Ein Tauchgang in die Abteilung «vergessene Juwelen / verschollene Schatzkisten / längst von Sedimenten zugedeckt», nichtsdestotrotz eine grossartige Antiquität, nur schon die Querverbindungen mit welchen die Namen der Beteiligten verknüpft sind haben es in sich.
Ashman Reynolds waren ein 1971 gegründeter britischer Versuch der es vermutlich zum Ziel hatte von der Erfolgswelle von Delaney & Bonnie zu profitieren, vielleicht spürten die Beteiligten ja auch, dass der Ofen beim prominenten US-Ehepaar am Erlöschen war, es war also sinnvoll sich rechtzeitig in der Stax-Memphis-Soul-Ecke zu positionieren um gegebenenfalls abzustauben. Als die Bramletts dann 1972 tatsächlich die Scheidung einreichten packten es Sängerin Aliki und ihre Jungs dann aber doch nicht. Ihre Hinterlassenschaft blieb schlussendlich überschaubar, eine hervorragende Langspielplatte, eine daraus ausgekoppelte Single und ein dynamischer Auftritt in der drittletzten Ausgabe des von Radio Bremen produzierten Beat-Club (Folge No. 79, 24. Juni 1972) der u.a. mit New Riders Of The Purple Sage, Deep Purple, Tucky Buzzard, Rory Gallagher und Frumpy äusserst prominent besetzt war. In nur gerade 5 Minuten machte die Band klar wo der Hammer hängt, die Live-Präsentation ihrer einzigen Albumauskopplung «Taking Off» beeindruckt auch im Nachhinein mit dem perfekten Zusammenspiel der involvierten Protagonisten. Ashman und Reynolds teilten sich die Vocals mit einem Verständnis als würden sie das schon seit Jahren machen, Bob Weston demonstrierte eindrücklich sein Slide-Spiel. Mickey Keen fehlte übrigens im Lineup, er war als Gastmusiker offenbar nur an den Studioaufnahmen beteiligt, wurde aber auf der LP aber nicht als solcher ausgewiesen. Ein weiterer TV-Live-Auftritt vom 6. Juni ’72 in BBC’s Old Grey Whistle Test (die legendäre Musikshow von Bob Harris) ist aus unerfindlichen Gründen nicht aufzuspüren im Web.
Die im Londoner A.I.R. Studio produzierte LP Stop Off (1972, Polydor) ist ein ausgezeichneter Ritt durch amerikanisch anmutendes Gelände, laidback und locker vorgetragen, stimmungsmässig ziemlich weit weg angesiedelt vom Nebel der britischen Metropole. Die 10 Songs wurden fast ausschliesslich von Ashman/Reynolds verfasst, nur gerade «They’re Only Gonna Take My Life» stammte von Keyboarder Rod Edwards und Roger Hand. Weshalb solche Perlen wie «Come Right In», «Help Me» oder «They’re Only Gonna Take My Life» keine grössere Aufmerksamkeit fand ist mir ein Rätsel. Diese exzellente Band hätte durchaus eine ernsthafte europäische Konkurrenz für Vinegar Joe mit Elkie Brooks und Robert Palmer werden können, sie hätten aber auch locker die eingangs erwähnten Bramletts, die Doobie Brothers und Little Feat herausfordern können. Begleitend zur Veröffentlichung der LP tourten Ashman Reynolds im Vorprogramm von Fleetwood Mac und Savoy Brown. Bob Weston wechselte im September 1972 zu Fleetwood Mac, mit seinem Nachfolger Graham Preskett (er hatte 1973 einen Gastauftritt als Violinist auf dem Album von Jim McCarty’s kurzlebiger Band Shoot) startete die Band die Vorbereitung eines zweiten Albums. Kurzzeitig verwandelte sich die Truppe in die Begleitband von Long John Baldry, schlussendlich fiel das Projekt Ashman Reynolds auseinander.
Was mich bei der Recherche überraschte waren die Verknüpfungen der Beteiligten, allen voran hob mich die Täuschung von Sänger/Bassist Harry Reynolds aus dem Sessel: Ja, die Stimme war mir lange bevor ich Ashnman Reynolds aufgabelte schon seit Jahrzehnten bekannt, dieser Harry sang 1969 auf der einzigen LP von Silver Metre (punkto aufgekratzter Endsechzigerrock eine meiner favorisierten Bands, gehört zum Standardsortiment meines Inselkoffers), allerdings nannte er sich bei denen «Jack» Reynolds. In den Sixties war er Bassist in diversen, eher unbekannten Bands, er spielte bei Screaming Lord Sutch und um 1970 herum traf man ihn in der Live-Band der britischen Ausgabe des Musicals Hair an. Hauptamtlich betätigte er sich aber als Tourmanager, bei Ginger Baker’s Air Force lernte er in dieser Funktion Aliki Ashman kennen. Nach verschiedenen Einsätzen als Sessionmusiker stellte er Mitte Siebziger den Bass in die Ecke und widmete sich wieder dem Brotjob als Manager, Anfang 2018 verstarb er unerwartet.
Neben den faszinierenden Recordings mit Air Force ist Aliki Ashman auch auf dem wenig bekannten, aber ausgezeichneten ‘71er-Album And A Cast Of Thousands von Leigh Stephens (Ex Blue Cheer) zu hören. Sie veröffentlichte 1974 mit der Band Casablanca ein gleichnamiges Album bei Elton John’s Label Rocket Record Company, 1976 erschien die Single «Oh, It Takes Two To Tango», eine Kollaboration mit Arthur Brown. 1978 heiratete sie Chris Holland, griff danach hin und wieder als Aliki Holland, aber auch mit dem Kombinamen Aliki Ashman Holland zum Mikro, das Paar lebt heutzutage in Australien.
Bob Weston der 1969 mit dem Quartett Ashkan das hervorragende Bluesrockalbum In From The Cold eingespielt hatte war nach Ashman Reynolds und unzähligen Sessioneinsätzen an den Fleetwood-Alben Penguin (1973) und Mistery To Me (1973) beteiligt. Wegen der Liaison mit Jenny Boyd (damalige Gattin des Bandleaders Mick Fleetwood) während einer US-Tour erhielt er vom trommelnden Vorsteher und Namensgeber der Band umgehend die Kündigung. Zurück in England arbeitete er mit Murray Head zusammen. Bob Weston starb 2012 im Alter von 64 Jahren.
Drummer Keith Boyce lieferte 1974 mit den Heavy Metal Kids ein furioses Rockalbum ab und bearbeitete 1980 auch auf der LP Strange Man, Changed Man von Bram Tchaikovsky die Trommelfelle. Er unterstützte diverse Aufnahmen des französisch/italienischen Sängers Nino Ferrer den er um 1970 herum kennengelernt hatte. An Boyce lag es sicher nicht, dass Rock’n’Roll Warriors von Savoy Brown als deren schlechteste LP gehandelt wird, schliesslich war er ja nicht für den Gesang zuständig.
LONG LIVE ROCK!
mellow
Ashman Reynolds – Stop Off (LP, 1972, Polydor / CD, 2012, Big Pink)
A1) Come Right In
A2) Country Man
A3) Long Long Road
A4) They’re Only Gonna Take My Life
A5) Hymn For Him
B1) I Wish I Knew
B2) Work Out The Score
B3) Taking Off
B4) My Fathers Side
B5) Help Me
Aliki Ashman – Vocals
Air Force, Leigh Stephens, Casablanca, Arthur Brown
Harry Reynolds – Bass, Vocals
Silver Metre (als Jack Reynolds)
Bob Weston – Lead Guitar, Slide Guitar
Ashkan, Long John Baldry, Fleetwood Mac, Murray Head,
Danny Kirwan, Sandy Denny, Dana Gillespie, Howard Werth
Mickey Keen – Guitars
Sparrow, Alex Harvey, Hudson-Ford,
bei Ashman Reynolds auf dem LP-Cover als Micky Keen gelistet
Rod Edwards – Piano, Organ
Picadilly Line, Edwards Hand, Gordon Giltrap Band
Keith Boyce – Drums
Heavy Metal Kids, Bram Tchaikovsky,
Savoy Brown, Nino Ferrer
Studiohilfen:
Madeline Bell – Vocals
Blue Mink, Elton John, Dusty Springfield, Donovan,
Joe Cocker, Rod Stewart, Giorgio Moroder etc.
Lisa Strike – Vocals
Elton John, Pink Floyd, Nazareth, Bryan Ferry,
Alexis Korner, Roger Glover, Elf, Snafu etc.
The Ladbroke Horns
Family
Stop Off hätte durchaus wieder einmal eine Neuauflage verdient,
als CD erschien das Album einmalig beim Südkoreanischen Label Big Pink.
Nachfolgende Infos stammen von Rika:
Ich beziehe mich auf den Text über Ashman-Reynolds, den ich spannend fand. Leider konnte ich meinen Kommentar nicht hochladen.
Alice ist in W.G.C. geboren und aufgewachsen. Ihr Vater kam aus Wales und ihre Mutter war Griechin. Die Mutter war Sängerin, ihr Künstlername war Lilia – sie hieß Vasiliki Iatrou und später Ashman. Sie starb sehr jung, im Jahr 1966, und hinterließ drei Kinder, alle unter 20. Alice war gerade 19 Jahre alt. Sie hatte einen Song der Mutter besonders geliebt und die Mutter bewundert.
Danke für die Informationen!
Gruß,
Rika
Danke für den „Blumenstrauss“, aber in erster Linie geht es um die Sache, sprich das Interesse an der goldenen Phase der populären Musik und all den Nebengleisen zu wecken und aufrecht zu erhalten. Wenn durch den Rockzirkus-Blog nur schon eine Person von tausend BesucherInnen für diesen Feldzug gewonnen werden kann, dann ist das ein Sieg, vor allem natürlich auch wenn es sich um „Junge“ handelt.
Wir sind mit diesem Blog nicht allein, ich gebe das Dankeschön gerne weiter an all die anderen Kämpfer die rund um den Erdball in gleicher Mission unterwegs sind, das gilt auch für „Nachlassverwalter“ wie Cherry Red Records, ACE Records, Repertoire Records, Bear Family (etc. etc. etc.) die sich ebenfalls mit aller Kraft gegen das Vergessen dieser Schätze wehren.
Zu Stephens/Waller/Pilot: Das ist schon wieder fast ein Kapitel für sich, aber genau solche Querverbindungen machen die Chose noch spannender: Du steigst in die eine Kiste ein und kletterst aus einer anderen wieder raus…
ROCK ON!
mellow
Lange habe ich nach so einer Plattform gesucht, habe einige verschiedene andere probiert und wegen zu oberflächlich und zu unstabilen Recherchen wieder zu den Akten gelegt. Und dann nach vielen Besuchen auf dem Rockzirkus auch mal in den Blog gezappt. Und was tat sich dort für eine strukturierte, bunte Musikwelt vor mir auf, liebevoll und leidenschaftlich wird alles gefüttert von den Pflegern remo4 und mellow. Sehr positiv sind auch die Gastbeiträge von den ehrenamtlichen Teilzeit-Pflegern und auch die Kommentare von Besuchern. Alles passt hier zusammen zu einem guten Gesamtbild. Nun wieder beim Besuch zwei auf einen Streich !! Ashman Reynolds und Silver Metre, wieder zwei vergessene Perlen aus den frühen 70igern. Beide kannte ich nur vom Namen, hier wird in deinen beiden verknüpften Artikeln zweimal die volle Schatzkiste aufgemacht. Leider kann ich zu den beiden Bands nicht mehr viel hinzufügen, außer 1. das Summertime Blues Leigh Stephens und Trommler Micky Waller später noch bei Pilot (US-Band nicht die UK-Pop-Band) zusammen musizierten (2 Alben) und 2. das Ashman Reynolds 2-mal 1972 zu Peel-Sessions eingeladen worden sind (Ausstrahlung BBC: 03-07-1972 Johnnie Walkers Lunchtime Show, 14-07-1972 Peel Session). DANKE für die schönen und sehr detailtreuen Einsichten in diese beiden Formationen. Klingende Grüße, Der SchoTTe