Hank The Knife And The Jets

Und dann gibt es da noch die Kategorie „Eintagsfliegen“, die sogenannten „One Hit Wonders“. Eigentlich gemein sie so zu katalogisieren, immerhin hatten sie ja einen Hit gelandet im Gegensatz zu anderen viele bejubelten Bands deren Namen nie in irgendwelchen Charts auftauchten.

Der sonnenbebrillte, supercool aussehende Henk Bruysten spielte Bass bei den holländischen Retro-Rock’n’Rollern Long Tall Ernie And The Shakers, einem eigentlichen stilistischen Gemischtwarenladen zwischen Elvis Presley und Jerry Lee Lewis. Wie geschrieben nur „stilistisch“, der Grossteil ihrer Songs waren von Sänger Arnie Treffers geschriebene Originale. Die ersten Singles und die beiden LP’s Put Your Rockin‘ Shoes With Long Tall Ernie And The Shakers (1972) und It’s A Monster (1973) konnten die Erwartungen nicht ganz erfüllen, der groovy Klopfer „Big Fat Mama“ erreichte immerhin Platz 11 in der holländischen Hitparade. Henk Bruysten war vermutlich nicht sonderlich zufrieden mit dem Leben als Staffage-Bassist, sein „The Knife“ das er auf der zweiten Langrille unterbringen konnte war immerhin sowas wie ein erster Versuch aus dem Schatten des Sängers zu treten.

1974 suchte Bruysten das Weite und gründete Moment Darling , eine Zwischenstufe die schnell zu Hank The Knife And The Jets wurde. „The Knife“ bezog sich wahrscheinlich auf den scharfen Twang-Klang seiner Bassgitarre, jedenfalls wurde das akustisch umgesetzt indem er von einem kommerziellen 4-Saiter auf einen 6-Saiten-Bass umsattelte und mit dem Gerät Melodien spielte die üblicherweise die E-Gitarre übernahm. Witzigerweise gönnte sich Henk einen zweiten Bassisten der für die herkömmlichen tiefen Töne sorgte, er hatte so die Freiheit auch mal an die Gitarre zu wechseln. Das musikalische Konzept bewegte sich etwas weg vom Rock’n’Roll, tendierte mehr in Richtung Powerpop und 60er-Instrumental-Rock im Stil der Shadows, Ventures und Duane Eddy und experimentierte mit italienischem Spaghetti-Western-Flair à la Ennio Morricone („Ennio“). Hank The Knife And The Jets waren ein fester Bestandteil des 70er-Jahre-Rock’n’Roll-Revivals das 1969 mit dem Auftritt von Sha Na Na beim Woodstock-Festival seinen Anfang nahm und mit vielen Artisten der britischen Glamrock-Welle (Wizzard, Rubettes, Mud, Showaddywaddy etc.) und der Film-Adaption des Musicals Grease (1978) seinen Ausklang fand.

Leadbassist Henk und seine Begleiter (Sänger Alan Pierre Beek, Gitarrist Hans van Geffen, Bassist Jan van Haften und Drummer Rob Mijnhart) legten eine Punktlandung hin: Die Single „Guitar King“ erreichte in den Niederlanden Platz 2 (in Deutschland Platz 4), die nachfolgende Kurzrille „Stan The Gunman“ rauschte in Holland und Belgien auf Nummer 1. Parallel dazu erschien bei EMI die LP The Guitar King, eine Scheibe die ich mir damals sofort beschaffte nachdem ich die Band im TV (Musikladen?) gesehen hatte. Und nicht nur die Singles waren grossartig, die ganze kolossale Langrille ist eine zeitlose Frischzellenkur und hat für mich nie etwas von ihrer Faszination eingebüsst, „Silly Willy“, „Johnny Silent“, „Mr. Dynamite“, „Ghost Town“ und „Son Of The Hangin‘ Tree“ mit dem abgrundtief gestimmten Solo-Bass wurden zu meinen Langzeitfavoriten. Witzigerweise traf ich später immer wieder auf „Stan The Gunman“ und „Guitar King“, immer dann wenn hier im Dorf Kirmes angesagt war: Hank The Knife gehörte fest zum Repertoire der Autoscooterbahn und dem dazugehörigen Soundtrack der über die Festwiese dröhnte. Und irgendwie brachte ich die Manta-Typen die jeweils am ländlichen Event aufkreuzten immer mit meinem 6-String-Bass-Lieblingsholländer in Verbindung, diese Benzinkisten-Fönwellen-Blondies kamen rein optisch unglaublich nah ran an Henk.

Fernsehauftritte, Liveshows, dauernd „on the road“, das Geschäft lief für Henk ausgezeichnet. Allerdings zerfiel seine Band ebenso schnell wie sie am europäischen Pop-Himmel aufgestiegen war, der Ersatz für ausgeschiedene Bandmitglieder kam oft von der Institution Long Tall Ernie And The Shakers. Mit dem Zuzug der Sängerinnen Yvonne Beyerink, Letty Arts und seiner Gattin Kitty Bruysten benannte der Bandleader die Jets um, die Unternehmung hiess jetzt Hank The Knife & The Crazy Cats. Die beiden grossen Hits wurden endlos ausgeschlachtet, der Geldsegen kehrte sich aber irgendwann ins Gegenteil um, wurde zum Dämon, zum Karriere-Hemmschuh, Henk Bruysten musste bis zum Abwinken seine bekannten Hits vortragen. Die LP Crazy Guitar Hank The Knife Featuring The Jets & The Crazy Cats (1980) beinhaltete Neuaufnahmen der Chartbreaker und neues Material (z.B. das Medley „Crazy Guitar“), allerdings lag die Messlatte ganz schön hoch.

Die 80er waren danach definitiv nicht das Jahrzehnt für rudimentäre Retro-Rockmusik aus den Niederlanden, Henk veröffentlichte zwar unzählige Platten mit ebenso unzähligen Projekten, die Resonanz darauf blieb bescheiden. Nach einer CD unter Namen Hank The Knife And The Silver Cadillacs kristallisierte sich im 21. Jahrhundert wieder eine konstante Besetzung heraus. Mit Alan Macfarlane, einem ehemaligen Drummer von Long Tall Ernie And The Shakers und wieder mit Sänger Pierre Beek der auch den konventionellen Basspart übernahm, veröffentlichten Hank The Knife And The Jets 2006 die schmissige CD Black die durchaus wieder an die glorreichen alten Zeiten anknüpfen konnte. 2009 starben Kitty Bruysten und Pierre Beek, der Bandleader überstand aber auch diese schwere Episode und machte weiter (2011 erschien im Eigenvertrieb die CD Six Bass Man) bis heute, einer Zeit in der die Aktivitäten von Hank The Knife And The Jets erst virusbedingt zurückgebunden wurde. Ich vermute allerdings, dass Henk Bruysten zu den ersten gehören wird der sich wieder auf eine Bühnen stellt, also wenn Konzerte eines Tages wieder erlaubt sind.

Das originale Album The Guitar King wurde meines Wissens nie neu aufgelegt, man findet die LP aber oft noch als Second-Hand-Ware, genauso wie die Singles „Guitar King“ und „Stan The Gunman“ die beide stolze Bewohner meiner Jukebox sind. Die hervorragende 2-CD-Compilation aus der Reihe The Golden Years Of Dutch Pop Music (2018, Universal) bietet einen umfassenden Rückblick auf die Karriere von Hank The Knife And The Jets, sie beinhaltet glücklicherweise auch alle Songs von The Guitar King und kann darüber hinaus mit der ein und anderen schwer erhältlichen Perle auftrumpfen. In derselben Serie erschien übrigens auch ein Doppeldecker von Long Tall Ernie And The Shakers.

LONG LIVE DUTCH ROCK AND ROLL!
mellow

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Ein Kommentar

  1. Es muss am Outfit gelegen haben…

    „Guitar King“ und „Stan the Gunman“ – war das Kuuuuuuhl! – Damals’76 in „Disco“ bei Olle Ilja!

    Aber dann kam der Punk und mit ihm am Schlepptau the Pirates, Stray cats und Shakin‘ Stevens mit den Trillbohrerbeinen. Das echtere Revival. Die wirkten räudiger, perfekter…

    ie Outfits… die Mülltonnenkulisse auf den Fernsehbühnen…

    Hank the Knife, Rubettes, Showaddywaddy wurden als Rummel-Mugge ad acta gelegt. Zu clean.

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