Markenzeichen: Gutaussehender blondhaariger Frontmann mit Sonnenbrille
1956 – 1968: Er ist sicher auch einer der tragischen Protagonisten der 70iger, der aber zumindest diese mystische Altersgrenze von 27 überschreiten durfte. Lyrik-Barde Nick Drake verlor schon kurz vor seinem 27. Geburtstag den Kampf gegen seine Dämonen (siehe Tragische Rocker 1), den prominenten Klub 27 dokumentiert inzwischen ja eine ellenlange Liste. Was den Neuseeländer Gary Thain (Bass, Uriah Heep) und den SchoTTen Leslie Harvey (Gitarre, Stone The Crows), beide waren 27 Jahre alt und zählen somit auch zum Klub 27, mit dem Briten William Keith Relf verbindet ist der unglückliche Blitzeinschlag in Form von einem Unfall mit Elektrizität. Keith ist am 22. März 1943 in Richmond, Süd-England (Surrey) geboren, musizierte bereits ab Sommer 1956 in lokalen Bands als Gitarrist, Harmonikaspieler, Sänger.
Schon im Alter von nur 20 Lenzen gründete er 1963 im Swinging London die experimentelle Blues-Rock-Band The Yardbirds, bei der unter anderem die Gitarristen Chris Dreja, Top Topham, Jerry Donahue, Eric Clapton, Jeff Beck und Jimmy Page mitspielten. Neben den virtuosen Gitarrenspielereien setzte diese heute legendäre Band vor allem mit unverwechselbaren Gesang und kraftvollem Mundharmonikaspiel des blonden Brillen-Frontmann Akzente. Mitte 1968 löste Keith diese zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr ganz so erfolgreiche Truppe auf, einige machten wegen vertraglichen Angelegenheiten bis Ende 1968 als The New Yardbirds weiter und stiegen dann als Led Zeppelin in den Rock-Olymp auf. Schon 1966 nahm Keith Relf zwei Solo-Singles bei Columbia Records auf, seine einzigen beiden bisherigen Solo-VÖ (US: Epic). Die Titel waren »Mr. Zero« & »Knowing« sowie »Shapes In My Mind« & »Blue Sands«. Etwas später 1968 erschien noch die einzige Single des Duo-Projekt Together mit Kumpel und Schlagzeuger Jim McCarty und den zwei Titeln »Henry’s Coming Home« & »Love Mum And Dad«.
1969 – 1970: Den Rock-Olymp hätte Keith Relf eigentlich auch schon damals verdient gehabt und die Chance darauf war auch danach noch mehrmals gegeben. Zum Beispiel mit der ersten Ur-Besetzung von Renaissance. Diese völlig anders ausgerichtete Formation bestand zum einen Teil aus dem Gitarristen & Sänger Keith Relf und Schlagzeuger Jim McCarty von eben The Yardbirds (arbeiteten auch kurz als Duo Together) und wurde zum anderen Teil mit Schwester Jane Relf (Gesang), Louis Cennamo (Bass), John Hawken (Piano) vervollständigt. In dieser Quintett-Besetzung nahmen sie die beiden wunderbaren Alben »Renaissance« (1969) sowie »Illusion« (1970) auf. Das Debüt wurde sogar noch vom ehemaligen Yardbirds-Bassisten Paul Samwell-Smith produziert. Auch hier wurde rigoros Experimentiert, diesmal mit einer mehr klavier- und bassgetriebenen Melange aus Folk, Klassik, Jazz, Pop und Rock. Dennoch trennten sich aber schon Ende 1970 früh dann wieder die Wege dieser Fünf. Siehe zum Thema Renaissance auch: Renaissance – Illusion (1971) von mellow.
1971 – 1973: Keith Relf arbeitete dann in der Folgezeit in verschiedenen Projekten, produzierte britische Bands wie die Progger Saturnalia (1973: »Magical Love«), Akustik-World-Band Amber und die Folk-Rocker Hunter Muskett (1973: »Hunter Muskett«), war kurz kreatives Mitglied als Produzent und am Bass bei den Folk-Blues-Rockern Medicine Head, wendete sich dann aber der Hard-Rock-Band Steamhammer zu (Produzent, Gesang). Dort fand er sicher auch neue Ideen und Inspirationen für das nächste Projekt. Einen Teil der zukünftigen Mitspieler für diese nächste Großtat rekrutiert er auch dort.
1974 – 1976: Den dritten Versuch hatte Musikmeister Keith Relf dann 1974 mit neuer Ausrichtung in der hart rockenden All-Star-Band Armageddon. Dort arbeitete er mit Martin Pugh (Gitarre, vorher: Rod Stewart, Captain Beyond, Steamhammer), Bobby Caldwell (US-Schlagzeuger, zuvor Johnny Winter, Captain Beyond) und schließlich Louis Cennamo (Bass, vorher ebenfalls Captain Beyond & Steamhammer und Renaissance). Die Gruppe produzierte nur das selbstbetitelte und sehr beachtete Album »Armageddon« (1975) mit nur fünf Songs. Siehe zum Thema Armageddon auch: Armageddon (Band von Keith Relf) von remo4.
Es gibt kaum Möglichkeiten, die Bedeutung von Keith Relfs Beiträgen zum modernen Rock & Roll zu überschätzen. Der lebensfrohe sympathische Brite war einer der ganz großen Visionäre des Classic-Rock, der mit seinen vielen Ideen damals die moderne Rock-Musik mächtig vorangetrieben hat. Er war vielleicht einfach etwas zu rastlos und ungeduldig, hatte Pech oder zu wenig Glück, je nachdem von welcher Seite man das sieht. Selbst kurz vor seinem Tod arbeitete er an verschiedenem hochkarätigen Material für Armageddon, Renaissance und für eine neue Band namens Illusion. Chris Welch im englischen Begleittext zum Album: „Keith war ein echter Pionier von Heavy-Rock-Improvisationen noch vor Cream und Led Zeppelin oder all den anderen amerikanischen West-Coast-Bands.“
Renaissance hatte Anfang der 70iger mit ihrer Musik mit Schnittmenge aus Variationen von Klassik, Folk, Jazz, Rock und mehrstimmigen Frau-Mann-Gesang praktisch ein Alleinstellungsmerkmal in der weltweiten Rock-Szene. Um die ausbildete Sopranistin Annie Haslam sowie den beiden Virtuosen John Tout an Tastengeräten und Komponist & Gitarrist Michael Dunford hatte sich nach Auflösung der Relf-Renaissance eine komplett neue Formation Renaissance II gegründet. Die spielten dann von 1972 bis 1979 zusammen das eigentliche Vermächtnis der Band als Bündel an herausragenden Alben ein. Auf dieser populären Welle wollten dann auch die vier Gründer Jane Relf, Jim McCarty, Louis Cennamo, John Hawken wieder weiter mitschwimmen. Sie gründeten dann tatsächlich mit Illusion eine zwar unbekanntere aber nicht minder spektakuläre Gruppe. Deren beiden Alben »Out Of The Mist« (1977) und »Illusion« (1978) sind auf ähnlich hohen Niveau und eine schwergewichtige Bereicherung der Diskographie dieses Künstler-Kollektiv von drei Bands und der beiden Relf-Geschwister. Aber Illusion ist ein anderes, aber auch weiteres sehr interessantes Thema.
William Keith Relf, er hatte die Söhne Danny & Jason und lebte 10 Jahre mit April Liversidge zusammen, starb am 14. Mai 1976 kurz nach seinem 33 Geburtstag im Keller seines Hauses in London an den Folgen eines Schocks nach einem sehr starken Stromschlag durch eine falsch geerdete Elektro-Gitarre. Ausschlaggebend waren vermutlich auch seine Vorerkrankungen. Seine Musik und deren Macher haben es verdient, nicht vergessen zu werden, deshalb wurden Relf und seine The Yardbirds 1992 in die Rock´N´Roll Hall Of Fame aufgenommen. April Mannino, Danny & Jay haben seine Ehrungen entgegengenommen. Zu seinen Ehren hat man nun 2020 die letzten bisher noch nicht komplett zugänglichen Titel würdig restauriert und bei Repertoire Records VÖ.
Ihrer Label-Philosophie folgend gräbt der Yardbirds Vermächtnisverwalter Repertoire Records wieder einen weiteren nun restaurierten Schatz rund um die The Yardbirds aus, nicht das erste Mal. Mit dieser VÖ wird die Lücke in der Historie dieses einmaligen Künstlers mit »All The Falling Angels – Solo Recordings & Collaborations 1965-1976« (2020, REPUK1385, auch als Doppel-Vinyl) würdig geschlossen. Allerdings haben einige der Aufnahmen letztendlich einen zwar hohen Raritätswert, dafür muss man jedoch ein paar Mal deutliche Abstriche bei deren Soundqualität in Kauf nehmen. Auch das umfangreiche 32-seitigen Booklet mit vielen teilweise unveröffentlichten Fotos und interessanten Texten von vielen Weggefährten, ist wie bei Repertoire üblich hervorragend und aussagekräftig. Es ergänzt diese Ton-Konserve mit Schrift und Bild und macht sie für Fans unverzichtbar.
Nachhören kann man das alles nun auf einer 68-minütigen Single-CD auf deren 24 Stücken (11 davon bisher unveröffentlicht) der unterschiedlichsten Art, auf welchen der ehemalige Front-Sänger der The Yardbirds auch sein instrumentales Talent beweist. Besonders experimentierte er sogar gerne mit elektronischen Klangerzeugern, die er speziell während seiner Renaissance-Phase entdeckte und die auch in der Film-Musik vom unveröffentlichten Spielfilm »Schizom« (1970) eine Rolle spielte. Besonders hatte es ihm ein Moog-Synthesizer angetan, mit dem er sehr gerne und viel experimentierte und vieles davon auch aufnahm. Gutes Beispiel hierfür ist der bis dato unveröffentlichte Titel »Sunbury Electronics Sequence«, der das Album auf Startnummer 24 abschließt. Seinem Leben entsprechend sehr unterschiedliche Keith Relf-Seiten – von akustisch pur bis rein elektronisch – lernt der geneigte Hörer, Raritäten-Sammler, Fan & Freund von The Yardbirds, Together, Renaissance in den knapp 70 Musik-Minuten sowie den umfangreichen Informationen des dicken Booklets und des Digi-Pack von All The Falling Angels: Solo Recordings & Collaborations 1965-1976 kennen. Natürlich ist diese Sammlung in erster Linie für die Liebhaber des Musikers und seiner genannten Bands gedacht.
All The Falling Angels – Solo Recordings & Collaborations 1965-1976 (2020, CD: REPUK1385)
- Knowing (Single 1966) +++ Bisher Unveröffentlicht *
- Mr. Zero (Single 1966) [Bob Lind]
- All The Pretty Little Horses
- Only The Black Rose (Demo) *
- Glimpses (Demo) * [Dreja, McCarty, Page]
- Shapes In My Mind (UK Edit) (Single 1966) [Simon Napier-Bell]
- Echoes I May Find *
- Shining Where The Sun Has Been (Together) [MCar]
- Henry’s Coming Home (Together) [Jim McCarty]
- Love Mum And Dad (Together) [Jim McCarty]
- Together Now (Together) [Jim McCarty]
- Line Of Least Resistance * (Together) [Jim McCarty]
- Try Believing (Renaissance) [Jim McCarty]
- High Mountain Theme (Demo) (Schizom OST)
- End And Out * (Schizom OST) [Jim McCarty]
- Just Think What You’re Achieving *
- Collector Of The Light * [Louis Cennamo, Relf]
- I’d Love To Love You Till Tomorrow (Renaissance)
- High Mountain Theme (Schizom OST)
- All The Falling Angels [Jim McCarty]
- Cherokee *
- Voice Echo *
- The Roundalay * [Jim McCarty]
- Sunbury Electronics Sequence * +++ [Komponist]
Fazit Musik-Historisch: Prädikat, besonders wertvoll !!
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