Von den Royal Servants zu Eulenspygel “Ausschuss” (Teil 3)

Von den Royal Servants zu Eulenspygel “Ausschuss” (Teil 3)

 

1972 wars dann schon an der Zeit für den Nachfolger von „2“ und „Ausschuss“ kam auf den Markt. Da das alles noch zu Zeiten von prä-Internet war, kam das naturgemäss relativ überraschend. Kaum konnte man die Luftgitarre ohne Fehler zu „2“ spielen und hatte die imaginären Orgelläufe auf dem Küchentisch intus, kam auch schon ein neuer Longplayer. Rückblickend (50 Jahre später) hat sich die ganze Eulenspygel Geschichte aufgedröselt. Aber damals hatte ich keine Ahnung und es war mir definitiv nicht bewusst, dass die Band gerade auf einem absteigenden Ast war, von dem sie sich nie mehr erholte. Das war aber nicht „Ausschuss“ anzukreiden. Wie, weshalb, warum und überhaupt, da empfehle ich ganz einfach die Wiederauflage CD 042 auf Garden Of Delights (2000) und die weiterführende Story dort nachzulesen.

 

Erwähnenswert ist, dass die Band in der haargenau gleichen Formation wie auf „2“ antrat. Und das die Stücke in den Apple Studios aufgenommen wurden. Ich kann mich zwar erinnern, dass ich mich ob des Letzteren schon damals gewundert hatte, aber die Tatsache war dann doch irgendwie nach unten gerutscht. Heute weiss man, dass das dem Fehlentscheid des Managers zu verdanken war, der für Eulenspygel irgendwie Illusions of Grandeur hatte. Die Kohle für ein fragwürdiges Unternehmen rausgeballert. Wobei nicht mal klar ist wer da wirklich alles mitgespielt hat. Es gab da so einige englische Studiomusiker, die auch noch integriert wurden. Irgendwie bezeichnend für Anfang der 70er, wie eine Band mit sich Schlitten fahren lässt. Aber der dicke Hund kommt erst noch (in Folge 4).

 

Die LP erschien im Wellpappecover ohne Aufdruck (wieder auf Spiegelei) und es ist extremst schwierig eine Kopie in Mint aufzutreiben (ich sag sogar, unmöglich). Die Konstruktion war zu schadenanfällig und die Restexemplare sehen meistens so aus, als wären sie von einer Kuhherde durchgekaut worden. Allerdings gibt es dem auch eine eigenartige Patina. Laut Text in der angesprochenen CD-Version waren die Verkäufe um die 9000 Stück. Allerdings fiel damals schon auf, dass Eulenspygel nicht mehr die Radiounterstützung hatten, die sie noch für „2“ bekamen. Politisch engagierte Texte waren in der Rockmusik noch nicht passé, aber in den Redaktionen muss sich 1972 bereits der Wind gedreht haben und Bands die einem die ganze Zeit auf den Füssen rumtreten, waren wahrscheinlich nicht so ganz gefragt.

 

Die Tracks der Original LP:

 

A1: Abfall

B1: Menschenmacher

B2: Teufelskreis

B3: Herzliches Beileid

B4: Der Fremde

B5: Untertanenfabrik

 

Bonustracks auf der Garden Of Delights CD:

 

07: Sechs Uhr aufstehen       ARD-TV 1972

08: Junge, was willste draussen       ARD-TV 1972

09: Mich kotzt hier alles an   ARD-TV 1972

10: Schlafstadt                      Demo 08.05.1973

11: Kinderlied                        Demo 07.11.1974

12: Freut euch, Kinder           Demo 07.11.1974

13: Zusammenstehen                       Demo 07.11.1974

 

Musikalisch war das Album schon ein richtiger Schuss vor den Bug. Zwar etwas schwächer als der Vorgänger (im Minimalbereich und mit dem Vergrösserungsglas geprüft). Das war meiner Meinung nach nur, weil die Kompositionen nicht ganz so ausgefeilt daherkamen wie 1971. Aber für ein Nachfolgealbum eines Jahrhundertwerks war das noch immer eine strahlende Visitenkarte. Die Texte legten noch einen Zacken zu in ihrer Direktheit und die Musik scheint sich etwas der damals vorherrschenden Politszene angepasst zu haben, wobei Eulenspygel noch immer das weitaus breiteste kompositorische Können an den Tag legten. Dass die Band bei den Aufnahmen unter zeitlichem Druck standen, merkt man den Aufnahmen nicht wirklich an, aber, s. weiter oben.

„Abfall“ ist natürlich mit 22:17 der Haupttrack und durchaus mit „Son My“ („2“) zu vergleichen. Auffällig auch, dass sich Eulenspygel von den globalen Themen (Vietnam, Umweltschutz, psychisches Befinden) auf Themen konzentrierten die näher an der Lebenssituation in Deutschland lagen. Allerdings glaube ich nicht, dass die Zielgruppe wirklich für diese Themen auf die Barrikaden gehen wollte. Deutschland hatte damals wohl andere Probleme und linke Mahnfinger kamen wohl nicht so gut an.

Die Leistung der Musiker ist wiederum von einem anderen Stern. Gitarre, Orgel und Schlagzeug sollen da mal stellvertretend erwähnt sein. Die Flöte ist nicht mehr so präsent wie beim Vorgänger. Was mir jetzt gerade auffällt, die Sitar (auf „Teufelskreis“) ist schon ein wenig ein Fremdkörper und ich gehe mal davon aus, das Ding lag rum, also wird es auch verwendet. Ich bin hier eben auch wieder von der Präzision fasziniert, u.a. bei „Der Fremde“, mit der die Musiker interagieren. Der Sänger hat einen leicht unterdrückten, nasalen Stil, der es in manchen Pssagen etwas schwierig macht dem Text zu folgen (aber dafür gibt es ja das Beiblatt – bei der LP).

 

Die oben erwähnten Bonustracks ex ARD sind mir bekannt, habe ich doch damals die Sendung gesehen (und warte heute noch auf eine DVD-Veröffentlichung). Allerdings müssten dies meiner Erinnerung nach mehr als 3 Stücke gewesen sein, hier kommen die gerade mal auf 7 Minuten, aber die Sendung schien mir damals etwa eine halbe Stunde zu dauern. Gut, ist ja auch schon eine Ewigkeit her.

 

Die Bonustracks auf der Garden of Delights CD hab ich immer nur als, eben, Bonus betrachtet. Mir hätte nie etwas gefehlt, wenn diese nicht veröffentlicht worden wären, mache aber auch keinen Aufstand deswegen. Es gibt so ein paar Alben, die sind für mich nur richtig im Original. Die CD-Version auf Garden of Delights wurde nicht mit dem Wellpappecover veröffentlicht, sondern mit einem Bild der Band auf einem Dach sitzend mit der Londoner Skyline im Hintergrund. Wenn ich mich jetzt nicht richtig vertan habe, dann war dass das Dach des Applegebäudes. Germanofon veröffentlichte 1994 eine Counterfeitversion in einem erbärmlichen Cover (Finger davon lassen!). Die einzig legale Wiederveröffentlichung ist die von Garden of Delights.

Völlig überraschend kam kürzlich eine Reissue als LP von Long Hair auf den Markt (legale, lizenzierte Pressung, es scheint, als hätte Detlev Nottrodt hier auch die Finger dringehabt). Zu meinem Erstaunen kam die LP in einem Wellpappecover und nicht mit einem mickrigen Druck. Wer nicht dreistellig für ein Original ausgeben will, dem kann ich die Reissue mehr als nur empfehlen. Wie schon vorher mehr oder weniger zwischen den Zeilen zu lesen war, gings von nun ab bergab. Allerdings gabs da noch ein Intermezzo, das allerdings erst Jahre später bekannt wurde, aber trotzdem als Teil 4 folgt, um nicht den Faden zu verlieren.

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