Dana Gillespie

Eine abenteuerliche musikalische Karriere aus dem Bereich Irrungen und Wirrungen, zu guter Letzt aber mit sicherem Einlauf in den Zielhafen. Die 1949 in Woking in England geborene Sängerin, Songwriterin und Schauspielerin Richenda Antoinette de Winterstein Gillespie (der Papa war ein nach England emigrierter Adliger deutsch/österreichischer Herkunft) sah sich von Beginn ihrer Laufbahn an in erster Linie als Musikerin, die Schauspielerei kam danach als zweites Standbein dazu. Grosse Stricke zerriss sie mit ihren Filmrollen allerdings nicht, ihre weiblichen Kurven im Hammer-Streifen Lost Continent (deutscher Titel: Bestien lauern vor Caracas) von 1968 waren neben dem gleichnamigen Titelsong der grandiosen Peddlers und dem Auftritt von Hildegard Knef sogar das Highlight des B-Movies. Ebenfalls schräg aber sicher künstlerisch wertvoller war da sicher Mahler (1974) von Ken Russell bei dem sie in die Rolle der Sopranistin Anna von Mildenburg schlüpfte.

                     

Weitaus spannender ist die musikalische Seite von Dana Gillespie. Schwer beeindruckt vom amerikanischen Drummer Sandy Nelson startete sie in den frühen Sixties mit Schlagzeug, wechselte aber schon bald als Singer/Songwriterin ins angesagte Folk-Fach. Der Teenager fühlte sich vor allem im Londoner Marquee Club gut aufgehoben, Mods wie The Who und The Yardbirds zählten zu ihren Favoriten, sie freundete sich da auch mit dem jungen Sänger Davy Jones an und erhielt eine Audienz bei Bob Dylan als der in England unterwegs war. Der eigene Vorname verschwand, ab der ersten mit Unterstützung von Donovan Leitch entstandenen PYE-Single mit dem Traditional «Donna Donna» (1965) nannte sie sich fortan Dana Gillespie. Die B-Seite «It’s No Use Saying If» hatte sie übrigens selbst verfasst, meiner Meinung nach hätte der Titel sogar auf die A-Seite gehört.

Nach ein paar weiteren Singles («Thank You Boy» wurde von Jimmy Page produziert) und Ausflügen auf die Leinwand erhielt Dana 1968 die Chance ein Album für die Plattenfirma Decca zu machen. Und was sie da unter den musikalischen Fittichen von Mike Vickers und Wayne Bickerton ablieferte ist ganz einfach sagenhaft, eine zu Unrecht vergessen gegangene Schatzkiste britischen Musikschaffens. Welche Musiker im Detail an der LP beteiligt waren lässt sich mangels damals nicht festgehaltener Plattenhüllen-Infos nicht mehr genau sagen, Jimmy Page griff jedenfalls beim Album-Opener, dem elektrifizierenden Modrocker «You Just Gotta Know My Mind» zur Gitarre. Den Titel sang Dana zusätzlich in Französisch ein, für die entsprechende Single legt man zur Zeit um die 250 Euro auf den Tisch. Ob der Studiomusiker und künftige Zeppelin-Bassist John Paul Jones auch involviert war lässt sich nur vermuten. Dana Gillespie sang sich sicher und variantenreich durch die Songs auf Foolish Seasons und sorgte für den Beweis, dass sie mit dieser überzeugenden Stimme in jedem Musik-Genre überzeugen konnte.

Sie streifte natürlich auch das Folk-Genre bei «Foolish Seasons» und dem von ihr selber verfassten «He Loves Me, He Loves Me Not», gab aber auch klasse Popvisitenkarten im Stil von «Can’t You See I’m Dreaming» und «London Social Degree» ab. «No! No! No!» erhielt endlich den Anstrich den der Polnareff-Song auch verdient hatte während «Dead» eine grandiose Gratwanderung zwischen Pop, Soul und Jazz darstellte, obwohl Dana Gillespie später in einem Interview behauptete sie hätte nie Jazz gesungen, das könne sie gar nicht, für sie sei das Blues gewesen. Für die optische Umsetzung des Albumcovers posierte Dana vor der Kamera des Star-Fotografen Gered Mankovitz, das war sie sich ja bereits gewöhnt, Dana war äusserst fotogen und hatte bereits Erfahrung gesammelt im Bereich… naja.. also bei einigen Fotosessions präsentierte sich Dana schon recht freizügig, später setzte sie sich sogar einmal mit dem Interviewer in die Badewanne.


«Foolish Seasons» überzeugt auch nach Jahrzehnten noch in allen Belangen und ist homogener geraten als der nachfolgende Longplayer Box Of Surprises (1969) der zwar auch mit ein paar Highlights aufwarten kann, mir persönlich zu heftig zu heftig zwischen den Stil-Polen pendelt.

Anstelle von Page waren auf diesem Nachfolgealbum Savoy Brown beteiligt, (die lieferten ihre Beiträge vermutlich für eine Kiste Bier ab), anhand des Leadgitarren-Klangs erkennt man den Bandleader Kim Simmonds auf Anhieb. Chris Spedding mischte eventuell ebenfalls mit, aber auch hier sind die Aufnahmen nicht ausreichend dokumentiert worden.

Parallel zum Engagement beim Musical Jesus Christ Superstar (Dana war bei der Produktion in London mit von der Partie) begann sich Davy Jones (der sich nun David Bowie nannte) um sie zu kümmern. Er überliess ihr seinen grossartigen Song «Andy Warhol» der schlussendlich auf Dana’s erstem RCA-Album Weren’t Born A Man (1973) landete.

Dana trat hier auch als Produzentin auf, einzig «Andy Warhol» und «Mother, Don’t Be Frightened» wurden von Bowie und seinem Sideman Mick Ronson in Szene gesetzt. Einmal im Bowie-Universum gelandet entfernte sich Dana Gillespie immer mehr von ihren Wurzeln die im Folk und im Blues lagen, Glamrock war eben das Ding der Stunde.

Im Gegenzug betätigte sie sich immer stärker als Songwriterin, auf dem Album Ain’t Gonna Play No Second Fiddle (1974) stammten 7 von 10 Songs aus ihrer eigenen Feder, eine hervorragende Platte übrigens mit klasse verschlepptem Rock im Stil der Stones, in der Begleitband spielten Drummer Simon Phillips, Saxophonist Mel Collins, das Duo Micky Gallagher und John Turnbull das man aus Bands wie Loving Awarness und The Blockheads kennt.

Bowie zog es nach Amerika, Gillespie strandete stattdessen in Österreich wo sie sich erst einmal mit zeitgenössisch klingendem Pop beschäftigte und 1986 mit der Single «Move Your Body Close To Me» ihren wohl grössten Hit landete, zusätzlich arbeitete sie damals als Moderatorin beim österreichischen Blue Danube Radio. Schlussendlich fand sie im alpenländischen Exil als Frontfrau der Mojo Blues Band definitiv zum Blues, Boogie und Bluesrock.


Seit den 80ern hat Dana Gillespie im Bereich Blues unzählige Tonträger veröffentlicht, zuerst mit der erwähnten Mojo Blues Band, später mit der eigenen London Blues Band im Rücken. Neben reinen Soloplatten lässt sich Dana Gillespie aber auch immer wieder auf Projekte ein, sie spannt beispielsweise oft mit dem österreichischen Pianisten Joachim Palden (ehemals Mojo Blues Band) und der begnadeten Drummerin Sabine Pyrker zusammen. Unabhängig vom Blues singt sie auch spirituelle Sanskrit-Lieder im Geiste der Lehre ihres verstorbenen indischen Gurus Sathya Sai Baba. Anfang 2020 spielte Dana in Rom ein akustisches Showcase an der Bowienext Glam Night (sie referierte dabei in Italienisch und Englisch), für einmal trat der Blues zugunsten der Folk-Roots etwas in den Hintergrund.

Die rüstige, hochaktive Lady hat zwar nie den Bekanntheitsgrad ihrer britischen Kollegin Maggie Bell und deren Band Stone The Crows erreicht, aber das besagt rein gar nichts, vermutlich war Dana zur richtigen Zeit bloss am falschen Ort und Bell kriegte deshalb die ganzen Rockolymp-Lorbeeren ab. Wer sich aber für authentischen, swingenden, aber auch tiefschürfenden Blues und stampfenden Bluesrock erwärmen kann, der wird auch von der weniger bekannten Dana Gillespie und ihrer Stimme hell begeistert sein. Ihr aktuellstes Album Under My Bed erschien Ende 2019 beim Label Ace Records und ist ein weiteres Herz erwärmendes und brillantes Statement dafür sich wieder einmal auf eine Affäre mit dem guten alten Blues einzulassen. Die weiteren geplanten Auftritte im Jahr 2020 musste die sympathische Künstlerin infolge der grassierenden Corona-Pandemie vorerst auf Eis legen. Von einer Absage nicht betroffen war das jährliche, jeweils Ende Januar stattfindende und von Dana Gillespie mitorganisierte Mustique Blues Festival auf den Grenadinen.

WHAT A WOMAN… LONG LIVE THE BLUES!
mellow

 

Foolish Seasons und Box Of Surprises wurden 2018 von Rev-Ola unter dem Titel London Social Degree auf CD gepresst.

Die Bowie-Jahre mit den Alben Weren’t Born A Man und Ain’t Gonna Play No Second Fiddle plus Bonusmaterial wurden 2019 von Cherry Red als What Memories We Make – The Complete MainMan Recordings 1971-1974 auf 2 CD’s dokumentiert.

Dana’s Discografie der späteren Jahre ist äusserst umfangreich, viele ihrer Tonträger sind mittlerweile leider vergriffen. Man kann sich aber problemlos im Web einen Überblick verschaffen und dann auch gezielt die Phase die einem am spannendsten erscheint aus der langen Karriere herauspicken um sie genauer zu erforschen.

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