The GoldeBriars

Das Schaffen von Pete Seeger, Woody Guthrie, Bob Dylan, Joan Baez, Tom Paxton, Judy Collins, Odetta oder Richard und Mimi Farina und unzähligen anderen Aushängeschildern der Folkmusik ist hinreichend bekannt, das was die US-amerikanische Folkband The GoldeBriars anno 1964 im selben Segment in Form von Schallplatten verbreitete ist hingegen einem grösseren Publikum verborgen geblieben, vermutlich weil die 1963 von Curtis Roy Boettcher ins Leben gerufene Unternehmung nicht aus dem Folk-Hotspot New York stammte sondern aus dem nordwestlich gelegenen Minnesota. Zu den GoldeBriars gehörten neben Boettcher die Schwestern Dotti und Sheri Holmberg sowie der Gitarrist und Sänger Ron Neilson.

Die Folkszene war damals nicht nur populär sondern zugleich eine wahre Goldgrube für Plattenfirmen, da musste man schnell sein wenn man sich ein Stück vom lukrativen Kuchen sichern wollte. Epic Records lud sich die GoldebBriars in der Hoffnung die nächsten Peter, Paul & Mary entdeckt zu haben auf die Tortenschaufel und dislozierte das Quartett in den sonnigen Westen nach Los Angeles. 1964 entstanden zwei grandiose LP’s, die traditionellere The GoldeBriars und die modernere Straight Ahead!, insgesamt zwei unglaublich starke Alben mit Songs die sich in ihrer frischen Ausführung und den ausgezeichnet aufeinander abgestimmten Sängern doch recht abhoben von den manchmal recht grobschlächtig wirkenden Resultaten der Konkurrenz.

Curt Boettcher verwirklichte sich bei den GoldeBriars übrigens nicht nur als Singer/Songwriter sondern auch als Arrangeur und Produzent, es war sozusagen seine Ausbildungszeit. Die im Folk übliche, oft spartanische Begleitung von akustischer Gitarre und Banjo wurde in manchen Passagen um E-Bass, E-Gitarre, Piano, Perkussion und spector’sche Kesselpauken erweitert, bei „The Last Two People On Earth“ wurden sogar Special-Effects (das metallene Zabadang-Geräusch wurde mit Hallfeder und Lautsprecher eines Gitarrenverstärkers erzeugt) integriert. Mit dem Zuzug des Songschreibers Bob Goldstein sollte der Kurs weg vom immer wieder durchschimmernden britischen Folk und etwas mehr in Richtung Pop und angesagtem R&B gehen. Das habe durchaus funktioniert analysierte Dotti Holmberg später, Brian Epstein, der Manager der Beatles sei daran interessiert gewesen die GoldeBriars nach England zu holen, ausserdem hätten die Yardbirds ganz genau hingehört bei ihrem Harmoniegesang, ihnen war bestimmt das orientalisch angehauchte „Queen Of Sheba“ aufgefallen. Und da muss ich ihr Recht geben, unter dem Bonusmaterial von Straight Ahead! finden sich auch zwei explosive Versionen von Jimmy Reed’s „Hush Hush“ die einem glatt die Verschalung des Bordcomputers wegsprengen. Ich habe keine Ahnung ob Labelkollege Keith Relf die Bänder damals zu Gehör bekam, aber falls sie ihm doch bei einem Besuch in Übersee irgendwo in einem Epic-Büro vorgespielt worden sein sollten, dann bin ich mir fast sicher er ist in die Knie gegangen. Der Stampfer „Hush Hush“ in der ersten Version ist schon eine Granate, der alternative Take 2 mit der messerscharfen, hirnzerteilenden Blues Harp von Murray Planta ganz einfach göttlich.

Das Herz der allesamt in New York produzierten Songs bildete der glasklare Gesang und der ist auch nach Jahrzehnten noch überwältigend. Die vier Stimmen ergänzten sich perfekt, wurden im Studio gar noch vervielfacht, ein faszinierendes Exponat wie „A Mumblin‘ Word (He Never Said)“ klingt auch heute noch so lebendig als sei es gerade eben aufgenommen worden. Den leicht muffigen Keller-Geruch der vielen Folk-Aufnahmen aus dieser Zeit anhaftet findet man bei den GoldeBriars definitiv nicht und es beschleicht einen auch nie das Gefühl man befinde sich in einer Unterrichtsstunde für Sozialgeschichte oder in einer nicht enden wollenden Diskussionsrunde angetrunkener Pädagogen. Nein, The GoldeBriars vermittelten ihre kunstvolle Version von Folkrock auf eine Art und Weise die einfach nur Spass macht. Selbst bei einem Protestsong wie „No More Bomb“ fehlt die typische Kalter-Krieg-Weltuntergangsstimmung der frühen Sechziger, stattdessen verpassten sie der Nummer einen positiven Anstrich mit schillernden Tönungen aus einem Farbkübel der vermutlich mit dem Etikett Hoffnung beschriftet war, augenzwinkernd natürlich, vielleicht kriegt die Menschheit die Kurve ja doch noch. Folk kollidierte bei den GoldeBriars mit Sunshine Pop, Easy Listening und ausgefeilten Harmonien im Stratosphärenbereich, bei genauerem Studium wird man auch viele Parallelen zu den kalifornischen Mamas & Papas heraushören.

Das Repertoire der GoldeBriars fand Unterkunft auf den beiden erwähnten LP’s und ein paar Singles, einen nennenswerten Erfolg erzielten sie damit nicht. Auch ein Auftritt im Streifen One Upon A Coffee House (1965, auf DVD veröffentlicht als Hootenanny A Go-Go) vermochte die Karriere nicht wirklich anzukurbeln. Kurz nach Veröffentlichung von Straight Ahead! verabschiedete sich Neilson, er wurde durch Murray Planta ersetzt. Boettcher erweiterte bei dieser Gelegenheit die Band gleich noch um den Drummer Ron Edgar und den Bassisten Tom Dorholt, beide stammten wie die anderen GoldeBriars aus Minneapolis. Die Arbeit an einem dritten Album in der neuen Sextett-Formation kam aber nicht mehr zum Abschluss, Epic verlor offenbar das Interesse, das exquisite Gesangsquartett löste sich 1965 auf. Die Aufnahmen der letzten Sessions, darunter der betörende Folkrocker „Nothing Wrong With You That My Love Can’t Cure“ erschienen 2006 als Bonustracks des CD-Reissues von Straight Ahead!.

Ron Neilson veröffentlichte 1967 mit der kanadischen Garage-Band The Volcanoes eine Single, danach verliert sich seine Spur.

Sheri Holmberg verschwand aus der Szene, sie starb 1997.

Dotti Holmberg arbeitete bis Ende der 60er als Backgroundsängerin (Tommy Roe, Lee Mallory) und machte Solo-Aufnahmen die unter der Aufsicht von Boettcher und ihrem Schwager Keith Olsen (Bassist bei The Music Machine, später Produzent bei Fleetwood Mac, Foreigner, Grateful Dead etc.) entstanden, sie  erschienen 2002 beim Label Sundazed zusammengefasst unter dem Titel Sometimes Happy Times, weisen aber teilweise nur Demo-Qualität auf. Ihre Erinnerungen an die GoldeBriars veröffentlichte Dotti im E-Book Whatever Happened To Jezebel? und in den Liner Notes der Wiederveröffentlichungen der GoldeBriars-Alben, nebenbei schreibt und singt Dotti übrigens auch Kinderlieder.

Curt Boettcher produzierte nach dem Ende der GoldeBriars mit Erfolg Acts wie The Association, Chad & Jeremy und Tommy Roe und betätigte sich neben seiner Produzententätigkeit auch immer wieder als Songschreiber. 1968 begann eine umfassende Zusammenarbeit mit Gary Usher (dem Hausproduzenten der Byrds) die in den Projekten Sagittarius und The Millenium ihren Niederschlag fand. Boettcher’s einziges Soloalbum There’s An Innocent Face erschien erst 1973 bei Jac Holzman’s Label Elektra. Boettcher stand auch für Tanya Tucker, Helen Reddy, Eric Carmen, Bruce Johnston und Dennis Wilson von den Beach Boys hinter dem Mikro und der Legende nach ist er auch mit Background Vocals auf dem Hit „Don’t Go Breaking My Heart“ von Elton John und Kiki Dee vertreten. 1979 produzierte er unter dem Pseudonym Curt Becher die LP That’s Why Hollywood Loves Me von Geno Washington.

Curt Boettcher starb am 14. Juni 1987 im Alter von 43 Jahren im Los Angeles County Hospital unter tragischen Umständen bei der Behandlung einer Lungeninfektion.

Die beiden Originalalben wurden von Collector’s Choice Music mit Bonusmaterial wiederveröffentlicht. Zu relativ günstigem Preis ist die 30-Song-Best-Of-CD Walk The Line (2014) von Now Sounds/Cherry Red erhältlich .

LONG LIVE FOLKROCK!
mellow

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