Die Geburt der britischen Soul- und Funkunternehmung The Olympic Runners war eigentlich eher Zufall als geplantes Projekt. Der legendäre Produzent Mike Vernon (John Mayall, Fleetwood Mac, Savoy Brown, Chicken Shack, Ten Years After, Eric Clapton, Focus, Dr. Feelgood, Level 42 etc.) hatte 1972 für eine Albumproduktion des amerikanischen Bluesers Jimmy „Fast Finger“ Dawkins eine Begleitband zusammengewürfelt. Während sie auf das Eintreffen des Stars aus Übersee warteten, begannen sich die Musiker in den Olympic Sound Studios in London warm zu spielen. In letzter Minute wurde der Termin wegen eines abgesagten Transatlantik-Fluges des Kunden gecancelt, der Bluesmann erschien erst am folgenden Tag. Der amerikanische Gitarrist Joe Jammer, Bassist Tony Stevens (Savoy Brown, Foghat), Drummer Reggie Isadore (später bei Robin Trower) und Keyboarder Pete Wingfield (damals grad bei der Keef Hartley Band) hatten bei ihrem Warmup Spass an einem funky Riff gefunden das auch dem Produzenten gefiel. Da die Musiker so oder so bezahlt werden mussten arbeitete man miteinander das Arrangement aus und nahm ein paar Takes der entwickelten Idee auf: Die von Vernon festgehaltene Nummer erhielt den Arbeitstitel „Honkie“. Am folgenden Tag starteten dann die offiziellen Dawkins-Sessions, die dabei entstandene LP Transatlantic 770 wurde im selben Jahr beim US-Label Excello veröffentlicht.
Anfangs war die ausgezeichnet harmonierende Olympic-Studioband noch namenlos, irgendwer nannte die Truppe dann Soul Runners, schlussendlich erhielt die Gemeinschaft wegen dem häufigen Einsatzort den Namen Olympic Runners. Da die Studioarbeit für die meisten involvierten Musiker Teilzeitjobs waren, kam es immer wieder mal zu Auswechslungen, als harter Kern bildete sich aber allmählich die Besetzung mit Pete Wingfield, Joe Jammer, Bassist Delisle Harper, Drummer Glen LeFleur (beide von der Band Gonzalez) und dem Steuermann Mike Vernon (Produktion, Percussion, Vocals) heraus. Anfangs noch eher instrumental orientiert, wurde im Lauf der Jahre der Gesang stärker integriert, hierzu wurde Gonzalez-Sänger George Chandler hinzugezogen, er landete 1990 mit Londonbeat und „I’ve Been Thinking About You“ einen weltweiten No.-Hit.
Nachdem Mike Vernon mit der US-Decca-Subdivision London Records einen Deal für sein Steckenpferd abschliessen konnte, fertigte der Denker und Lenker gezielt Aufnahmen an, man traf sich ja so oder so dauernd im Studio. Auf einigen Tracks der ersten LP Put The Music Where Your Mouth Is (1974) wurde das Team von Bruce Rowland (Grease Band) und dem Bassisten und Sessioncrack Chris Stewart (Eire Apparent, Joe Cocker etc.) unterstützt, das waren offenbar Sessions die in Brüssel stattfanden. Das zündende Ur-Riff „Spookie“ hiess mittlerweile „Do It Over“ und fand neben weiteren Groove-Perlen wie „Grab It“ oder dem furiosen Titelsong „Put The Music Where Your Mouth Is“ (einer für die Endlosschleife) ebenfalls Platz auf dem ersten Album. Die Mixtur aus Funk, R&B, Pop und Reggae zog sich nahtlos weiter auf den zweiten Longplayer Out In Front (1975), auch hier warfen sich die Musiker kompromisslos in die Schlacht, alleine „Dump The Bump“ ist der Eintritt wert. Neben all den Aktivitäten als hauptamtliche Studiomusiker (Wingfield war neben Alan Hawkshaw in den 70ern einer der begehrtesten Tastenspezialisten im Raum London) gab es auch Soloprojekte der beteiligten Musiker: Joe Jammer machte Bad News (1972, Engineer war ein gewisser Alan Parsons), Pete Wingfield belegte mit der (aus seiner einzigen Solo-LP Breakfast Special ausgekoppelten) Single „Eighteen With A Bulllet“ Platz 7 der UK-Single-Charts und selbst Mike Vernon hatte mit Moment Of Madness (1973) sogar noch Zeit für eine zweite Soloplatte gefunden, vermutlich waren das aber nur Demobänder oder Überreste der gelungeneren ersten LP von 1971 bei der sich Rory Gallagher und Paul Kossoff mit Gastbeiträgen beteiligt hatten. Naja, vielleicht hätte der grosse Blues-Zampano auf Moment Of Madness das Singen vielleicht doch einem Profi überlassen sollen, immerhin erschien die Platte nur in Übersee.
Live-Aktivitäten beschränkten sich bei den Olympic Runners auf ein absolutes Minimum, nur schon der randvolle Terminkalender von Mike Vernon liess das nicht zu, Zeit ihres Bestehens war die Band aber eine Spass- und Herzensangelegenheit für alle Beteiligten, vor allem natürlich für Mike Vernon der hier (beinahe unerkannt) für einmal den Bluespfad verlassen konnte. Bis 1979 wurden unzählige Singles und Jahr für Jahr eine weitere LP veröffentlicht, allesamt bepackt mit zündenden Grooves und Licks. Auf Put It On Ya (1978) teilten sich Simon Phillips und Glen Penniston die Schlagzeugarbeit unter sich auf.
Das leidige Thema mit der Discography der Olympic Runners ist, dass all diese Trouvaillen mittlerweile so gut wie vergessen gegangen sind und bis auf die ersten beiden Alben leider noch nie restauriert wurden, einzig die Single „Sir Dancealot“ (1978, Platz No. 35 in den UK-Single-Charts) taucht ab und zu auf Disco-Samplern auf. „Sir Dancealot“ ist meines Wissens übrigens auch eine der wenigen Gelegenheiten bei denen man die Olympic Runners (inkl. Mike Vernon und Pete Wingfield und bärtigem Aushilfsgitarristen) in Aktion erleben kann, bei ihrem Auftritt in BBC’s Top Of The Pops strahlten die Jungs jedenfalls um die Wette und wer hätte gedacht, dass Mike Vernon (im grünen Anzug) eine solche tänzerische Leistung auf’s Parkett knallt?
Es war eine perfekte Show für die sich die Protagonisten im Vorfeld garantiert einen Choreografen geleistet und stundenlang geprobt hatten, sportlicher geht fast nicht, Tanzmusik in Vollendung, musikalisch wie optisch. In einer weiteren TOTP-Folge im Jahr 1979 präsentierten die Olympic Runners mit Chandler, Jenner und Harper (Wingfield und Vernon waren vermutlich verhindert) die Single „The Bitch“, es war die letzte Veröffentlichung der Olympic Runners.
Wer an Tonträgern der Olympic Runners interessiert ist wird sich auf die Suche nach Vinyl konzentrieren müssen, bis auf den CD-Twofer Put The Music Where Your Mouth Is / Out In Front (2010, Vocalion) herrscht leider immer noch Flaute im Wiederveröffentlichungsbereich. Es wäre wünschenswert wenn z.B. der Retrospezialist Cherry Red sich bei Gelegenheit den Olympic Runners annehmen würde, grandiose Alben wie Hot To Trot (1977) oder Puttin‘ On Ya (1978) hätten es verdient endlich wieder mal abgestaubt zu werden. Bis es soweit ist halte ich persönlich Ausschau nach weiteren Singles, leider hat bislang erst die 45er „Keep It Up / The Cool Gent“ (1977) den Weg in meine Jukebox gefunden.
Falls es hier mitlesende Blues-Puristen schaffen über ihren Schatten zu springen, dann sollten sie vielleicht den Olympic Runners mal ihr Ohr leihen: Die Truppe repräsentiert die unbekannte Seite eines der grössten Bluesproduzenten aller Zeiten und könnte durchaus ein geeignetes Sprungbrett sein um in die vielschichtige Welt von Soul und Funk einzutauchen…
LONG LIVE FUNKY MUSIC!
mellow