Seltene-Rock-Musik-Perle: Die Art-Rock-Alben von Roxy Music – Vermächtnis
Die meisten Musik-Konsumenten haben eher Interesse an den großen Namen, Robert Wyatt, Brian Eno, Dave Sinclair oder Bands wie Gong, Soft Machine und Roxy Music. Dabei haben auch alle Schwergewichte mal klein angefangen, wurde deren Weg geebnet, flankiert und mitgetragen von vielen anderen guten, meist ebenfalls recht unbekannten Musikern. Einer davon war der anfangs recht unbeachtete Londoner Gitarrist Philip Geoffrey Targett-Adams, alias PH oder Phil Manzanera und seine vier Kumpels aus Jugendzeit.
Quiet Sun 1970 – Die britische progressive Art-Fusion-Jazz-Rock Band Quiet Sun, bestand aus Phil Manzanera (Gitarre), Bill MacCormick (Bass), Dave Jarrett (Keyboards) und Charles Hayward (Schlagzeug). Sie werden regelmäßig der Canterbury-Szene zugeordnet, obwohl die Musik eher mehr in Richtung Mix aus Fusion und Art-Rock tendierte. Entstanden aus einer Psychedelic-College-Band (Dulwich College, Londoner Süden) namens Pooh And The Ostrich Feather alias The Grateful Dead Of Dulwich wurde nach ändern der musikalischen Ausrichtung 1970 dann in gleicher Besetzung Quiet Sun. Gegründet nachdem MacCormick sich mit Robert Wyatt, dem Sohn einer Freundin seiner Mutter, angefreundet hatte. Dieses Quartett integrierte, ähnlich wie auch Soft Machine, Jazz-Fusion-Elemente, perlende, breitgefächerte, untypische Keyboard-Klänge und ihren komplexen vornehmlich instrumental gehaltenen Mix aus Canterbury-typischer Musik. Manzaneras energisches Gitarrenspiel unterschied diese Band aber deutlich von Soft Machine, die (abgesehen vom Debüt und Einsatz der Bass-Gitarre) bis zu ihrem 1975 erschienenen Album »Bundles« keine Gitarren auf ihren regulären Alben verwendet hatten und neben Keyboards nur Blas-Instrumente wie Saxophone, Flöten, Klarinette, Posaune als Melodieträger verwendeten. Quiet Sun löste sich 1972 auch mangels ausbleibendem Vertrag erst einmal auf und Phil Manzanera orientierte sich deshalb neu, Richtung der gerade in Formierung befindlicher Gruppe Roxy Music.
Roxy Music und Nebenher – Bei den poppigen Rockern Roxy Music wurde Phil Manzanera prägendes Mitglied, war praktisch an allen klassischen Alben der 70/80iger beteiligt. Schlagzeuger Charles Hayward wurde erst kurz Mitglied von Gong, gründete später This Heat und arbeitete bei Massacre mit den Avantgardisten Fred Frith und Bill Laswell zusammen. This Heat besteht bis heute, spielt mit Gründer Hayward auch noch gelegentlich Konzerte. Im Oktober 1971 gründete Bill MacCormick mit dem Soft-Machine-Aussteiger Robert Wyatt, Phil Miller (Delivery) und Dave Sinclair (Wilde Flowers, Caravan) die Kurzzeit-Combo und Soft-Machine-Konkurrenten Matching Mole (Französisch: Soft Machine). Dave Jarrett wurde Mathematik-Dozent, trat danach nicht mehr signifikant in der Musikszene in Erscheinung. Charles Hayward wirkte 1981 außerdem als Gast-Schlagzeuger bei der Band Raincoats auf deren Album »Odyshape« mit. Weiter bei Quiet Sun 1975.
Quiet Sun 1975 – Nach den 8-tägigen Aufnahmen für sein erstes Solo-Album »Diamond Head«, dafür wurden obwohl völlig andersartig auch Überreste einer längeren Komposition von Quiet Sun mit dem Titel »Corazón Y Alma« (Herz und Seele) verwendet, rief Phil Manzanera dann im Januar 1975 danach auch noch die ehemaligen drei anderen Bandmitglieder von Quiet Sun wieder zum Musizieren in den Island-Studios zusammen. Unter zusätzlicher Mitwirkung von Brian Eno nahmen sie dann gemeinsam im gleichen Studio an weiteren 4 Tagen ihr einziges, von Kritikern hochgelobtes Album »Mainstream« (Help, Sub-Label Island) auf. Das wurde von vielen Magazinen hoch gelobt, von Kritikern fast durchweg gut bewertet. Es wurde Material eingespielt was seit 1970 vier Jahre extralang auf Eis lag und durch in diesem Zeitraum verbesserte Technik seitens Mitglieder und technische Innovation sicher noch mehr gereift war. Auch das Cover-Bild ist besonders, hätte auch als Einband für einen alten Science-Fiction-Roman Verwendung finden können (Asteroid Hermes über Paris, Design: Nigel Soper). Bei diesem Instrumental-Album, nur beim letzten Song »Rongwrong« (Texte von Crazy Syd Barretts The Madcap Laughs) des 75er Original gibt es auch Gesang zu hören, entsteht aus vermeintlich vielen musikalischen Puzzlestücken, die zunächst nicht zusammenpassen, am Ende ein großartiges Gesamtbild. Dazu passt dann auch wieder haargenau das skurrile Front-Cover. Erst beim einzigen vokalgestützten Lied fällt überhaupt auf, dass man die zusätzlichen Klänge von menschlichen Gesangsstimmen bis dahin garnicht vermisst hat. Das Album ist 2011 bei Expression Records von Phil Manzanera in exklusiver Buch-Ausgabe (mit detaillierter Geschichte, Texte, Brief-Kopien, Promo-Material und Bilder) mit vier vorher unveröffentlichten Bonustiteln sowie Audio-Interview »Talking History« erschienen. Leider sehr schwer zu bekommen, weil echtes Sammlerstück !! Die vier avantgardistischen Demo-Aufnahmen, »Years Of The Quiet Sun«, »Trot« (hier auch zu hören Kurzzeit-Bandmitglied Dave Monaghan: Saxophon, Flöte), »R.F.D I«, »R.F.D II«, sind in brauchbarer Qualität ein Mehrwert und es waren die Titel mit denen sie sich damals erfolglos bei den Labels beworben hatten. Besetzung: Charles Hayward (Schlagzeug, Perkussion, Keyboards, Gesang), Dave Jarrett (Fender Rhodes, Steinway Flügel, Farfisa- und Hammond-Orgel, VCS 3-Synthesizer), Phil Manzanera (E-Gitarren, Fender Rhodes), Bill MacCormick (E-Bass, Hintergrund-Gesang), Gastmusiker: Brian Eno (Synthesizer, Konzept) und Ian MacCormick auch unter dem Pseudonym Ian MacDonald bekannt (Hintergrund-Gesang bei »Rongwrong«). Weiter bei Projekt 801.
Projekt 801 – 1976 gründete Phil Manzanera die nur kurze Zeit existierende Band 801, die größtenteils aus Roxy-Music-Mitgliedern bestand und als Live-Band geplant war um das Material von Quiet Sun und Solo-Phil auf Bühnen (neben Roxy Music) zu präsentieren. Erste Lebenszeichen sind dann auf »801 Live« bereits im November 1976 auf Vinyl zu hören, inklusive zwei bekannter Eno-Titel. Da Brian Eno vor allem wegen Bryan Ferry die Chart-Band Roxy Music verlassen hatte, und er bereits engen Kontakt und gute Kooperationen (gemeinsame Arbeiten für John Cale) mit Phil hatte, war Brian Eno auch hier mit im Boot. Diesmal auch mit einem höheren instrumentalen Beitrag. Das einzige Studio Album »Listen Now« erschien 1977 unter Phil Manzanera – 801. Aufgenommen wurde in den Basing Street Studios, London (Dezember 1975 und Juli 1977) und The Manor, Oxford (April 1977). Es waren wieder der harte Kern beteiligt und darüber hinaus Gäste wie Tim Finn (Crowded House), Trommel-Titan Simon Phillips, Dave Mattacks (Fairport Convention), Vokallist Simon Ainley, Mel Collins (King Crimson, Camel) mit dabei.
Wie ich bereits eingangs erwähnte, oft stecken hinter der bunten Fassade der Mainstream-Kultur wunderbare, seltene, versteckte Perlen, die wir versuchen zu heben und für die interessierten Fans in Erinnerung zu halten. Das außergewöhnliche Album »Mainstream« und dazu die parallelen Arbeiten sind so ein bemerkenswertes, außergewöhnliches Vermächtnis.
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