Von den Royal Servants zu Eulenspygel „2“ (Teil 2)
Nachdem die Royal Servants das Debutalbum „We“ auf den Weg gebracht und wohl nicht so grosse Pflöcke damit eingeschlagen hatten, ging man an den Nachfolger und die Texte wurden in Deutsch dargeboten, aber das war nicht der einzige Wechsel, die Musik veränderte sich total und hatte nichts mehr mit den Royal Servants zu tun. Konsequenterweise nannte man sich mit der Veröffentlichung von „2“ nun Eulenspygel. Das hatte etwas mit dem Vorhalten des Spiegels an die Gesellschaft zu tun und tatsächlich brachten sich die Schwaben links in Stellung in ihren Texten.
Die Royal Servants waren Geschichte:
James (Matthias Thurow) – Lead- und Rhythmusgitarre
Detlev Nottrodt – Gesang, Lead- und Rhythmusgitarre
Manfred Maier – Gesang
Ronald Libal (Ronny) – Bassgitarre
Reinhard – Orgel
Günther Klinger – Schlagzeug und Perkussion
Das war der Kern der königlichen Diener und aus der Asche, wie Phönix enststieg Eulenspygel:
Detlev Nottrodt – Gitarre, Gesang
James Thurow – Gitarre, Gesang
Cornelius Hauptmann – Flöte
Karl-Heinz Grosshans – Orgel, Gesang
Ronnie Libal – Bass
Mulo Maulbetsch – Gesang, Mundharmonika
Günter Klinger – Schlagzeug
Die Abgänge waren offensichtlich:
Manfred Maier – Gesang
Reinhard – Orgel
Beim „Neuzugang“ Cornelius Hauptmann handelt es sich streng genommen um einen alten Hasen. Er wird bei „We“ als „es mischten noch mit“ ebenfalls aufgeführt. Für mich war „2“ allerdings im Jahr 1971 der erste Kontakt mit der Band, ob Royal Servants oder Eulenspygel. Es sei mir nachgesehen, aber ich kann nicht anderst schreiben als aus der Sicht eines Novizen der soeben die Jungfrau Maria erlebt hat. Aber, gemach!
Obwohl die „2“ das eigentliche Debutalbum von Eulenspygel ist, zählte man kurzerhand „We“ von den Royal Servants ebenfalls zum Oeuvre von Eulenspygel und voilà, man hatte ein Mysterium von epischen Ausmassen geschaffen. Die kritischen Texte und die ausgefeilten musikalischen Darbietungen liessen (und lassen) bei mir alle Glocken ertönen. Bis heute! Mit der „2“ schlug die Band auch den Pflock ein, der ihnen mit „We“ vergönnt war. Die Texte waren nicht so linksradikal wie z.B. bei Ton Steine Scherben, welche ihr Debutalbum ebenfalls 1971 herausbrachten. Die schwäbische Alp hatte wohl nicht wirklich etwas mit Berlin zu tun. Aber man darf Eulenspygel nicht unterschätzen, die Art und Weise wie Vietnam, Wohlstand und Verschwendung wie auch Umweltschutz thematisiert wurden war schon ziemlich klar aber nicht mit dem Vorschlaghammer präsentiert. Nur für 1971 war es mehr als deutlich und die Band nahm kein Blatt vor den Mund. Aber das war ja auch so gewollt, ihr Heimatmarkt sollte verstehen über was hier nachgedacht wurde.
„Son My“ mit seinen 11:14 ist eine grossartige Anklage gegen den Vietnamkrieg (und mitgemeint sind alle anderen Kriege). Musikalisch so etwas von sauber umgesetzt, ich kann jeden Break und jeden Einsatz auf der Luftgitarre heute noch nachspielen. Und die Texte kann ich übrigens auch auswendig. Auf SWR 3, die Mittwochsendung zum deutschen Pop- und Rockgeschehen (1330 bis 1400 hrs), hatte die Band so etwas wie einen Stammplatz. Gefühlt bei jeder zweiten Sendung kam ein Track von ihnen zur Aufführung. Allerdings war das meistens „Konsumgewäsche“ welcher sich zu einem veritablen Hit im Süden entwickelte. Tatsächlich kann es heute noch passieren, dass irgendein Sender das Stück noch dazwischenklemmt.
Generell sind die Texte auf diesem Album sehr wichtig, ob Todesstrafe, der angesprochene Umweltschiutz oder das Thema Alter, hier wird aus dem Vollen geschöpft. Natürlich sind die Texte 1971ish, aber gültig sind sie immer noch und haben erstaunlich wenig Patina angesetzt. Aber wenn man jetzt denken sollte, na gut, Texte, kann ich auch Karl Marx lesen, der irrt. Ich habe mir 1971 ein eigenes Urteil zu der LP gebildet (bilden müssen), da ich mich an keine einzige Besprechung der „2“ in einem Musikmagazin erinnern kann. Mit dem Aufkommen des Krautrock 1969 gingen bei der deutschen Journaille die Arroganz und Besserwisserei, gekoppelt mit einer „wir entscheiden was wichtig ist“-Attitude auf grosse Fahrt. Jahrelang schlugen uns die Intellektuellen und Vortrommler des, z.B. Sounds, uns Bauern den Takt, dass Musik aus deutschen Landen nicht konkurrenzfähig wäre auf internationalem Parkett und „Schuster bleib bei deinen Leisten“. Was die aber alle nicht kapiert hatten, Krautrock musste nie international sein, ja, international wäre auch der Todesstoss für das Genre geworden (wie man später gesehen hat, als ab Mitte der 70er der Niedergang einsetzte).
Die Musik auf der „2“ ist getragen von Orgel und Querflöte mit einer anständigen Portion Gitarrenarbeit. Definitiv ist das nichts für den Moshpit. Natürlich weiss ich, viele bezeichnen das wahrscheinlich als Progrock, aber für mich ist es einfach Eulenspygel mit ihrer besten LP auf dem Höhepunkt ihres Schaffens. Mit dem Album sind sie niemandem Rechenschaft schuldig, was sich sowieso auf Grund der wohl geringen Verkäufe von selbst relativiert. Meines Wissens waren das gerade mal 4000 Exemplare die auf den Markt kamen (ob da die zensierte Version bereits eingerechnet ist, das kann ich nicht sagen.
Die Rezeption, 50 Jahre danach, scheint mir etwas eigenartig zu sein. Da wird von Jazzanteilen schwadroniert (und ich kann sagen, trotz meiner Jazzaffinität habe ich nicht mal einen Takt Jazz gefunden und ich kenne das Album fast besser als irgendwas von Dr. Feelgood). Aber, den Kompositionen werden in der Neuzeit auch klassische Elemte zugeschrieben und heute noch wird von einigen Welterklärern die knapp durchschnittliche Leistung der Band zum Thema gemacht. Schon mal über ein neues Hörgerät nachgedacht?
Ein Album, 50 Jahre, nichts Neues mehr zu hören, so weit will ich nicht gehen, aber Eulenspygel’s „2“ ist im Pantheon des Krautrock zusammen mit vielleicht Rufus Zuphall’s „Phallobst“ (ebenfalls von 1971 – meine Güte, was für ein Jahr nördlich des Rheins, genial und das in Massen). Wenn die Marsmenschen irgendwann mal auf der Gempenfluh landen und die mich fragen „was ist Krautrock“, dann werde ich denen diese beiden LPs in der Originalausgabe empfehlen (und wenn sie keinen Plattenspieler haben, Pech gehabt). Heute noch muss ich allerdings SWR 3 ein riesengrosses Kränzchen winden, ohne die halbstündige Mittwochsendung wäre ich entweder nie oder dann erst viel später auf den Trichter gekommen (Krautrock war 1971 war ja damals noch kein Begriff, aber spätestens seit 1969 merkte sogar ich, dass da was im Busch war und durch die Sendung kam ich dann auch wirklich an Gehörproben – jedenfalls viel mehr als vorgängig).
Zurück zu Eulenspygel: Ganz ohne Schwierigkeiten ging es dann doch nicht ab. Von irgendwoher kam die Auflage, dass man das Covermotiv gefälligst zu zensieren hätte und da kam das nochmal raus, diesmal stand das Küken einfach auf dem Spiegelei in der Pfanne ohne den angekokelten Artgenossen. Na gut, Anfang der 70er konnte man das noch unter der Hand erledigen, heute wäre das einen Shitstorm wert, in der Grössenordnung eines dritten Weltkriegs.
Leider habe ich Eulenspygel nie live erleben können. Sie spielten einmal in einer Nachbargemeinde (zwischen „2“ und dem Nachfolger „Ausschuss“ und ich hatte einen Schachtermin in Olten – Meisterschaft – 2. Brett – und verloren habe ich auch noch nach mehr als 3 Stunden). Aergert mich heute noch, der verpasste Gig! Aber Eulenspygel hatten noch ein bisschen etwas vor, was mir damals nicht klar war, dass der Höhepunkt schon vorbei war. Aber dazu in einer weiteren Folge mehr.