Kamchatka

Intro: Das Pandemie-Jahr 2020 wird als Schwarzes Jahr in die Annalen der Musikgeschichte eingehen, vor allem betroffen ist natürlich die Legion der Bands die auf Liveauftritte angewiesen ist. Nein, ich meine nicht die Big Player die mit ihren Hightech-Shows Fussballstadien füllen, bei denen und den dazugehörigen Grossveranstaltern hält sich mein Mitleid in engen Grenzen, die haben ihre Millionen schon längst ins Trockene geschafft, viel mehr trifft es die kulturelle Basis mit aller Härte, den Bereich der Kleinkunst, die ganze Situation für Künstler, Musiker, Schauspieler, Techniker, Zulieferer, Helfer, Clubs und Musiklokale etc. ist tragisch. Ich denke auch an die enthusiastischen Unternehmungen die mit rudimentärem Equipment und rostigen Fahrzeugen ganze Kontinente durchqueren um für ihre treuen Fans Konzerte in winzigen Locations zu spielen. Ja, damals 2016, da war die Welt noch in Ordnung und Konzerte gab es im Überfluss: Ich pickte mir Kamchatka aus dem Angebot und sollte nicht enttäuscht werden, es war ein (zu erwartender) Glücksgriff, der Gig am 11. März 2016 im Gaswerk Winterthur war einer der magischen Sorte.

Nachfolgend mein im ehemaligen Rockzirkus-Forum veröffentlichter kurzer Konzertbericht:

Im Zusammenhang mit Springsteen hat mal jemand gesagt er habe die Zukunft des Rock’n’Roll gesehen. Okay, wer auch immer, wie es dereinst abgehen wird, das steht wohl in den Sternen geschrieben, aber eins ist sicher, mir ist livehaftig die Gegenwart der Rockmusik begegnet und zwar in der Form von Kamchatka, einem Rocktrio aus Schweden, heissblütig, wild, ungestüm aber auch mit ausufernden Sequenzen die mich in der einen langen Jam-Passage gar an Quicksilver Messerger Service und Hawkwind erinnerten.

In eine bestimmte Kiste lässt sich der Power-Dreier um Gitarrist Thomas “Juneor“ Andersson, Drummer Tobias Strandvik und Bassist Per Wiberg (bei seiner zweiten musikalischen Liebe, den Spiritual Beggars sitzt er hinter der Orgel) kaum stecken, das Spektrum reicht von Blues im texanischen Wüsten-Style über zeppelinesken Hardrock und Boogie bis hin zu Psychedelic und Progrockpassagen. Alles locker serviert mit einer unbändigen Spielfreude und unter die Haut gehenden Grooves. Ja, irgendwie kann man diese Stilvielfalt auch als Stonerrock taxieren. Eigentlich egal, was zählt ist einzig und allein die Performance und die war an diesem Abend einzigartig und umwerfend.  

Angeheizt wurden Kamchatka von Gingerpig, einem Hardrock/Prog/Retro-Trio aus den Niederlanden. Gingerpig erreichten vielleicht nicht ganz den Wahnsinn des nachfolgenden Schwedendreiers, trotzdem gefiel mir Gitarrist/Sänger Boudewijn Bonebakker mit einigen seiner Nummern nicht schlecht., jedenfalls ist schon mal Spur gelegt der ich noch nachspüren werde.




Setlist Kamchatka (11. März 2016, Gaswerk Winterthur):

Auto Mowdown / Space Girl Blues
Pressure
Perfect
TV Blues
Human Dynamo
Rain
Take Me Back Home
Slowly Drifting Away / Jam
Made Of Gold
Dragons
Goodnight
Get Your Game On

Zugaben:
Doornocker Blues
The Search Goes On

Um die Spannung hoch zu halten und nicht in Routine zu verfallen setzen Kamchatka auf Tour die Songs im Programm täglich neu zusammen, sprich jeder einzelne Event erhält so eine individuelle Setlist und dadurch eine spezielle Note, die definitiven Setlists stellt die Band nach absolviertem Auftritt jeweils online.

Outro: 2016 hatten Kamchatka das damals aktuelle Album Long Road Made Of Gold im Gepäck, die Scheibe landete zusammen mit dem erlebten Konzert in meiner persönlichen Jahresendabrechnung auf den vordersten Plätzen. Die im Dezember 2019 veröffentlichte CD Hoodoo Lightning wollte ich mir eigentlich im letzten Frühling bei einem Kamchatka-Gig in der Innerschweiz besorgen, Corona machte dem Gastspiel, respektive der gesamten Tournee dann aber den Garaus. Auf der Website der sympathischen Schweden sind derzeit (Mitte November ‘20) noch diverse Dezember-Ersatztermine für Gigs in Deutschland aufgeschaltet, ich befürchte allerdings die müssen wohl nach irgendwann im Jahr 2021 geschoben werden.

Als Einstieg ins Klanguniversum von Kamchatka würde ich das erwähnte Album Long Road Made Of Gold (2015) mit dem Killerriff auf „Get Your Game On“ empfehlen und mich dann über The Search Goes On, Bury Your Roots, Volume III, Volume II zurückarbeiten bis zum Debut Kamchatka das 2005 erschien.


LONG LIVE ROCK!
mellow

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Ein Kommentar

  1. Kamchatka habe ich auf der selben Tour zusammen mit Gingerpig am 9.3.2016 im Z7 in Pratteln gesehen und gehört. Gingerpig war für mich zwar kein Totalausfall, aber die Band hatte doch extreme Längen im Set und war meiner Meinung einfach nicht gut genug. Zu viel Einheitsbrei.

    Der Headliner war da eine ganz andere Nummer, das war mal wieder ein interessanter Gig bei dem für mich nichts zu kurz kam. Intensiv. Druckvoll. Musikalisch 1A. Ich bin dann auch mit zwei LPs vom Merchandising Stand nach dem Konzert abgerauscht. Die Band ist eine dicke Empfehlung.

    Cheers

    Roland

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