Seltene-Rock-Musik-Perle: Morning Way, Ländliche Geschichten – Vermächtnis
Prolog – Es gibt leider immer wieder großartige Hörwerke, aus jedem Genre, die nur an wenig Ohren gelangen, dazu gehören beispielsweise unzählige vergessene Perlen vieler (auch bereits im RZ vorgestellter) Brit Barden und US-Rock-Cowboys, aber auch das einzige Album »The Road« von Quiet World oder das kürzlich vorgestellte Album »Going Back Home« von Feelgood: Wilko Johnson – Who: Roger Daltrey. Damit sich diese Waisenkinder nicht so allein fühlen, stelle ich nun wieder ein einziges Album eines interessanten Künstlers in den wechselfarbigen Lichtkegel der Schatzgräber. Diesmal »Morning Way« des britischen Folk-Rock-Duo Trader Horne, erschienen bei Dawn Records (DNLS 3004) im März 1970. Ein Album das in der Hoch-Zeit des britischen Folk-Rock entstand, aber leider nicht den Status erreichte wie beispielsweise die Werke von den Platz-Rehen, Fairport Convention, Fotheringay, The Incredible String Band, Pentangle, Steeleye Span. Es gab aber auch große Fans des gemischten Doppels wie Robert Plant, John Peel und meine Hippie Braut Christa Maria. John Peel lud das Duo Trader Horne MK II (Vokalistin Saffron Summerfield) und die Blues-Rocker Free sogar zum Sunday Concert am 12. Juli 1970 zum Live musizieren ein. Den Audio-Mitschnitt kann man bei YouTube bebildert anhören: 1. »When Morning Comes«, 2. »Better Than Today«, 3. »Country Joe«, 4. »Just Fishing«.
Jackie McAuley – Über den männlichen Part dieses recht unbekannten Duos ist leider nicht ganz so viel bekannt. Trotzdem versuche ich etwas wechselfarbiges Licht ins Dunkel zu bringen. Aus der 1963 im nordirischen Belfast gegründeten Gruppe The Gamblers wird nach Erweitern und Eintritt von Van Morrison (Gesang, Mundharmonika) und Patrick John McAuley (Orgel) im April 1964 das Quintett Them. Das Personal-Karussell dreht Anfangs hoch bei den Nordiren, schon bald spielte kurz auch John James „Jackie“ McAuley am Schlagzeug bei denen mit. 1966 verließ Van Morrison die Band während einer US-Tour, das Personal der Them-Truppe macht in verschiedenen anderen Projekten weiter, Jackie McAuley arbeitet kurz in Dublin mit Paul Brady bei The Kult zusammen. Jackie’s nächste Stationen waren dann 1966 seine ersten eigenen Projekte The Freaks Of Nature (eine Single für Island) und wieder mit Bruder Pat 1967 dem Them-Ableger Them Belfast Gypsies, die ein selbstbetiteltes unbeachtetes Album einspielten. Nach Trader Horne erscheint 1971 bei Dawn Records noch sein selbstbetiteltes Debüt (DNLS 3023). Er musiziert danach mit vielen Größen der UK-Szene, 1990 noch ein Solo-Album als The Poor-Mouth und ein paar Solo-Alben. Das Meisterstück ist und bleibt »Morning Way«, das er fast im Alleingang komponiert, arrangiert und einspielt hat. Mit seiner Jackie McAuley Band spielte er bis 2019 Konzerte in Irland und UK, auch 2017 beim Rory Gallagher Festival in seiner Heimat Irland. Wer noch mehr lesen und sehen möchte, schaut doch mal bei Jackie McAuley rein. SchoTTenBook – »I, Sideman: The Story Of Me, In The 60s And 70s« (11-2019: 328 Seiten), die Biografie eines nordirischen Edelhelfer.
Judy Dyble – Auch diese Londoner Folk-Rock-Sängerin hat das Corona-Jahr nicht überstanden, Judy Dyble starb am 12. Juli 2020 im Alter von 71 Jahren an „Lungenkrebs“. Erste Semi-Profi-Truppe noch in Schulzeiten war 1964 Judy & The Folkmen. Nur wenige Monate nach Gründung der Profi-Band Fairport Convention, schloss sich die Britin denen 1967 an, blieb jedoch nur für das Debüt, war schon vor Veröffentlichung Mitte 1968 ein Teil der vergangenen Bandgeschichte, die Nachfolgerin Sandy Denny dann später auch noch wurde. Mit Ian McDonald trat sie zusammen als Pärchen Giles, Giles & Fripp bei (1968: »The Cheerful Insanity Of Giles, Giles And Fripp«, 2001: »The Brondesbury Tapes 1968«), aus denen später King Crimson entstand. GGF war auch nur ein kurzes Gastspiel für Judy, dann ein weitere kurze Episode bei Trader Horne. Dort singt sie nicht nur, komponiert, arrangiert, spielt auch Klavier und Auto-Harp. Danach schloss sie sich, natürlich kurz, im Mai 1971 der in Auflösung stehenden Canterbury-Legende Delivery an. Die modifizierte Band Dyble-Coxhill & The Miller Brothers spielte jedoch nur einige Konzerte in den Niederlanden und löste sich dann endgültig auf. Es gibt aus der Zeit nichts, keine Bilder, Filme, Demos, Mitschnitte, Artikel, nur eine einsame Set-Liste. Vielleicht ist es gut so. Danach zog sich Judy für lange Zeit ganz aus der Musik-Szene zurück, bis auf gelegentliche ausgesuchte Auftritte mit Weggefährten. Nach über 30 Jahren war es dann 2004 soweit, das Solo-Album »Enchanted Garden« in Zusammenarbeit mit Marc Swordfish. Danach folgten bis Ende 2020 regelmäßig Alben mit vielen illustren Gästen wie James Asher, Tim Bowness, Robert Fripp, Simon House, Andy Lewis, Pat Mastelotto, Ian McDonald, Alistair Murphy, Jacqui McShee und mehreren Dutzend mehr. Ihre Musik war meistens in der Spannbreite von Country, Folk, Jazz, World, aber auch alternative Klänge und moderne britische Kammermusik mit vielen Blech- und Saiten-Instrumenten. Bis zu ihrem Tod, beschäftigte sich Windhund-Fan Judy mit interessanten Projekten, beispielsweise »Weavings Of A Silver Magic« wieder in Zusammenarbeit mit Alistair Murphy oder zusammen mit David Longdon (Kopf von Big Big Train) beim »Between A Breath And A Breath«, ein deutlicher Hinweis darauf mit was für Problemen sie sich zuletzt beschäftigte. Wer noch mehr lesen, sehen möchte, schaut doch mal beim digitalen Auftritt von Judy Dyble rein. SchoTTenBook – »An Accidental Musician: The Autobiography Of Judy Dyble« (04-2016: 230 Seiten), die Biografie mit Schreibhilfe Dave Thompson.
Trader Horne – Gerüchten zufolge soll der Bandname auf das Kindermädchen von John Peel zurückgehen. Gemischte Vokal-Duos sind in den 70igern in diesem Teil der Musik-Kultur beliebt. Der wechselseitige Gesang wird in den vokalgestützten Geschichten geschickt genutzt. Bekannte Beispiele sind Sonny & Cher, Richard & Linda Thompson, Beverly & John Martyn (siehe Beitrag RZ), aber auch die Duos im Bandgefüge wie Jacqui McShee & John Renbourn (Pentangle) oder Maddy Prior & Peter Knight (Steeleye Span) setzten Akzente. »Morning Way« (März 1970) von Trader Horne, das einziges Album von Jackie Mc Auley und Judy Dyble, ist trotzdem es recht unbekannt ist, eines der besten Alben des psychedelischen Folk-Rock-Pop. Das gesamte Album, und sogar die beiden zusätzlichen späteren Titel von einer Single (siehe unten), sind vom Gesang und der Instrumentierung sehr gut ausbalanciert. Die Geschichten die über 13 Titel musikalisch erzählt werden wirken wie aus einem Guss, wie bei einem detailliert geplanten Konzept-Album. Die technische Ausführung ist an keiner Stelle 100-prozentig glattpoliert. Die Kompositionen wirken leicht rau und unvollkommen, dadurch aber weltverbunden. Kraftvolle und zeitlose Musik wie bei den frühen Werken von Dylan, Baez, Mitchell. Das ist kein Witz, sondern von vielen Fachkundigen unabhängig so bestätigt. Dieses Album ist ein ganz großer Wurf, es gehört in jede gut sortierte Sammlung von Alben der frühen 70iger. Hochklassig, vom Feinsten!!
Video Dokumentation 2015 – Judy und Jackie hatten nach Trader Horne nicht mehr viele gemeinsame musikalische Berührungspunkte. Jackie versuchte ja auch nach Ausstieg von Judy Dyble, mit Saffron Summerfield das Folk-Duo am Leben zu erhalten und damit weiter zu machen. Leider erfolglos !! Aber am 29. November 2015 war es in der Bush Hall soweit, Welcome Back My Friends To The Show That Never Ends – Ladies And Gentlemen – Trader Horne mit »Morning Way Revisited«. Dieses circa 20-minütige Zeit-Zeugnis (siehe YouTube), alles in sehr guter Bild/Ton-Qualität, kann ich jedem Fan dieser Musikrichtung wärmstes erzählen. Jackie erzählt da auch die Geschichte mit dem Band-Namen, es war tatsächlich das Kindermädchen Florence Horne von John Peel die dafür namentlich ausgewählt wurde. Judy sagte: Keine Ahnung was Trader Horne bedeuten sollte. Gast-Musiker: Bruder Brendan McAuley (Mandoline, Flöte, Back-Vocals), Steve Bingham (Voline), Alistair Murphy (Keyboards), Phil Toms (Keyboards, BV), Mark Fletcher (Bass, BV), Jeremy Salmon (E-Gitarre), Ian Burrage (Cahon, Perkussion).
Morning Way, Dawn Records 03-1970 (DNLS 3004)
- Jenny May (Written-By – McAuley) – 2:27
- Children Of Oare (Written-By – McAuley) – 4:04
- Three Rings For Elven Kings (Written-By – McAuley) – 2:13
- Growing Man (Written-By – McAuley) – 4:05
- Down And Out Blues (Arranged By – Ray Elliot, Written-By – Traditional) – 4:33
- The Mixed Up Kind (Written-By – McAuley) – 6:26
- Better Than Today (Written-By – McAuley) – 3:12
- In My Loneliness (Written-By – McAuley) – 2:22
- Sheena (Written-By – McAuley) – 2:43*
- The Mutant (Written-By – McAuley) – 2:54
- Morning Way (Written-By – Dyble) – 4:36*
- Velvet To Atone (Written-By – Dyble, Martin Quittenton) – 2:26
- Like That Never Was (Written-By – McAuley) – 4:56
- Here Comes The Rain (Written-By – McAuley) – 2:39**
- Goodbye Mercy Kelly (Written-By – McAuley) – 3:17**
*Single Pye Records 11-1969 (7N 17846)
** Single Dawn Records 02-1970 (DNS 1003) – Bonus Tracks
Weiterlesen RZ: Quiet World – John Martyn – Klingende Grüsse, Der SchoTTe
Es ist traurig, aber biologisch unvermeidbar. Es ist manchmal unvorhersehbar, fast immer aber überraschend wenn es dann tatsächlich eintritt. Charlie Watts (Schlagzeuger Rolling Stones), János Kóbor (Frontmann Omega), Reibeisenstimme Volker Lechtenbrink und auch David Longdon (Kreativ-Kopf Big Big Train und vieler anderer Projekte, siehe Foto Night Of The Prog 2018) sind einige die uns verlassen haben. Zeitlose Grüsse, Der SchoTTe