Sandy Posey

Eine weitere Southern Belle die manchmal in der falschen Schublade landet, die 1944 geborene Sandy Posey ist weit mehr als eine ordinäre Country-Sirene, viele der Songs die sie in den 1960ern performte waren eigentlich Crossover, sie verschmolzen R&B, Pop und Country. Mit dem von der Songwriterin Martha Sharp geschriebenen Killersong „Born A Woman“ wurden sogar scheinbar unantastbare, in den weissen Südstaaten vorherrschende ideologisch/patriarchalische Weltbilder zum Einsturz gebracht, eine kritische Sicht der Dinge also, für mich persönlich ein Grund Sandy etwas näher an die Ecke Southern Gothic zu rücken.

Angefangen hatte Sandy als Telefonistin in den American Recording Studios in Memphis, sie wurde aber schon bald vom Studiobesitzer und Stax-Mitbegründer Chips Moman als Backgroundsängerin eingesetzt. Sie veröffentlichte 1965 unter dem Pseudonym Sandy Carmel eine erste Single und tauchte in Songs von Elvis Presley (z.B. Back In Memphis), Joe Tex und Tommy Roe auf, der Legende nach sang sie 1966 auch bei der Recording-Session für Percy Sledges „When A Man Loves A Woman“. Nun, Chips Moman war jedenfalls hell begeistert von seiner Entdeckung und als er Sandys Demoaufnahme von „Born A Woman“ hörte, verschaffte er ihr umgehend einen Plattenvertrag bei MGM. Der Titel wurde zum Hit, nicht nur in den Staaten sondern auch in Kanada, Australien und England und verkaufte sich millionenfach. Die nachfolgende Kurzrille „Single Girl“ (ebenfalls eine Komposition von Martha Sharp) präsentierte Sandy im deutschen Fernsehen anlässlich eines Besuches im Beat Club und irgend jemand drehte mit dem Nachwuchsstar einen Promoclip in einem (damals hochmodernen) Rechencenter, der Anblick der schrankgrossen Magnetspulengefängnisse lässt garantiert die Herzen von IT-Nerds ein wenig schneller schlagen.

Um die beiden Erfolgstitel wurden in aller Schnelle zwei LP’s gezimmert, sie erhielten als Zugpferd jeweils einen der Hits zugeteilt, die Alben Single Girl und Born A Woman gelangten noch 1966 auf den Markt. Die Rechnung ging allerdings nicht ganz auf, beide Songsammlungen erfüllten die kommerziellen Erwartungen nicht, Sandy Posey konnte mit „Blue Is My Best Colour“ und „Arms Full Of Sin“ immerhin schon eigene Nummern unterbringen.


(Sandy Posey im Beat Club, 25. Februar 1967)


(Sandy Posey, Promo Clip)

Ab 1967 kümmerte sich auch das in den American Studios gestrandete Songschreiber-Gespann Dan Penn und Spooner Oldham um Sandy Posey. Der Longplayer Sandy Posey featuring „I Take It Back“ klang nun schon wesentlich homogener, auch wenn die Songs über Monate und in einer Vielzahl an Sessions entstanden waren.

Das zwischen Pop und Country mäandernde 45er „I Take It Back“ ging auf Platz 20 der Billboard-Pop-Charts, aber auch bei diesem Versuch hatte die hervorragende begleitende LP eine gewisse Verwandtschaft mit Blei, jedenfalls was den Absatz in den Plattenläden betraf. Produzent Moman hätte vielleicht sein Augenmerk auf den brandneuen Song „Love Of The Common People“ (Hurley/Wilkins hatten den ’67 für The Four Preps geschrieben) richten sollen, die Nummer hatte bereits bei Sandy Potential, allerdings dauerte es noch unzählige weitere Interpretationen bis 1982 Paul Young mit seiner Version abräumte. Das Album I Take It Back ist eine vergessene Schatzkiste mit diesem gewissen Etwas das nur 67er-Platten zu bieten haben und weitaus wärmer als es der unterkühlte Blick von Sandy auf dem Cover suggeriert.


(Sandy Posey mit unbekannter Begleitband)

Sandys finale MGM-LP Looking At You erschien 1968 und spielte wie die vorangegangenen Alben mit den Stilen, „Shades Of Gray“, „Just You, Just Me (And Love For Company)“ oder das hochromantische „Meadow Of My Love“ beispielsweise waren und sind bis heute bezaubernde Pop-Songs die teilweise mit grossem Orchester inszeniert wurden. Insgesamt ist Looking At You eine Gratwanderung zwischen byrds’schem 12-String-Jinglejangle, Sunshine Pop, Easy Listening und Anklängen an den Big Beat wie man ihn auch bei Lesley Gore und Jeannie C. Riley entdecken kann.

1968 heiratete Sandy den Presley-Imitator „Elvis“ Wade Cummins und zog sich die nächsten Jahre zurück aus der Showszene. Die Askese unterbrach Sandy Posey 1969 für einen Gastauftritt bei der letzten Las-Vegas-Show des einzig wahren Königs (Elvis Presley).

 

Das Comeback bei Columbia wurde eine relativ kurze Angelegenheit, nach nur gerade einer LP, dem gelungenen Album Why Don’t We Go Somewhere And Love (1972) das die Coverversion von „Be My Baby“ beinhaltete, wurde es wieder still um die Sängerin. Eine Reihe von Singles die 1978/79 bei Warner Brothers erschienen verhallten ziemlich schnell und erfolglos.

Beim nächsten Comeback Anfang der 80er waren dann letzte Erinnerungen an die Sixties wie weggewaschen, die LP’s von 1982, Tennessee Rose und Because Of You die beide bei kleinen Labels erschienen, waren zeitgemässe Country-Scheiben mit Pop-Appeal, danach hat sich Sandy Posey definitiv aus der Showszene verabschiedet.

Die beiden Posey-Hits „Born A Woman“ und „Single Girl“ hat Martha Sharp auch selber einmal aufgenommen, man findet sie auf dem einzigen von ihr persönlich besungenen Tonträger, die Autorin gab auf der LP Anytime (1973, Monument) eine hervorragende Kostprobe ihrer gesanglichen Qualitäten ab, konzentrierte sich danach aber wieder ausschliesslich auf das Schreiben von Songs. „Born A Woman“ wurde im Lauf der Jahrzehnte unzählige Male gecovert, Nick Lowe veredelte die Nummer 1977 mit seinem dynamischen Powerpop und auch „Single Girl“ erfuhr einige Remakes, so existiert auch eine in Deutsch gesungene Version von Senta Berger aus dem Jahr 1966.

Das musikalische Vermächtnis von Sandy Posey wurde noch nie allumfassend aufbereitet und eine Unmenge unveröffentlichter Titel schlummert offenbar noch immer im Archiv, zumindest gemäss Angaben auf einer MGM-Archiv-Seite. Einen guten Überblick über das Repertoire erhält man mittels der CD-Compilations Sandy Posey – Born To Be Hurt: The Anthology 1966-1982 (2004. Raven Records) und Sandy Posey: A Single Girl – The Very Best Of The MGM Years (2002, Re-Pressed 2018, RPM).

Sounds great in STEREO*
mellow


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Slogan von MGM, 1967

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