Julian’s Treatment – Julian Jay Savarin – Altarra & Alda

Seltene-Rock-Musik-Perle: A Time Before This, visionäre SF-Geschichte – Vermächtnis

Mehr als ein Konzept – Eine durchgängige Geschichte über vier LP-Seiten mit dem Hinweis, dass dies nur Teil Eins dieser Science-Fiction-Story ist. Feueriges Orgelspiel wie bei The Nice, Atomic Rooster, Vanilla Fudge, Iron Butterfly als zentrales, prägendes, fast schon dominierendes Element, eine tolle passende Frauenstimme und der ungewöhnliche Klang-Mix mit damals häufig genutzter extremer Stereo-Mischung. Ich war damals begeistert von diesem Konzept »A Time Before This« des Projekt Julian’s Treatment. Eine Musik zum Zuhören, eintauchen in eine andere Welt, zum auseinander setzen für die Zeit lange nach Mitternacht. Leider hatte ich dieses Doppel-Vinyl nicht, ein Freund hatte das seltene Teil, hütete es wie den heiligen Gral, heute wird es im vierstelligen Bereich gehandelt. Leider blieb diese besondere Musik, eine Perle des frühen psychedelischen britischen Rock, eine unbeachtetes Stück Musikgeschichte. Alles sah so gut aus, als der junge knapp zwanzigjährige britischer Musiker, Komponist und Schriftsteller, später vor allem bekannt als Science-Fiction-Autor, Ende der 60iger in London seine Ideen für ein ehrgeiziges Projekt versuchte umzusetzen. Der 1950 auf der Karibikinsel Dominica (nördlich von Venezuela) geborene und seit 1962 in Region London lebende Julian Jay Savarin trug die jugendliche Kreativität in sich, die viele in dem Alter und dieser Zeit in sich gespürt haben, eine Phase des Probierens und auch des Findens. Früh im Jahr 1970 beginnt der große stämmige Julian, eine Erscheinung zwischen Voodoo-Priester und Schlagzeuger Buddy Miles, die Suche nach seinen Mitspielern für die Umsetzung seiner Geschichte: Die letzten Überlebenden des Planet Erde reisen durch den interstellaren Raum Richtung Sternbild Alpha Centauri, geraten dort in eine Auseinandersetzung zwischen Altarra und Alda.

Julian’s Treatment: A Time Before This (1970)

Julian’s Treatment: Alda Dark Lady OT Outer Worlds (1970)

Julian’s Treatment: Waiters On The Dance (1971)

Zwölf Teile in vier Akten – Die musikalische 12-teilige SF-Geschichte wird sehr schnell umgesetzt vom Texter, Komponist und Keyboardspieler Julian und mit folgenden in Londoner Studios und Clubs gefundenen Helfern: John Dover (Bass) und Del Watkins (Gitarre, Flöte), beide vom unbekannten Blues-Rock-Quintett Rare Amber, Schlagzeuger Jack Drummond sowie der vokalstarken Frontfrau Cathy Pruden. Das Doppel-Vinyl »A Time Before This« (SYB 2) erschien dann bereits im Juni 1970 und die Single »Alda, Dark Lady Of The Outer Worlds«, »Phantom City« (YB 1009) kurz vorher bei einem der für die damalige Zeit typischen, vielzähligen kleinen Label. Young Blood war sicher namentlich die richtige Plattenfirma, wie man damals sagte. Leider war das Problem dieser kleinen Buden, und das ist leider bis heute so, das überschaubare Budget und die mangelnde Vernetzung. Das heißt, das Werk wurde leider nicht so bekannt und es blieb dann auch bei einer Handvoll Auftritte auf der britischen Insel. Vielleicht lag es aber auch am fehlenden Selbstbewusstsein von Julian, der bereits bei Interview mit dem Melody Maker verkündete das die Band ja nur für drei Alben geplant war und sich die Mitglieder danach wieder anderen Projekten zuwenden wollten. Ziel erreicht, ob so geplant oder nicht, das sei mal dahingestellt.

Wie immer bei solchen Kult-Scheiben, gibt es zwei Lager. Die eine Fraktion, die unglaubliche Beträge bezahlen um eine der raren Vinyl-Exemplare zu bekommen und an denen jegliche Kritik abprallt und die Kritiker, die den dünnen Sound, den Gesang oder die Instrumentierung beanstanden. Ich möchte neutral darauf reagieren. Die Musiker sind allesamt keine Virtuosen, die Story ist einfach gestrickt, die Technik entspricht nicht der des Abbey-Road-Studios, die Ausführung ist guter Durchschnitt. Aber all das macht den Reiz dieses wunderschönen Konzept-Album aus, die unpolierte und rau gemischte Musik in der Spannbreite von Brit-Folk über Canterbury bis harten Rock passt zu diesen Space-Opera. Die narrativen Elemente und der passgenaue Gesang von Cathy sind in den sanften wie in den wilden Passagen eine angemessene Ergänzung. Selbst Julian’s prägnantes Orgelspiel passt über die gesamte Spielzeit wie die Faust aufs Auge. Del, Jack und John liefern mit ihrem Instrumentarium ein gutes Fundament und glänzen mit einigen eingestreuten Solis. Wollen wir denn nicht außergewöhnliche Musikwerke, wenn ja, dann hört euch diese »A Time Before This« von Julian’s Treatment an, taucht ein in die psychedelischen Klangwelten, genauso sollen Sie klingen, die Scheiben der frühen 70iger. Es gibt aus dieser Zeit noch eine Menge zu entdecken. Wir werden uns hier im Rockzirkus darum kümmern.

Julian’s Treatment: Promo_2

Julian’s Treatment: Promo_3

Julian sprach ja immer wieder von drei Alben, wenn man »A Time Before This« zweifach rechnet, sollte noch ein weiteres Drittel kommen, vermutlich sogar zwei. Das kam dann auch 1973 mit dem quasi Solo-Werk »Waiters On The Dance« (Birth Records, Young Blood, RAB2). Es gab zu diesem Album lange viele Unklarheiten, die aber zum größten Teil mit der Wiederveröffentlichung bei Esoteric Recordings (2008) aufgeklärt wurden. Der Sound des Albums wird dabei wieder von Julian’s Orgel (diesmal auch Mellotron) und Fuzz-Gitarre (Nigel Jenkins) geprägt. Insgesamt ergibt sich auch, dank dem auch bei Julian’s Treatment eingesetzten Bassisten John Dover, dem neuen Schlagzeuger Roger Odell (von Contemporary Music Unit) und der gesanglichen Unterstützung von Lady JoMeek (Schwester ist Anna Meek von Catapilla), ein recht ordentliches Klangbild. Es handelt sich hier um eine Vertonung des Savarin-Buch »Lemmus One: Waiters On The Dance« (Teil 1 der Lemmus-Trilogie), knüpft somit an die Story des Debüts an und darauf weist auch der Titel »The Death Of Alda« hin. Allzu viel hat sich im Vergleich zu A Time Before This nicht verändert, leider keine Tull-Flöte, dafür aber eine volleres und nuancierteres weibliches Front-Organ. Im Titel »Stranger« gibt es sogar echte, durchaus effektvoll eingesetzte Streicher zu hören. Es war Savarins zweites und offenbar letztes musikalisches Werk, er schrieb danach nur noch neben Science-Fiction auch eine Reihe von Thrillern, von denen einige ins Deutsche übersetzt worden sind.

Waiters On The Dance

Beyond The Outer Mirr

The Archives Of Haven

Die Lemmus Trilogie wird mit »Beyond The Outer Mirr« (1976) und »The Archives Of Haven« (1977) von Julian Jay Savarin weitergeschrieben. Einige seiner Bücher sind auch in Deutsch beispielsweise bei Moewig erschienen. Bleiben noch die weiteren Spuren der anderen Musiker. Cathy Pruden geht zurück in ihre Heimat Australien, Joe Meek bleibt in ihrer Heimat UK, die weiteren musikalischen Spuren beider verwischen sich. Del Watkins nimmt 1973 noch das selbstbetitelte Prog-Rock-Album mit Argus auf, Nigel Jenkins arbeitet weiter in verschiedenen Projekten. Schlagzeuger Jack Drummond taucht unter, Roger Odell spielt noch einmal kurz (mit John Dover) bei Tracks auf, aus denen wird kurz danach die Jazz-Funk-Rocker Shakatak, die starten aber weltweit groß durch. Es kommt also genauso wie Julian Jay prophezeite, die Mannschaft findet sich für 2 Lichtjahre aus den Tiefen des Raums zusammen, schafft zusammen etwas Großartiges, und verschwindet dann wieder im weiten interstellaren Raum der Musikkultur ohne echte Spuren zu hinterlassen.

Wer mehr über das Thema »A Time Before This« und seinen Erschaffer Julian Jay Savarin wissen möchte, sollte sich die Komplett-Ausgabe »A Time Before This… Plus« von See For Miles Records (1990: SEE CD288) besorgen. Das Booklet ist üppig und bringt für Schatzsucher noch mehr Details zur Geschichte zutage. Leider fehlt bei dieser Zusammenstellung aus Platzgründen der Titel »Dance Of The Golden Flamingoes« vom zweiten Album »Waiters On The Dance«. Aber diese Kleinigkeit ist sicher zu verschmerzen, denn die Stückzahlen der verfügbaren Vinyl-Alben ist begrenzt und die Preise steigen jährlich in immer absurdere Höhen. Also besorgt euch lieber eine der besser und preiswerter verfügbaren CD’s und taucht ein in die psychedelische Welt des Julian Jay Savarin in Wort, Gesang und Musik.

Wie bereits gesagt, eine Seltene-Rock-Musik-Perle die man unbedingt endecken sollte !!

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