Heutzutage kennt das exquisite Duo Richard Hudson und John Ford ausser ein paar wenigen Insidern wohl fast niemand mehr. Ihren einen Song „Part Of The Union“ hingegen schon, das Lied basierte auf „Union Maid“ von Woody Guthrie und den Almanac Singers. Die generalüberholte Neuversion von Hudson-Ford erreichte mit ihrer damaligen Band Strawbs anno 1972 Platz 2 der britischen Singlecharts und wurde zu sowas wie einer inoffiziellen Gewerkschaftshymne, zumindest im Vereinigten Königreich. Neben dem Bandleader Dave Cousins hatte es aber vermutlich zu wenig Platz für weitere Leithengste, der Bassist (John Ford) und der Drummer (Richard Hudson) die seit ihren Anfängen bei Elmer Gantry‘s Velvet Opera nur im Doppelpack zu haben waren, wählten deshalb nach dem riesigen Single-Erfolg Anfang ‘73 den Weg in die Selbständigkeit.
Bei Hudson-Ford waren natürlich sie selber die Chefs, Richard Hudson überliess das Trommeln dem versierten Gerry Conway (Fotheringay, Fairport Convention, Cat Stevens, Jethro Tull) und wechselte zur Gitarre und ans Mikrofon um zusammen mit John Ford die eigenen Songs zu intonieren. Leadgitarrist der neuen Band wurde der Studiomusiker Mickey Keen (eigentlich Michael Henry Willshire, er spielte zusammen mit Alex Harvey bei Hair und auf dessen LP Roman Wall Blues, bei Sparrow, Ashman Reynolds, war tätig für christliche Musiker wie Malcolm & Alwyn und Larry Norman und nach Hudson-Ford griff er für Maggie Bell in die Saiten, danach wurde es stiller um ihn), hinter den Keyboards sass Chris Parren. Bei A&M (die ja auch die Strawbs unter Vertrag hatten) wusste man genau was für ein Rohdiamant ihnen mit Hudson-Ford in die Hände gefallen war, man liess dem Duo freie Hand bei der Produktion der ersten LP Nickelodeon, unterstützt wurden sie von Engineer Tom Allom der zu der Zeit auch die Strawbs im Studio betreute, er machte ab Ende Seventies im harten Rockbereich vor allem als Hausproduzent von Judas Priest von sich reden. Es fanden sich weitere Musiker im Studio ein, der Bekannteste dürfte wohl Tastenmann Rick Wakeman von Yes gewesen sein, 1970/‘71 war er ebenfalls ebenfalls Mitglied der Strawbs.
Nickelodeon (1973) geriet zu einer breit gefächerten Songsammlung die gleich auf mehreren Stühlen Platz nahm, beinhaltete Hardrock und flotten Powerpop à la Badfinger („Take It Back“), Folk („Solitude“), Balladen („Let Her Cry“) aber auch progressiv angehauchte Passagen („Dark Lord“). Die Stimmen der beiden Anführer (Richard Hudson ist derjenige mit der, naja, sagen wir mal „hohen Stirn“) sind sich dermassen nah, dass man sie beinahe nicht voneinander unterscheiden kann, sie scheinen zu verschmelzen, ein Trademark das sich über alle ihre Produktionen erstrecken sollte. Nickelodeon ist durchwegs spannend, nur schon der Opener „Crying Blues“ mit seinem Rockriff ist ein Killer, Roy Wood und Wizard hätten das nicht besser hingefummelt. Bei „Angel“ traf ein Banjo auf die von Hudson gespielte E-Sitar, Hudson-Ford waren also durchaus auch innovativ.
Den „Crying Blues“ spielten sie in einem von Uschi Nerke anmoderierten Live-Auftritt im Musikladen (15. Mai 1974, Folge 14), hier spürt man die pure Spielfreude mit der Hudson-Ford die Sache jeweils anpackten. Die 45er „Burn Baby Burn“ wurde in den USA nicht veröffentlicht, der Songtitel war 1968 in den Staaten ein Slogan bei den damaligen Unruhen gewesen. Die beiden Briten wussten das natürlich nicht, die Plattenfirma hingegen schon und ging kein Risiko ein, der Titel wurde deshalb unauffällig auf der US-Ausgabe von Nickelodeon untergebracht. Eine andere ausgekoppelte Single, das pumpende „Pick Up The Pieces“ schaffte es bis auf Platz 8 der englischen Charts und blieb damit die erfolgreichste Kurzrille der Band. Auf Nickelodeon folgten umfangreiche Tourneen durch Nordamerika, kurz danach erschien die zweite LP Free Spirit (1974).
Free Spirit stand Nickelodeon in nichts nach, bildete die logische Fortsetzung des Erstlings. Gerry Conway war unterdessen weitergezogen, der neue Drummer der sich perfekt in die gut geölte Maschinerie einfügte hiess Ken Laws. Den Songreigen eröffnete das furiose, vertrackte, fast 7minütige Pop-Prog-Monster „Take A Little Word“, das darauf folgende „Free Spirit“ hingegen hätte man genauso gut ins Repertoire der Doobie Brothers schmuggeln können. Der Überflieger auf dieser Scheibe ist für mich aber das hochromantische mit Strings und Querflöte hinterlegte „Mother Mild“, ein Traum der Schlichtheit wie ihn jeweils Moody Blues zur Zeit ihrer Hochblüte nicht ästhetischer und atmosphärischer in Szene gesetzt hatten. Die eingeschlagene Richtung stimmte im Prinzip, mit Songs in der Machart von „Silent Star“ (mit Mellotron) schafften es beispielsweise Barclay James Harvest ganz an die Spitze. Resümee: Auch Free Spirit ist wie das Debut ein durchwegs gelungener Ritt durch die Genres, kommerzieller Erfolg blieb allerdings weiterhin Mangelware.
Hudson-Ford packten auch die dritte Chance an die ihnen A&M vertraglich zugesichert hatte, der Longplayer Worlds Collide erschien 1975. Mickey Keen hatte die Band Ende 1974 verlassen, auf ihn folgte Mick Clarke von der Roy Young Band, allerdings erst nachdem die dritte LP eingespielt war. Das Album ist eine weitere gelungene Visitenkarte die problemlos das hohe Niveau der vorausgegangenen Platten halten konnte, auch hier praktizierten die beiden Bandleader wieder den Spagat zwischen eingängigem Pop und progressiven Teilen, bestes Beispiel ist der Track „Mechanic“ der zwar diverse Stile miteinander fusioniert aber doch wie aus einem Guss wirkt.
A&M verlor danach die Geduld, Hudson-Ford gaben aber noch nicht auf und tauchten 1977 mit dem Album Daylight bei CBS wieder auf. Mittlerweile hatte sich die musikalische Umgebung radikal verändert, mit so etwas wie dem funky „Are You Dancing“ liessen sich definitiv keine Blumentöpfe mehr gewinnen, Hudson und Ford erkannten das und gaben ihr gemeinsames Projekt auf.
1979 meldeten sie sich allerdings mit The Monks zurück. Die Namenswahl war nicht sonderlich geglückt, denn die Band wird immer wieder verwechselt mit der amerikanischen Kulttruppe The Monks die in den Sixties in Deutschland Pionierarbeit in Sachen Beat (respektive New Wave) geleistet hatte.
Die Koordinaten der neuen Hudson-Ford-Unternehmung kann man am ehesten mit New Wave, einer Portion Punk und Powerpop umschreiben, „Nice Legs Shame About Her Face“ durften die Mönche sogar bei Top Of The Pops präsentieren, sie schafften es damit auf Platz 19 der Single-Charts. Beim britischen Publikum konnten die Monks mit der Langrille Bad Habits trotzdem nicht landen, ebenso wenig war John Lydon von der Nummer „Johnny B Rotten“ angetan, er sprach von einer schlechten Kopie der Sex Pistols, den Witz hinter der Nummer akzeptierte der Kronprinz des Punkrocks offenbar nicht, die Zeit war wohl nicht reif genug um eine solche Persiflage zu verdauen. Im Gegensatz zu Europa lief in Kanada das Geschäft ausserordentlich gut, Bad Habits und die nachfolgende LP Suspended Animation (1980) verkauften sich dort ausgezeichnet.
Nach der Auflösung der Monks schloss sich Richard Hudson wieder den Strawbs an, Jim Ford widmete sich Soloaktivitäten.
Der ausbleibende Erfolg von Hudson-Ford ist im Nachhinein betrachtet ganz einfach Pech, an den Songs lag es kaum. Die Musik die Hudson-Ford Mitte Seventies produzierten ist enorm vielseitig und hat das Verfallsdatum auch Jahrzehnte später noch nicht erreicht.
Die drei A&M-Alben (inkl. Bonusmaterial) von Hudson-Ford wurden 2017 von Caroline Records in Form einer 3-CD-Clamshell-Box neu aufgelegt, das ebenfalls um Bonustracks erweiterte Album Daylight erschien 2018 als einfache CD bei Esoteric Records.
LONG LIVE ROCK!
mellow