Benny Quick

Eine Geschichte aus dem mysteriösen Dreieck Rock’n’Roll, Beat und Deutscher Schlager, irgendwie dramatisch und mit schrecklichem Schluss.

Rolf Müller, geboren am 31. Dezember 1943 in Essen, wäre eigentlich dazu prädestiniert gewesen die Krone des deutschen Rock’n‘Roll-Königs zu tragen, die prestigeträchtige Trophäe holte sich aber bekanntlich Peter Kraus, auch wenn der mit Rock’n’Roll nicht wirklich viel am Hut hatte und meiner Meinung nach eher eine geschickt beworbene Presley-Kopie der Unterhaltungsindustrie war. An Rolf Müller – respektive seinen ersten Künstlernamen „Charly aus Essen West“ – erinnert man sich im Nachhinein meist nur noch wegen seines 1962er-Hits „Motorbiene“, ein Cover von „Motorcycle“, im Original von der US-amerikanischen Band Tico And The Triumphs zu denen ein gewisser Paul Simon gehörte.

   

Der aus einer musikalischen Familie stammende, vom Rock’n’Roll-Virus befallene und mit Gitarre bewaffnete „Charly aus Essen“ räumte Ende der 50er bei sogenannten „Je-Ka-Mi“-Veranstaltungen (sozusagen ein Vorläufer all dieser unterirdisch schlechten TV-Talente-Shows die heutzutage produziert werden) im Ruhrgebiet mächtig ab und stieg zum lokalen Helden auf. Als Gewinner eines „Vorsingens“ bei der Plattenfirma Electrola wurde er schliesslich mit einem Plattenvertrag und einem neuen Namen ausgestattet, aus Rolf (alias Charly) wurde nun auf Geheiss der Plattenfirma Benny Quick. Die erwähnte erste, bei Columbia veröffentlichte Single „Motorbiene“ mit „Denn du küsst so heiss“ (eine Bearbeitung von Doc Pomus„Just The Two Of Us“) auf der Rückseite landete schlussendlich auf Platz 28 der Hitparade, ein Riesenerfolg für einen bis dato nur regional bekannten Sänger. Auf der nachfolgenden Kurzrille „Hallo Josephine“ (Fats Domino) zeigte Benny Quick dann was für ein klasse Entertainer in ihm steckt, nur schon das gesprochene Intro ist göttlich (die Passage erinnert mich an Steve Marriott), man merkt bei dieser Nummer dass nicht nur er sondern auch die im Kölner Studio beteiligten Musiker (ein sogenanntes „Studio-Orchester“) Spass an der „Arbeit“ hatten. Das gilt ebenfalls für den zweiten Titel der Aufnahme-Session, „Twistin‘ Patricia“ ist ein ausgezeichneter Groover, inklusive Pedal-Steel-Solo und Benny Quick der hier die Tiefe seiner Stimmbänder auslotet.

Der Versuch einen Schlagersänger aus ihm zu machen goutierte Benny Quick hingegen nicht, immer öfter geriet er an die Produzenten die ihm Titel unterjubelten von denen er rein gar nichts hielt. Bei der Session zur fünften Single „California Sun“ Ende 1964 eskalierte die Geschichte offenbar, während die A-Seite exakt das darstellte was der Sänger vermutlich wollte (eine rüde Form von Punkrock / Power Pop, das Original der Rivieras ist gegenüber der Quick-Version geradezu „brav“), war die Nummer auf der B-Seite „Summ, Summ, Summ“ das krasse Gegenteil und erst noch mit einem absolut schwachsinnigen Schlagertext ausgestattet. Die Plattenfirma setzte sich schlussendlich durch und presste den Song auf Platte, immerhin durfte Benny Quick im Januar ’65 mit seiner eigenen Band eine „Live-im-Studio-LP“ einspielen. Auf der LP TWENS TOP – Eine Hitparade mit Benny Quick und seiner Twen-Band (das waren die ehemaligen ABC Boys von Drafi Deutscher die zu Didi Zill übergelaufen waren und danach zu Benny Quicks Liveband wurden), mischte sich für einmal niemand ein und Benny und seine Band widmeten sich hier ihrem Live-Repertoire, darunter fanden sich auch gelungene, englisch vorgetragene Titel wie „House Of The Rising Sun“ und „And I Love Her“ von den allgegenwärtigen Beatles, aber auch Instrumentals wie The Shadows‘ „Guitar Tango“. Okay, die Elvis-Schnulze „His Hand In Mine“ („Ich geh meinen Weg zu dir“) wäre nicht nötig gewesen, dafür entschädigt „I’m Coming Home“ von Charlie Rich.


Den Erfolg von „Motorbiene“ wiederholte keine der nachfolgenden Platten mehr, im November 1965 ging die letzte Recording-Session für Electrola über die Bühne, danach lief der Vertrag aus. Das Finale bestand gleich aus zwei Hit-Songs von Sonny Bono der damit (zusammen mit seiner Gattin als Sonny & Cher) die weltweiten Charts geentert hatte. Als Duettpartnerin hatte die Plattenfirma Sängerin Petra Prinz erwählt. Benny Quick war einmal mehr ausser sich, er hielt nichts von Petras Können, stellte sich dann aber doch neben sie ans Mikrofon. Der eine Song war „I Got You, Babe“, bei Benny und Petra wurde daraus „Bleib bei mir, Babe“, der Song hielt sich auch in der Übersetzung plus/minus an die Original-Lyrics. Einiges radikaler hingegen die Adaption von „But You’re Mine“, respektive „Wir gehen unsern Weg allein“, hier platzierte der Texter H.H. Werner ein paar Reime auf die Melodie (im Original eine relativ harmlose Outsider-Händchen-Halte-Hippie-Romanze) die eigentlich ganz schön revolutionär waren für den deutschen Schlagermarkt. Hallo? Da haben wir für das ganze schöne Wirtschaftswunder der 50er und frühen 60er geschuftet und dann kommt dieses illustre Pärchen und stellt unsere ganze heile Blumen-Tapeten-Welt in Frage? Geht natürlich gar nicht, auch diese beiden grossartigen, auf der Single gleichberechtigten Songs soffen 1965 ab. Sie sind ein klingender Beweis, dass exzellenter Big Beat nicht nur in Übersee produziert wurde sondern auch in deutschen Tonstudios. Viel später erhielt „Wir gehen unsern Weg allein“ dann das Prädikat „Protestsong“ verliehen (keine eindeutige Quelle, also von „unbekannt“), vermutlich war es der erste konsumkritische Popsong in deutscher Sprache, die Nummer wurde im Nachhinein wie „Motorbiene“ zum Kult und manchmal sogar von Radiostationen gespielt.

Wir gehen unsern Weg allein
(Musik: Sonny Bono / Text: H.H. Werner)

Die Leute können nicht verstehn dass zwei wie wir zusammen gehn
Uns macht das Reden gar nichts aus, oh nein, wir gehen unsern Weg allein

Die Leute reden furchtbar klug, für sie bist du nicht gut genug
Jedoch ich mach mir nichts daraus, oh nein, wir gehen unsern Weg allein

Wir haben nicht vergessen, dass sie mal nichts besessen
Und dass Besitz man schnell verliert
Wir woll’n uns nicht verkaufen, woll’n nicht um Posten raufen
Wir glauben nicht, dass Wohlstand imponiert

Die Leute sagen dass für zwei, die Welt nicht zu gewinnen sei
Wir zwei wir sind ja nicht allein, oh nein, wer jung ist der muss mit uns sein

Du gehst mit mir…
Ich geh mit dir…
Wir gehen den Weg zu zwei‘n…
Wir finden das Ziel allein…
Wir suchen den Weg allein… allein…
Wir suchen den Weg allein…
Wir machen das Spiel allein allein…
Wir treffen das Ziel allein… allein…
Wir suchen den Stil… allein…

Benny Quick veröffentlichte 1967 („Angelique, du bringst mir Glück“) und 1970 („Tina“) noch zwei Singles im Schlagerbereich die man sich aber nicht unbedingt anhören muss, sie haben rein gar nichts mehr mit dem „Rocker“ Benny Quick zu tun. Er gab seine Gesangskarriere irgendwann in den 70ern auf und arbeitete mehrheitlich als DJ. Auf die 80er-Revivals mit „Motorbiene“ hätte der Sänger meines Erachtens verzichten sollen, die dazugehörigen TV-Auftritte in Oldie-Shows waren nicht viel mehr als niveaulose Volksbelustigung, vermutlich hatte er sich mehr davon erhofft.

Egal ob Rolf, Charly oder eben Benny Quick, der Sänger hatte eine grossartige Stimme und ein klasse Timbre, bei professioneller und seriöser Betreuung mit Weitblick (Management) und passendem Repertoire wäre er mit seinem Reibeisenorgan einer für die schon bald alles überschwemmende Rockszene gewesen. Aber eben, manchmal läuft es eben nicht so wie man es gerne hätte. „California Sun“, „Hallo Josephine“, „House Of The Rising Sun“, „Bleib bei mir, Babe“ und „Wir gehen unsern Weg allein“ würde ich mal als Referenzsongs angeben, hier spürt man recht gut, dass Benny Quick eigentlich weit mehr auf’m Kasten hatte als es die Moped- und Kirmes-Hymne „Motorbiene“ vermuten lässt.


Die von Bear Family Records veröffentlichte CD Benny Quick – Motorbiene (1991) enthält sämtliche Electrola-Recordings in chronologischer Reihenfolge, einzig das peinliche „Summ, Summ, Summ“ wurde aus dem zeitlichen Ablauf ans Ende der Compilation verfrachtet, vermutlich sollte so der Hörgenuss nicht beeinträchtigt werden.

Am Morgen des 22. Dezembers 1999 (wenige Stunden vor der geplanten Hochzeit) erhängte sich der Sänger während seine Freundin beim Friseur war. Er fand auf dem Friedhof Westhausen in Frankfurt am Main seine letzte Ruhestätte.

LONG LIVE ROCK‘N‘ROLL!
mellow

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