mani Neumeier, spielt im Verbund mit Tieftöner Edgar Türk und Trommler Daniel Schwarz im hölzernen Bühnenhäuschen eines seiner berüchtigten psychedelischen Jam-Sets. Natürlich sind die zwei letzten selbstproduzierten Alben Schwerpunkt, aber Axel G. ist für seine spontan, ausschweifenden Improvisationen bekannt, erfreulicherweise auch bei seiner eingespielten Rhythmustruppe, die für solche Space-Trips souverän immer das Fundament lieferte. Der Tag im Park wird spät unter knallbunten Kunstlicht abgeschlossen mit dem kraftvollen, klassischen Rock-Trio Bölter. Gitarrist Philip ist erfahrener Virtuose und Kopf der Band, bringt noch mehr Erfahrung durch Heiko Peter hinterm Schlagzeug und Steffen Knauss am Bass mit in die rustikale Holzhütte. Hier wurde denn auch nicht lange gefackelt, dennoch vorsichtig um Brände zu vermeiden, gibt es schnörkellose rockige Lieder mit deutschen und englischen Texten sowie reichlich Spaßfaktor für die immer noch vielköpfige kuschelige Gemeinde im Park. Erste nächtliche Pause und am frühen Freitag-Nachmittag dann die Solo-Künstlerin Luisa Laakmann aus meiner Heimat Nordrhein-Westfalen an Mikro und akustischer Gitarre. Sie hat portugiesische Wurzeln und als Straßen-Musikerin in Europa sowie Südamerika viel Erfahrung gesammelt. Deshalb ist es für Luisa auch kein Problem – nur Teppich, Mikroständer, davor rote Topfpflanze und sie auf der kleinen Bühne – die schon recht ordentliche Traube Menschen mit ihrem viersprachigen Vortrag zu begeistern und mitzunehmen. Gelebter Minimalismus, aber hier sicher nicht bei Emotionalität und Nachdenklichkeit. Ein ruhiger, gelassener Einstieg, gut so, denn mit den beiden folgenden Bands am Nachmittag The Harvest Community aus Torgau/Leipzig und zum Rausschmiss dann nächtlich Dogma’n aus Thüringen sind zweimal deutscher Southern-Rock angesagt. Schon mit dem Bandnamen der Tribut und Hinweis auf den legendären Kanadier Neil Young und sein Meilenstein-Album »Harvest«. Die Musik zwischen schmeichelnden Folk und geradlinigen Rock, akustische Balladen, Ohrwurm-Hymnen und wilde Jams waren sein unverwechselbares Markenzeichen. Und all das erklingt hier auf dieser urwüchsigen, bebenden Bühne; wird von vier urwüchsigen Mannen würdig wiederbelebt und nahe am Original gespielt. Und die vier Thüringer Musiker; Robert Boddin aus Weimar (Bass), Andreas Saul aus Gotha (Gitarre, Blues-Harp), Lin Dittmann aus Erfurt (Schlagzeug, Keimzeit) und Michael Rötsch aus Weimar (Gesang, Gitarre); von Dogma’n legen mit ihrem explosiven Blues-Rock später noch eine Schüppe drauf. Die Vier sind haben schon einige Stars der Blues-Szene begleiten dürfen, spielen aber in Waffenrod ihr eigenes Material. Die kurzhaarige LD-Schlag-Maschinerie konnte ich schon zwei Wochen vorher beim Aqua Maria Festival (wir berichten) mit Shotgun Valium aus Erfurt auf der Bühne bewundern. Zweite nächtliche Pause und am frühen Samstag-Nachmittag dann der niederbayerische Solo-Kabarettist und sympathische Brutal-Poet Der Weiherer. Ungezügeltes, bissiges Mundwerk und ultrakomische Alltagsbeobachtungen seit nunmehr genau 20 Jahren und alles ist inzwischen Kult. Ebenso spartanisch wie tags zuvor Luisa, bewaffnet mit Gitarre, Mundharmonika und Mikro, fesselten seine schrulligen Geschichten sowie scharfer Polit-Aktivismus sofort die versammelte Menge vor der Bühne. Besonders haben es ihm immer seine lokalen Heimat-Politiker in Bayern angetan, wie er sagte, liefern diese Sprechpuppen ständig neues gnadenloses Kanonenfutter für seine schnörkellose Plauderei und Liedermacherei. Und mit dem Akustik-Trio Three To Remember wird es danach etwas Folkloristischer, wieder kommt bei gutem Sommerwetter Südstaatenflair auf. Als letzte Band auf der Parkbühne, sorgen drei gebürtige Honks aus dem Erzgebirge mit einem Cocktail aus geradlinigen klassischen Rock der 70/80er gemischt mit einem ordentlichen Schuss hartem Blues für Feierstimmung auf der Lichtung im Wald. Eben Musik ohne Sitzpolster und Stoßdämpfer, denn die Feierbiester stehen hier nun Spalier bis fast auf die Bühne. Heute strotzen die unverbraucht wirkenden jungen Männer von Shophonks – Toni Nickl, Rene „Del“ Gläser und Max Meyer – vor überschäumender Spielfreude und reißen mit ihrem Mix aus eigenem Material vom Album »Alone On The Road« und Rock-Klassikern leicht die Rockfans mit. Ein sehr würdiger Abschluss, der den Slogan von Veranstalter Michael unterstreicht: „Wir sind und bleiben ein echtes klassisches Rock-Festival, wir sind für immer Woodstock!!“ DANKE, besser hätte ich es auch nicht beschreiben können.
Haupt-Bühne – ATEMBERAUBEND wie Veranstalter Melanie und Michael das Thüringer Woodstock Forever Festival weiterentwickelt haben. 3 vollgepackte Tage, 3 exquisite Spielstätten, dort jeweils täglich 3 Konzerte, macht 27 Formationen Non-Stopp ohne zeitliche Überlappung und immer gut platziert sowie mit ausgezeichneter Spielfreude. Inzwischen Maßstab in jeder Hinsicht; Infrastruktur, Künstlerauswahl, Emotionalität; eben auch die gesamte Bühnentechnik inklusive Bedien-Personal ist Premium-Niveau. Das ist auch der Grund für diese üppige Berichterstattung. Und die Stars der Szene geben sich hier inzwischen freudig die Klinke in die Hand, besonders auf der Bühne unten an der Backstage-Scheune. Hierüber geht es nun im letzten Teil zu berichten. Die untere Bühne, abgeschirmt und am weitesten vom Camp entfernt, startet das geplante Tages-Programm als letzte Spielstätte, damit findet dort auch akustisch abgelegener von Frühschläfern und Ruhesuchende der Abschluss bis in die Morgenstunden statt. 2021 waren noch die alten Kraut-Rocker die dominierenden Künstler, diesmal die Blues-orientierten Formationen. Über viele habe ich im vorangegangen Text berichtet. Bereits Mittwochabend gab es Blues-Rock mit Sixty Amp Fuse und Voodoo Room, nach einer kurzen Nacht wird daran mit den Berlinern East Blues Experience genauso druckvoll angeknüpft. EBE wurde Anfang der 90er von Gitarrist Peter Schmidt gegründet, Ronny Dehn (Schlagzeug) und Jäcki Reznicek (Bass), beide auch Silly-Urgesteine, sind seitdem treue Weggefährten und mit Adrian Dehn auch heute an Bord. EBE haben massig eigenes Material, nach einer längeren Pause sind sie aktuell wieder taufrisch unterwegs, präsentieren wie eine US-Südstaaten-Band souverän das Material vom Album »Live« und »Make It Better«. Und auch der Mittelteil des Donnerstags bringt mit Man Legenden ins Rampenlicht. Bass-Zupfer Martin Ace, nun seit 1971 der absolute Dauerbrenner dieser britischen Legende, wirkt immer noch vital und lebensfroh. Während des Auftritt genehmigt er sich eine Flasche Rotwein und kommt dadurch immer mehr in Schwung, reißt seine drei Kumpel Josh Ace, James Beck und Shane Dixon mit zu einem immer größeren Spektakel. Was geht denn hier ab und wohin soll das denn noch führen. Ab Mitternacht wusste ich es dann. Zu der skurrilen Elektro-Welt des progressiven Alternativ-Indie-Rock von Cato & Joost van Dijck und Gitarrist Daniel de Vries vom phänomenalen Amsterdamer Trio My Baby. Harter treibender Blues-Rock trifft auf moderne Elektro-Beats. Dass alles geschickt zusammengesetzt, mit ausgeklügelter Technik verfeinert sowie durch Licht- und Visual-Effekten verstärkt. Hier werden die Vorteile einer großen, volldigitalen Multimedia-Bühne besonders deutlich. Glasklarer, ausgewogener Klang, gekoppelt mit erstklassiger modernster Beleuchtung. Der Platz vor der Bühne ist erdrückend voll mit Feiernden, tanzend, glücklich strahlend, Publikum und My Baby verschmelzen, hier startet ein reinrassiges, sommerliches Happening. Gut, das alles Freiluft stattfindet, sonst könnte das Hallendach in den erdnahen Orbit geschossen werden. Die letzte halbe Stunde genoss ich die unglaublichen Klanggewitter der jungen Niederländer angenehm zum Tagesausklang in meinem stabilen, mobilen Kastenwagen circa 300 Meter vom Epizentrum entfernt. Dennoch vibrierten die Einbaumöbel und Plexi-Fenster im Rhythmus der dröhnenden Musik. Aber auch auf dieser Bühne ist mal Schluss, DJ Electric aus der Schweiz übernimmt, alle ruhen danach und sammeln die Kräfte die sie auch brauchen werden. Denn die furiose Blues-Orgie geht übergangslos weiter mit der Hamburg Blues Band um Chef-Blues-Stimme Gert Lange. Von Gert’s ersten glasklaren Akkord an, waren alle im Umkreis der unteren Freifläche elektrisiert. Die diesmal zu viert mit Reggie Worthy, Eddie Filipp und natürlich Krissy Matthews angetretene Combo, hatte natürlich wie immer auch für Verstärkung gesorgt, allen voran crazy Arthur Brown, Tastenbediener Frank Tischer (Miller Anderson Band), Rotwein-Liebhaber Martin Ace (Man) und Anden-Flötist Sergio Cuadros (Flor De Loto). Und was hier über zwei Stunden geboten wurde, auch wenn es für einige abgedroschen klingt, war sicher wieder eine Sternstunde des Blues-Rock sowie Woodstock Forever Festival. Die Zuschauer und Musiker waren schier aus dem Häuschen, auch zeigte sich wieder was eine gute Organisation & Technik heraufbeschwören kann. Ich habe die HBB und Gäste sicher 3-Dutzendmal erlebt, aber selbst mich hat es hier diesmal schier aus den Stiefeln gehauen. Andere Melodien, aber die gleichen starken Emotionen. Die fünf französischen eruptiven Ethno-Rocker Lazuli braucht man inzwischen nicht mehr vorzustellen. Sie haben als Live-Superstars praktisch fast jedes bekannte Festival in Europa gespielt, überall die Menschen mit ihrer atemberaubenden Qualität und purer Lebensfreude mitgerissen. Die vielen Fans die sie hier bereits kannten, waren darüber nicht erstaunt. Flor De Loto dagegen, nach 36-stündiger ermüdender Anreise aus Lima (Peru) punktgenau fit wie die indianischen Mokassins, überraschten dagegen auf ganzer Linie und wurden als Tagessieger-Samstag zum Abschluss gekürt. Was alleine diese beiden Bands an Spiel/Lebensfreude und beim Publikum an Feierlaune entfachten, steht für die ganzen vier Tage über dieser sensationellen Veranstaltung. Wie am Vortag brennt ab Mitternacht die Luft. Diesmal hat das Schweden-Trio Kamchatka die Lunte gezündet. Grundzutaten für das explosive Destillat sind ausufernde Instrumentalorgien, riffbetonte Gitarrenarbeit, klassischer Rock der Geburtsjahre, aber nicht zu vergessen, wieder mal rauer Blues. DJ Bunzel übernimmt diesmal die Spätschicht !! Die einzige der neun Bands auf der Hauptbühne die nicht direkt mit Blues im Zusammenhang steht beginnt am Samstag. Riddim Of Zion ist eine Patchwork-Künstler-Kollektiv verschiedener Nationen. Die acht Tournee- und Studiomusiker haben bereits mit vielen bekannten Größen und Bands der Reggae-Szene gespielt, haben nun hier das Ziel mit ihrer Bühnenshow ein original karibisches Roots-Reggae-Flair zu erzeugen, das sommerliche Wetter hilft dabei. Trotz eigenem Material und Hits der Reggae-Götter ist die Stimmung gut aber nicht überschäumend. Zurück in der Blues-Spur und schon wird die Luft wieder dichter, denn die Meute nähe Bühne hat sich lange auf US-Walter gefreut. Walter Trout, wie er selbst sagt, ebenso. Und von der ersten Sekunde an brennt die Lunte wieder. Wie beim Silvester-Feuerwerk wird eine Blues-Rakete nach der anderen abgeschossen. Walter’s persönliches Schicksal ist traurig und bei vielen Fans halbwegs bekannt. Er bringt wieder eine teilneue Besetzung mit nach Europa, aber wie immer ist die Qualität über jeden Zweifel erhaben. Der zähnefletschende Tiefton-Meister Jamie Hunting und der zweite Gitarrist und Sänger Andrew Elt sorgen mit Walter für Gitarrengefechte in Extraklasse. Michael Leasure in der Trommelburg ist inzwischen Inventar im Ensemble. Selbst ein Youngster neben mir wird von diesem Blues-Tornado mitgerissen, wir liegen uns später freudig in den Armen, feiern zusammen dieses Erlebnis. Was soll nun noch folgen, nach 7-mal geht doch mehr kräftiger Rock nicht. Weit gefehlt, denn wer die ultimative Blues-Rock-Combo der Anfang 70er Live erlebt hat, der weiß wo noch eine Schüppe geht. Und ich muss sagen, mit der britischen Physical Graffiti sind die Led Zep als jüngere Version wieder auferstanden. Und wenn man nicht wüsste, dass die Originale nie wieder zusammen auftreten, dann ist man doch über den originalgetreuen Sound überrascht. Ich kann mich nicht von der Spielstätte losreißen, vielleicht auch deshalb weil hier die letzte Band eines unglaublichen Festivals vor dem, trotz weit nach Mitternacht, immer noch sehr üppigen feiernden Menschenmenge steht.
Nachlese & Vorausschau – Wer dieses Jahr nicht dabei gewesen ist, schade, ich hätte es euch sehr gegönnt. Aber laut Melanie arbeitet man schon hart am nächsten Woodstock Forever 2023, natürlich will man an Quantität und Qualität nicht nachlassen, eher zulegen. Geht das ?? Den begeisterten Thüringern traue ich alles zu. Auch ich helfe mit, denn bei circa 250 Bands/Künstlern die ich 2022 live erlebt habe, sind einige Kracher für das nächste Spektakel in Waffenrod dabei. Kommt 2023 in das Rock-Camp-Auenland, ihr werdet überrascht sein über einen magischen Festivalort, der Vergleiche mit dem US-Original nicht zu scheuen braucht. Auf allen Bühnen wurde alles wie immer souverän moderiert von Woodstock-Denker-Lenker Michael Memm, der ständig mit seinem Elektro-Quad im weitläufigen Gelände unterwegs ist, wirklich jede Formation würdig ankündigt und auch kurz & knapp überleitet zu den nächsten Programmpunkten. Damit auch hier wieder ein Novum, der Chef ist immer hautnah dabei, ein Veranstalter zum Anfassen, er hat immer ein offenes Ohr für Lob, aber auch Kritik. Letzteres für ihn tatsächlich Ansporn noch besser zu werden. An dieser Stelle auch noch der kurze Hinweis auf Festival-Urgestein Jan Hofmann den Unermüdlichen, verantwortlich für die Bilder, Videos, Webseite. Viele Sommer-Festivals haben das Problem mit Nachwuchs, das hat man beim Woodstock Forever Festival auch rechtzeitig erkannt und steuert deshalb den Event vorsichtig mit passenden Künstlern. Bei Orange, The Magic Mumble Jumble und B.I.R.D. gab es regelrechte Partys, mit Polis und Blank Manuskript junge Progressive und die Nachtschwärmer kamen mit My Baby, Kamchatka und zwei DJ’s auch nicht zu kurz. Ein 4-tägiges buntes Programm, bei dem nun unter den circa 3.000 Gästen auch viele junge Leute gesichtet wurden die ordentlich mitfeierten. Nach vielen Gesprächen mit unzähligen Feierbiestern und dem Veranstalter mache ich mir um dieses feine Festival keine Sorgen um die Thüringer Schrittmachern. man muss sich tatsächlich bei den begrenzten Plätzen frühzeitig um die Tickets kümmern. Einhellige Meinung vieler Künstler und Besucher, wir kommen wieder, ich garantiert auch zum Mitfeiern und Berichten.
Weiterlesen RZ: Klingende Orte – Night Of The Rock 2020 – Zeitlose Grüße, Der SchoTTe
Woodstock Forever Festival: „Waffenrod, Thüringen“ (17. – 21. August 2022)
Künstler – Mittwoch: Sixty Amp Fuse ☺ Voodoo Room ☺ Donnerstag: Cynthia Nikschas ☺ Kalter Kaffee ☺ East Blues Experience ☺ Orange ☺ Ax Genrich ☺ Man ☺ Hundred Seventy Split ☺ Bölter ☺ My Baby ☺ Freitag: B.I.R.D ☺ Luisa Laakmann ☺ Hamburg Blues Band & Arthur Brown ☺ Magic Mumble Jumble ☺ Harvest Community ☺ Lazuli ☺ Miller Anderson Band ☺ Dogma’n ☺ Kamchatka ☺ Samstag: Polis ☺ Weiherer ☺ Riddim Of Zion ☺ Blank Manuskript ☺ Three To Remember ☺ Walter Trout Band ☺ Flor De Loto ☺ Shophonks ☺ Physical Graffiti ☺ After Show Session: DJ Bunzel ☺ DJ Electric