BAND OF JOY

Mangels Infos zu 24K (einer meiner unumstrittenen Inselplatten) der Band Of Joy trug ich vor etlichen Jahren die raren Infos die ich gesammelt hatte zu nachfolgender (fiktiven) Bandstory zusammen. 2005/2006 zeigte das Label Cherry Red dann endlich Erbarmen und befreite die beiden LP’s der Band Of Joy aus dem Archiv. Selbstverständlich kam im Zuge der Wiederveröffentlichung auch die wirkliche Bandgeschichte ans Tageslicht. Stimmungsmässig lag ich mit meinem Artikel aber nicht mal so weit neben der Realität, ich denke die paar Zeilen umschreiben die unglaubliche Energie die in 24K steckt auf akzeptable Weise.

Dunkler Rauch züngelte aus einem Schornstein eines der alten, heruntergekommenen Fabrikgebäude in einem Industrieviertel von Birmingham. Er verfärbte sich im dem einsamen Sonnenstrahl der durch die grauen Wolken drang zu einem goldenen Lichtblick.

Vor einer dieser Industrieruinen stand ein verbeulter, abruchreifer Bedford. Drinnen in dieser ausgedienten Fabrikhalle mit den matten, teilweise zerschlagenen Fensterscheiben hingen Paul und Kevyn herum und hörten sich ein Tape ihrer jüngst veröffentlichten LP an. Die Halle diente als Proberaum der Band und beherbergte ihr armseliges Equipment. Sie versuchten sich vorzustellen was alles hätte passieren können, wenn es das Schicksal besser mit ihnen gemeint hätte, aber eben, irgendwie war alles schief gelaufen. Anstatt wie einige Bekannte unter Kaliforniens Sonne herumzuliegen und Champagner zu trinken, vernichteten sie nun billiges Bier aus dem Supermarkt.

Damals in den verrückten Sixties, als man sich mit Blues und Rock’n’Roll zu beschäftigen begann, hatte noch eine ganz andere Stimmung vorgeherrscht, ja, man war da ziemlich euphorisch. Robert sang damals, John war der Drummer. Ihr Manager aber jagte Robert irgendwann zum Teufel, er war der Meinung der hätte nun absolut keine Stimme. Das war wohl ein grober Fehler. Der gefeuerte Sänger holte dann später den Trommler ‚raus aus der glücklosen Truppe und dann wurden die beiden Bandflüchtlinge im Schnellzug zu millionenschweren Rockstars die auf den grössten Bühnen Welt das Publikum begeisterten. Selbst Neville, der ehemalige Roadie von Robert hatte mehr Glück als Paul und Kevyn gehabt und schrieb sich mit unzähligen Hymnen in die Herzen der Teenager. Hey, und sogar der liess sich im Rolls Royce herumchauffieren.

Stattdessen hatte man einen Neuanfang gewagt mit Sänger Jess und hatte irgendwie auch einen Plattenvertrag mit einer Company gekriegt, Bronco nannte sich die Band. Die Gazetten schrieben auch nicht schlecht über ihre Werke, aber der grosse Wurf waren sie dennoch nicht gewesen. Und dann liess sie ihr Sänger sitzen um eine Solokarriere zu starten. Zum Heulen war das. Schliesslich starb ihr ehemaliger Bassmann Vernon Pereira. Um der Familie des alten Kumpels zu helfen in dieser schwierigen Zeit, traf man sich zu einem Benefiz-Gig. Tja, und daraus wurde dann mehr. Die musikalische Landschaft hatte sich aber unterdessen gewandelt, dieser wilde, dreckige Punkrock hatte über Nacht die Macht an sich gerissen. Man hatte wohl einen kreditwürdigen Namen und bekam schnell wieder einen Plattenvertrag, aber die Langrille die sie für Polydor produzierten verschwand anonym in einer dunklen Spalte der Rockgeschichte. Dann lasen sie vom Tod von Luftschiffer John in der Zeitung, verd… was war bloss los! Die Welt um sie herum war kaputt, schlecht, voller Verlierer und hinter jeder Ecke lauerten Drogendealer. Oh du altes England, es ging auf die tiefste Talfahrt seiner Geschichte und die unheilige Maggie schlug zudem noch eine Schlacht um diese kargen, elenden, von Schafen bewohnten Felsen im Atlantik anstatt sich um das Wohl ihrer Inselbewohner zu kümmern.

Irgendwann zu dieser Zeit, in einem letzten Aufbäumen verschwanden die beiden Freunde und ihre Band dann für ein paar Nächte in einem billigen Londoner Tonstudio. Und genau diese Aufnahmen hörten sich die beiden Freunde Paul und Kevyn jetzt an. Sie hatten sich bei dieser Session die Seelen aus dem Leib geschrien und gespielt wie nie zuvor und nie mehr danach! Der ganze Frust der sich angesammelt hatte wurde in pure Energie umgewandelt! Dreckiger, russgeschwärzter harter Rock And Roll, die musikalische Umsetzung ihrer Welt in der die Farbe Rosa ein Fremdwort war. Die Membranen der Lautsprecher schienen dem Druck dieser Urgewalt kaum gewachsen als „Submarine City“ los dröhnte. Was für ein Opener, wäre das ein toller Soundtrack für einen dieser neuen, dunklen Science-Fiction-Filme gewesen meinte Paul. Ja, ihre Variation den Rock zu spielen hatte schon was Einzigartiges. Punk, New Wave, „Rattus Norvegicus“ dieses donnergrollende Statement der Stranglers, ja, diese urtümlichen Sounds hatten sie die letzten Jahre beeinflusst. Und natürlich war da die ganze eigene musikalische Vergangenheit. All das zusammen hatte dieses hochgiftige, explosive Gemisch ergeben. Jetzt fand „Take It Easy“ den Weg in ihre Gehörgänge und Paul und Kevyn blickten sich in die Augen und wussten ohne etwas zu sagen, dass man mit diesem Song alles was mit britischer Rockmusik in Verbindung gebracht wurde, auf einen Nenner gebracht hatte. Energiegeladener und brutaler gings nicht mehr. Da war alles drin gespeichert, die Wildheit, die Rohheit und ihr frustriertes Gedankengut welches so ganz und gar nicht dem friedvollen Bandnamen entsprach. Die neue Platte lief natürlich auch nicht, die Scheibe wurde neben dem hochdotierten Heavy Metal von Iron Maiden und Judas Priest schlichtweg ignoriert. Die Schachteln mit den ganzen cellophanierten Longplayers standen nun verloren in ihrem Probelokal herum. Vielleicht hätte man sich eben doch Band Of Joy nennen sollen und nicht nur Joy, vielleicht hätte man vermehrt mit der Legende spielen sollen, aber so wollten auch die Verehrer der fliegenden Zigarre nichts von ihnen wissen. Fakt war, dass man eine der besten Rockplatten der Popgeschichte produziert hatte, sie wussten es.

Draussen hörte man eine Karre parkieren. Das war wohl Bassist John der Francesco und Michael zur Bandprobe anlieferte. Dann ging die Türe. Francesco stürmte herein, war ziemlich nervös und platzte auch gleich damit heraus. Er haue ab, zurück nach Italien, er wolle endlich dieser tristen Gegend entfliehen, ab an die Sonne! Es war keine Ueberraschung mehr gewesen, Paul und Kevyn hatten es schon vorher gespürt: Das war’s gewesen, das endgültige Ende einer legendären, sagenumwobenen Rockband.

LONG LIVE ROCK AND ROLL!
mellow

 

Band Of Joy (1976 – 1983):
Kevyn Gammond (Guitar, Vocal)
Paul Lockey (Guitar, Vocal)
John Pasternak (Bass)
Francesco Nizza (Drums)
Michael Chetwood (Keyboards)

in weiteren Rollen:

Robert Plant (Rock And Roll Millionaire)
John Bonham (Drummer)
Neville „Noddy“ Holder (Showman)
Jess Roden (Bronco Boy)
Maggie Thatcher (Iron Lady)

Franceso Nizza (er hatte 1976 auf einer LP von Patty Pravo getrommelt und 1981 auf dem Album G.N. von Gianna Nannini) kehrte wirklich nach Italien zurück, danach verliert sich seine Spur.
Michael Chetwood landete bei T’Pau und war an dem Millionenseller „China In Your Hand“ beteiligt, er zog sich danach aus dem Musikbusiness zurück. Kevyn Gammond und Paul Lockey schmissen den Bettel endgültig hin, mir sind jedenfalls keine weiteren Bandprojekte bekannt an denen sie beteiligt gewesen wären.

 

JOY – 24K (1983, LP, Thunderbolt / 2006, CD, Cherry Red)
Side 1:
1. Submarine City
2. Ain’t Down Yet
3. Plastic Bag
4. 84-84
5. Capricorn Animal

Side 2:
6. When You Look
7. Lifeline
8. Machinery
9. Take It Easy (But Take It)
10. New Heaven
11. What Did You Expect?

Bonustracks CD:
Leaving The Twentieth Century
Getting It Steady


Nachtrag I
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April 2006.
Heute hab‘ ich endlich die 24K-CD erhalten (es kam zu Lieferschwierigkeiten im Hause Cherry Red), die alte abgenudelte ThunderboltVinyl-Rille hat ausgedient.Und trotzdem: Adieu ihr liebgewordenen, vertrauten Knackser und Kratzer die ihr mich während Jahrzehnten und 500maligem Abspielen (mindestens) durch meinen musikalischen Kosmos begleitet habt, aber nun ist die Zeit gekommen meine geliebte Alpha-Schallplatte: Du hast deine Sache gut gemacht und darfst nun in den verdienten Ruhestand! Und ich hab‘ sie mir heute sicher schon 10 x angehört, inklusive der beiden Tracks „Leaving The Twentieth Century“ und „Getting It Steady“ die auf der Original-LP der Schere zum Opfer gefallen waren und jetzt vor dem originalen Abschluss „What Did You Expect?“ in die Songabfolge eingefügt wurden. Oh yeah… ich liebe diese Platte, dieses Wahnsinnsding welches für mich das Bindeglied zwischen Rockantike und Rockmoderne, zwischen Hardrock und New Wave darstellt. Richtig geraten und niemand der die Scheibe hört wird das je verstehen, aber das ist eben meine Inselplatte No. 1 und sie wird niemals durch keine andere abgelöst werden können, es ist meine ultimative Platte die ich vom ersten bis zum letzten Ton auswendig kenne und die mir noch nie verleidet ist…


Nachtrag II
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Die Ouverture zu 24K.
Herbst 2005, der tägliche Gang zum Briefkasten.
Ein kleiner, unscheinbarer, brauner Umschlag aus Karton.
Und ich weiss was da drin steckt. Ich weiss es ganz genau.
Es ist dieses ewig lang ersehnte Ding aus einer anderen Epoche. Und dann reisse ich die Pappeverpackung auf und halte diesen Tonträger den ich jahrzehntelang gesucht hatte in den leicht schwitzenden Händen. Wow… endlich… der JVC-FS-SD7R (mittlerweile entsorgt) öffnet sich auf leichten Druck auf die Fernbedienung und gibt den Schacht frei… rein damit… und dann und dann… der Opener „3 A.M. In The City“, „Woman“, very funky, viel E-Piano, mehrstimmiger Gesang, nicht ungewöhnlich für 1978, Trapeze klangen auch irgendwie in die Richtung, „Like A River“ bluesrockig aber nicht wirklich hart. „Please Call Home“, eine Art von Rockballade wird gleich zum Lieblingstrack, hätte von der Stimmung auch auf 24K gepasst. Alles in allem eine feine Scheibe, aber die brutale Energie die man auf der 83er-Platte zu spüren bekam, fehlte hier noch. Das Coverartwork hingegen… ja… das ist ziemlich brutal…

Band Of Joy (1978, LP, Polydor / 2005, CD, Cherry Red)
Side 1:
1. 3 A.M. In The City
2. Woman
3. Overseer
4. So Cold

Side 2:
5. Live Bait (To Highway 8)
6. Like A River
7. Please Call Home
8: She’s The One
9. Shock House

Bonustrack CD:
10. Lonely Nights


Nachtrag III
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Über das gefährliche Leben auf englischen Autobahnen: Possessed.
Band Of Joy
spielten nur in der 2. Liga, die Projekte von Vernon Pereira spielten sich sogar nur in der dritten Stärkeklasse ab, obwohl man ihn in den Midlands durchaus kannte.

Im Projekt Wellington Kitch Jump Band spielte er mit Musikern die bei Slade, Earth! und Wizzard landeten, bei Shy ersetzte er gar Greg Lake. 1969 gründete er zusammen mit dem Gitarristen Mick Reeves (kam von Mother Earth und Sugarstack, frühe Inkarnationen von Judas Priest) und dem Drummer Phil Brittle (Bonham-Nachfolger bei der Band Of Joy) das Trio Possessed. Vernon war Leadsänger und spielte hier Gitarre, Leadgitarre und Bass übernahm Reeves. 1971 wurde in den Zella Studios in Clapham eine LP aufgenommen die jedoch erst 2006 bei Rise Above Records unter dem Titel Exploration veröffentlicht wurde.

 

Possessed spielten ziemlich vertrackten, komplizierten, teilweise schwer zugänglichenen Hardrock. Pereira schien wohl auch nicht unbedingt eine begnadete Stimme zu haben, jedenfalls wurde die Band dann bald einmal zum Quintett, inklusive hauptamtlichem Sänger aufgestockt. 1976 schienen sich die Dinge dann endlich zum Guten zu wenden, man stand wieder einmal in Verhandlungen mit Plattenfirmen, als dann auf der Heimfahrt von einem Gig dieser verhängnisvolle Autobahncrash bei Warrington/Cheshire (der Van der Band fuhr auf einen stehenden Bierlaster auf) passierte bei welchem Pereira, Reeves und der damals 20jährige Sänger Terence Graham Davies ihr Leben verloren. Posthum landeten Possessed auf den Titelblättern aller englischen Gazetten. Robert Plant (mit Vernon’s Cousine Maureen verheiratet) war tief betroffen und so kam es wegen der Benefiz-Gigs zur Reunion der Band Of Joy. Das englische Autobahnnetz hat übrigens nicht nur für Tragödien gesorgt, in musikalischer Hinsicht war es eine eigentliche Drehscheibe: Viele der Bands lernten sich bei ihren Tingeltangel-Touren an Tankstellen und Imbissbuden kennen, hier wurden immer wieder Pläne geschmiedet und Musiker abgeworben.


Nachtrag IV
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2003 erschienen mit „Hey Joe“ und „For What Is Worth“ auf dem Plant-Lumpensammler Sixty Six To Timbuktu zwei Demosongs der originalen 1967er-Besetzung, die Band hatte keine Zeit gefunden wie Listen (1966, die erste Bandgründung von Robert) vor eine Single zu veröffentlichten.

Nach einer UK-Tour im Vorprogramm von Tim Rose wechselte Bonham damals in die Band des Hauptacts, die Band Of Joy löste sich auf.

Da offenbar niemand mehr an den Namensrechten der Band Of Joy interessiert war, liess Robert Plant 2010 eine gänzlich neue Formation unter dem alten Namen laufen, schliesslich gilt er ja als eigentlicher Bandgründer. Nicht schlecht was die da ablieferten, allerdings war diese Reinkarnation eben eine der typischen Plant-Begleitbands.

 

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Ein Kommentar

  1. @mellow; Schön geschrieben. So schön dass ich mich entschlossen habe BAND OF JOY nicht anzuhören, weil ich wahrscheinlich wohl nur enttäuscht werden könnte.

    Witzigerweise kannte ich ROBERT PLANT’s BAND OF JOY – immerhin weiss ich jetzt was es damit auf sich hat.

    Gruß – Ronald;-)

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