Blues Camp Rügen – Klingende Orte 8

Der Geist des Blues im Format Schiff, See-Bad, Camp, Workshop, Seminar, Jam-Session

Auf dieser schönen Insel mitten in der Ostsee, kennt man vielleicht das historische Putbus, oder die mondänen Seebäder Binz, Baabe, Sellin; das NS-Megabauwerk Prora, die einmaligen Kreidefelsen mit Königsstuhl, Kap Arkona mit dem Leuchtfeuer, die Nachbar-Insel Hiddensee und natürlich den Rasenden Roland. Alle für sich sind wunderbare Sehenswürdigkeiten. Aber wer kennt Mönchgut und Göhren, denn dort endet nämlich die rasende Historische Dampf-Lokomotive. Und hier, in einem des meines Erachtens schönsten Teil von Rügen, ganz im grünen Ostteil der Insel, gibt es das Regenbogen-Camp. Einen relativ naturbelassenen Campingplatz mitten im Kieferwald und unmittelbar an den Sandstränden der Ostsee. Nur eine schmale asphaltierte Straße führt vom Eingangsdorf mit Amphitheater, alles nahe der Gleise der historischen Eisenbahn, durch das gesamte Gelände bis an den nördlichen Außenbereich von Baabe. Ganz hinten im Gelände treffen sich zur Sommerzeit auch mal Maulwurf, Dachs und Kröterich und hier erlebt man bei sonnigen Wetter echt mediterranes bis karibisches Flair.

Blues Camp: Franck, Marion, Roger vor Tipi 857

Blues Camp: Die Regenbogen-Bühne mit Blues

In jedem Juni kann man in diesem beschaulichen wunderschönen Landstrich Rügens wiederkehrend seit 1997 das kleine aber feine Blue Wave Festival und anschließend, auch schon das 12-mal, das Blues-Camp, eben im Göhrener Regenbogen-Camp, erleben. Zur diesjährigen 24. Auflage des mehrfach prämierten Blue Wave Festival Binz vom 10. bis 12. Juni gab es mal wieder Neues zu entdecken. Eben nicht nur Musiker der internationalen Blues-Szene, Straßen-Parade und wilde Jam-Sessions, sondern auch freie Konzerte als Pink Piano. Ursprünglich ein Club in Osnabrück, fand sich in diesem Jahr das als große Open-Air-Piano-Bar mit 4 Bühnen auf dem Kur-Platz wieder. An vielen Ecken und Plätzen wurde gezupft, gedrummt, geswingt und gesungen, dass selbst New Orleans blass vor Neid geworden wäre. Und das ist ganz sicher, denn ich war bei ähnlich gutem Sommerwetter mal dort bei so einem Straßen-Festival. Künstlerisch begleitet wurde das Projekt wie immer von Festival-Gründer Micha Maass, der natürlich in diesem Jahr wieder megaaktiv mit an Bord war. Micha: „Mittlerweile steckt hier mein halbes Leben drin !!“ Micha war auch der Kurator der beiden Blues Cruise 2017 (Mittelmeer West) und 2019 (Benelux Nordsee) mit der MS Berlin. In Binz war wieder bewährtes und bekanntes zu erleben: Abendliche Clubkonzerte und Sessions mit einzigartiger-Live-Atmosphäre. Bands: Beat’n Blow, Virginia & Skybenders, Stef Rosen, It Takes Three, The Crazy Hambones, Jakkle, Mr. Delta Thunder Tom Shaka, Liz Mandeville & The Dynacasters, Michael van Merwyk, Pugsley Buzzard Swamp Orchestra, The Goldwasser & Rannenberg & Wade und weitere. Micha konnte viele Teilnehmer und Blues-Freunde überreden am anschließenden Blues-Camp teilzunehmen. Wir waren diesmal auch dabei und waren von dieser Veranstaltung völlig überrascht. Was da abendlich auf der kleinen Waldbühne und später in der Bar abging beschreibe ich Euch.

Tagsüber laufen schon früh verschiedene Gestalten jeden Alters, teils mit Instrumentenkoffern, einzeln oder in Rudeln, durch das weitläufige Gelände. Aus allen Ecken des Camps ist Musik zu hören, man meint man ist in einem Freiluft-Konservatorium. Die Erklärung ist einfach, denn die Teilnehmer von Seminaren und Workshops gehen ihren Tagwerk nach; lehren, lernen, vertiefen, üben, genießen !! Eine Atmosphäre wie auf den großen deutschen Freiluft-Festivals. Der Unterschied; keine überlaufene, enge Zeltstädte, keine temporären Stände, keine muffigen Toilettenhäuschen. Die Künstler und Seminar-Teilnehmer leben auf hohen Niveau zusammen, in verschiedenen gut ausgestatteten Hütten, Reisemobilen jeder Art, Familien-Zelten (auch Mietzelten). Zum Abend hin ruhen sich die musikalischen Leiter, Dozenten und Teilnehmer der Seminare und Workshops aus. Die Ruhe vor dem Sturm, die allabendlich dann im Amphitheater losbricht. Diese abendlichen Konzerte finden kostenfrei statt und haben Session Charakter. Wer will, soll und kann kommt auf die Bühne und kann nach Absprache mitspielen. Einige Musiker und Dozenten übernehmen die tägliche Programmgestaltung dieser Sessions.

BC: Michael van Merwyk

Blues Camp: Micha Maass

Blues Camp: Ben Bouman

Schon am Sonntag treffen hier die verschiedenen Generationen von Blues-Musiker in gemischten Formationen in der Eröffnungs-Konzert-Session zusammen. Dieser erste Tag ist sehr stark geprägt vom Meister-Gitarrist Michael van Merwyk aus Rheda-Wiedenbrück, der sagenhafte drei Stunden, wegen kleiner Bewegungseinschränkungen auch im Zentrum der Bühne auf seinem Stuhl sitzend, ein halbes Dutzend Gitarren bemerkenswert routiniert bearbeitete. Da saß jeder Griff, jede Melodienfolge, ein wunderbares Saitenspiel. Mal auch Solo, aber im ersten Teil wurde er ebenso von Blues-Harp-Spieler Ben Bouman und drei Workshop-Teilnehmern begleitet. Im Mittelteil der Sessions kam zum ersten Mal Micha sowie Franck Goldwasser (Gitarre), Tobias Fleischer (Bass), Roger C. Wade (Blues-Harp) und Ehefrau Marion Wade (Keyboards), beide Gründer von Little Roger & The Houserockers, mit auf die Blues-Bühne. Zuletzt im dritten Teil übernahmen, dann bereits im Kunstlicht, Henry Heggen (Blues Harp) Stefano Ronchi (Gitarren) und Blues Rudy (Gitarren) drei frei gewordene Positionen auf der Bühne. Der einzige Techniker, unglaublich aber wahr, hatte für erstklassigen Sound und atmosphärisches Licht gesorgt, verstaute sogar noch bis nach Mitternacht, das technische Equipment im Raum hinter der Bühne. Die anschließende wilde Jam-Session in der Bar war immer noch voll im Gange, die Beteiligten habe ich vorher fast alle genannt, da war die Ein-Mann-Technik immer noch fleißig am Arbeiten, unglaublich.

BC: Franck Goldwasser

Blues Camp: Tobias Fleischer

Blues Camp: Roger C. Wade

Nach einer schönen Sommernacht im Ferien-Camp, wir wohnten dort in einem schönen Premium-Tipi-Häuschen, wiederholten sich tagsüber am Montag die Aktionen und Abläufe. Ebenso versammelten sich wieder die Blues-Begeisterten und die Akteure auf der Bühne abends, zelebrierten eine weitere Blues-Messe. Diesmal starteten Ben Bouman, Stefano Ronchi, Tobias Fleischer, Marion Wade, Micha, als Kern-Mannschaft. Später stieß dann noch Roger C. Wade dazu, der mit seinem Arsenal spektakuläre Mund-Blass-Orgien veranstaltete, die spontan zu Szenenablauf führte. Im zweiten Teil kam frisches Personal an Schlagzeug und Bass auf die Bühne, ebenso mit Pugsley Buzzard ein neues Gesicht an der Hammond-Orgel. Micha zu Pugsley: „Der Grizzlybär tut nichts, der will auch nur spielen.“ Mit nun zwei Blues-Harp und zwei Tasten-Virtuosen an Bord wechselten die Stile, aber die Qualität blieb konstant hoch. Die Zeit verging wie im Flug. Blues Rudy (Schlagzeug und Gitarren parallel) und Henry Heggen (Blues Harp) übernahmen dann erst mal zu zweit und wie. Ein kraftvolles Duo auf der Bühne die mit ihrem Vortrag die Leute vor der Bühne echt in Rage brachten !! Zum Abschluss kamen noch einige Künstler der vorherigen Sessions und auch noch Franck Goldwasser, diesmal am Bass, auf die Bühne. Marion und Grizzlybär Pugsley spielten sogar eine Zeit lang vierhändig auf einem Tastenbrett. Hier wurden wirklich alle Register gezogen und man sah in den Gesichtern vor und auf der Bühne die Freude. Und das ist was Blues ausmacht. Klar, so aufgeheizt ging es natürlich wieder in der Bar mit einer anschließenden wilden Jam-Session weiter, inklusive einer leidenschaftlichen Schlacht zwischen DREI Blues-Harp-Spielern, so etwas habe ich noch nie erlebt !!

Blues Camp: Stefano Ronchi

Blues Camp: Marion Wade

Blues Camp: Pugsley Buzzard

Am Dienstag ist Täglich-Grüßt-Das-Murmeltier alles wie gewohnt. Aber nur fast, denn abends wird am Strand eine atmosphärische Blues-Party gefeiert. Die Leitung des Ferien-Camp Regenbogen hatte groß aufgefahren, eine Grill-Station für die Hungrigen, einen Getränke-Stand für die Durstigen. Um ein großes Lagerfeuer versammelten sich Künstler, Seminar-Teilnehmer, Gäste des Regenbogen-Camp, aber auch einige bummelnde Feriengäste die an der Promenade vorbeikamen und dann in diesem großen Kollektiv mitfeierten. Das Wetter meinte es auch gut, Feeling wie in der Werbung für einen bekannten weißen Karibik-Rum. Für uns diesmal der wunderbare Abschluss.

Blues Camp: Blues Rudy

Pugsley Buzzard+Marion Wade

BC: Blues Rudy & Henry Heggen

German Blues Awarder Michael Maass – Ich bin Musiker, Produzent, Kurator, Impresario, Netzwerker, Erfinder und leidenschaftlicher Schlagzeuglehrer in der Drumschool Berlin. Geboren in Ost-Deutschland. Ich wohne und lebe mit meiner Familie in Berlin. Dass ich Musik studieren möchte, wusste ich schon sehr früh. Bis zur Aufnahme an der Hochschule habe ich als Tellerwäscher, Telegrammbote, Schwarztaxifahrer und Nachtclubschlagzeuger in Ost-Berlin gejobbt. Nach 12 Jahren als Briefträger habe ich 1994 diese Arbeit an den Nagel gehängt. Seitdem fahre ich als Musiker hauptsächlich durch Europa. 1996 startete ich das Projekt Blue Wave Festival und steckte zwei Jahrzehnte viel Energie hinein. Nach kurzer Unterbrechung führe ich das Festival seit 2020 wieder als künstlerischer Leiter an. Ich liebe das Schlagzeugspielen, vor allem, um darin meinen eigenen Rhythmus zu finden. Ich bin ständig auf der Suche nach anderen Sichtweisen und neuer Selbsterkenntnis. Ich bin Minimalist, Kunstliebhaber, Träumer und lieber eine Lokomotive unter Dampf als Anhänger. Ich habe Ehrfurcht vor der Musik, die ich mache; ich bin den Musikern dankbar, mit denen ich spiele und ich habe Spaß, Menschen zu unterhalten.

Blues Camp: Micha Maass

Und da ich Micha Maass erfreulicherweise etwas kennen gelernt habe, kann ich das alles bestätigen. Eine Seele von Mensch, der kollektives musizieren egal in welcher Form liebt !! Er lebt den Blues mit jeder einzelnen Zelle seines Körpers. Großartig dass es solche hervorragenden, hyperaktiven unter Dampf stehenden Aushängeschilder in der deutschen Kultur-Szene gibt. Ohne sie, würden wir weiter verarmen !! DANKE Micha, so weitermachen !!

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