Lesley Gore

Den Namen der amerikanischen Pop-Prinzessin Lesley Gore (eigentlich Lesley Sue Goldstein) aus Brooklyn, New York City kennt wohl fast niemand mehr heutzutage, ihren alten Smashhit „It’s My Party“ von 1963 hingegen trifft man immer wieder mal auf Sixties-Compilations an. Anfang der 1970er hatte hörte ich den Titel erstmals auf einer Kassette mit Hits aus dem vorangegangenen Jahrzehnt, ich glaube auf dem Tape waren auch Bo Diddley, Jerry Lee Lewis, Bill Haley und die Shangri-La‘s vertreten. Mitte der 70er landete die Nummer dann in Form einer Coverversion von Bryan Ferry auf meinem Plattenteller, „It’s My Party“ von Bryans furiosem Soloalbum „These Foolish Things“ (1973) wurde regelrecht verinnerlicht. Lesley Gore selber geriet bei mir vorerst in Vergessenheit, erst viel später entdeckte ich sie wieder.

Die junge 17jährige Sängerin Lesley (eine Cousine des Science-Fiction-Autors Alan Dean Foster) war dem Produzenten Quincy Jones bei einem Auftritt in einem New Yorker Club aufgefallen, er hielt sie für äusserst talentiert und verfrachtete sie für Probeaufnahmen ins Tonstudio. Unter diesen ersten Recordings befand sich auch das Tennager-In-Love-Drama „It’s My Party“ des Songschreiberteams Weiner/Gluck/Gold. Die Plattenfirma Mercury (bei der Quincy Jones Karriere machte, er war der erste Afroamerikaner in der Führungsspitze eine Major-Labels) veröffentlichte den Titel als Single, die Kurzrille stieg danach wie ein Komet die Charts hoch und erreichte im Juni 1963 schlussendlich Platz 1 der Billboard-Charts. Ein umwerfender Erfolg, sowohl für die Nachwuchssängerin als auch ihren Entdecker, die Single verkaufte sich millionenfach.


Aber auch die weitere Musik die Lesley Gore in den nächsten Jahren aufnahm ist absolut hörenswert. Die (Emanzipations-) Hymne „You Don’t Own Me“ landete ebenfalls wieder hoch oben in den Hitparaden, Lesley etablierte sich aber vor allem auch mit ihrem rhythmischen, Go-Go-Pop,  Soul und Beat der gar nicht weit weg angesiedelt war vom Weidegebiet all der farbigen singenden Girl-Gesangstruppen die damals Hochkonjunktur hatten. Wie viele andere US-Stars versuchte sich Lesley Gore Mitte 60er auch mit Einspielungen in anderen Sprachen, aber weder ihre deutschen Singles noch die französische EP hinterliessen bleibende Erinnerung. Diese „exotischen“ Aufnahmen findet man auf der opulent aufgemachten 5-CD-Retrospektive Lesley Gore: It’s My Party von Bear Family.

Ein weiterer Karriere-Höhepunkt wurde ihr Auftritt im legendären Konzertfilm T.A.M.I. Show (1964) bei dem ihr sogar mehr Zeit eingeräumt wurde als etwa den britischen Rolling Stones, den Beach Boys oder James Brown und Chuck Berry.

Neben dem Singen begann Lesley ab 1964 Literatur und Schauspiel zu studieren. Ihr Filmdebut in der Strandklamotte Girls On The Beach braucht man sich allerdings nicht anzutun, viel spannender sind dagegen die herrlich abstrakten Gastauftritte im rosaroten Kostüm und Katzenohren als Catwomans Begleiterin Pussycat in der TV-Serie Batman, sie machte sich da an Batmans Helfershelfer Robin ran, privat hatte sie zu der Zeit vermutlich bereits eher ein Auge auf Katzen als auf Kater geworfen.


Glücklicherweise durfte sie in der Rolle auch singen (Zitat: „I’m just a Rock’n’Roll singer“): Lesleys Hit „California Nights“ hob das Niveau der grottenschlechten Produktion wieder etwas an. Offen bleibt die Frage welchen Drogen damals Film-Produzent, Regisseur, Bühnenbildner, Dekorateur und Klamotten-Ausstatter verfallen waren, es muss ziemlich heftiger Stoff gewesen sein, ohne das Einwerfen von halluzinogenen Substanzen ist es kaum möglich einen solchen Farbenrausch zu inszenieren möchte ich mal behaupten. Okay, man schrieb das Jahr 1967, das erklärt eben einiges.

„California Nights“ erschien auch auf der gleichnamigen, finalen LP für Mercury. Mit anderen Aufnahmen aus der Zeit wusste man bei Mercury nichts anzufangen, bei der Plattenfirma fand man, dass Soul – inklusive die exzellenten Produktionen von Gamble & Huff, darunter auch „Take Good Care (Of My Heart)“ – und beschwingter kalifornischer Sunshine-Pop nicht zum Gore-Image passe. Magic Colors – The Lost Album erschien im Jahr 2011 bei Ace Records, beinhaltet Singles und unverwendetes Material und ist eine hervorragende Ergänzung zur LP California Nights.

1972 veröffentlichte Lesley bei Mowest (eine Tochter von Motown) die Songsammlung Someplace Else Now, eine eher ruhige, zeitgemässe aber auch eher langweilige Angelegenheit, Lesley verschlief sozusagen den Start in die Seventies. Love Me By Name (1976) wirkte dann wieder lebendiger und beinhaltete mit „Sometimes“ eine funky Kollaboration mit den Brothers Johnson, der von Lesley co-verfasste Titelsong wurde später auch von Dusty Springfield gecovert. Das Hauptaugenmerk hatte Lesley mittlerweile aber definitiv auf’s Songwriting gelegt, ihr Name erschien oftmals nur noch abgekürzt als L. Gore. Zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Michael Gore der sich als Komponist durchs Leben schlug, beteiligte sie sich 1980 am Soundtrack des Kinofilms Fame. Der Song „Fame“ von Michael wurde ein Welthit, die ebenfalls von Irene Cara gesungene Ballade „Out Here On My Own“ mit einem Text von Lesley, erreichte einen beachtlichen Platz 19 in den US-Charts.

Die aus Coverversionen bestehende LP The Canvas Can Do Miracle (1982) mit einer schönen Version von „You Don’t Know What It’s Like“ (Bee Gees) und „Higher & Higher“ von Jackie Wilson verschwand in den Tiefen der Musikgeschichte, danach wurde es stiller um Lesley Gore. Beim Kinofilm Grace Of My Heart (1996) beteiligte sich die Künstlerin (die seit 1982 mit ihrer Lebenspartnerin, der Schmuckdesignerin Lois Sasson zusammenlebte) am Song „My Secret Love“. Der Film spielt im New York der 1960er und behandelt den Aufstieg einer jungen Sängerin und hat in diesem Sinne autobiographische Parallelen zu den Karrieren von Carole King und Lesley Gore.

Das Album Ever Since setzte 2005 den eigentlichen Schlusspunkt hinter die Gesangskarriere von Lesley Gore, zumindest was Tonträger mit neuem Material anbelangte, live blieb Lesley noch einige Zeit im Geschäft, oft sang sie ihre alten Hits im Rahmen von Charity-Events. Die Songsammlung ist ein bezauberndes Alterswerk und präsentiert den einstigen Teenager in einem ganz neuen Licht: Lesley im Softtonebereich mit gereifter und tiefer Stimme die sich auch nochmals „You Don’t Own Me“ vornimmt. Nach Ever Since konzentrierte sich Lesley in erster Linie auf ihre Arbeit als Moderatorin bei In The Life, ein TV-Magazin für lesbische, schwule und transsexuelle Menschen.

Lesley Gore starb am 16. Februar 2015 in Manhattan im Alter von 68 Jahren an den Folgen von Lungenkrebs.

Ausgehend vom grandiosen Sprungbrett „It’s My Party“ finden interessierte Forscher im Repertoire von Lesley Gore hervorragende Popmusik, ich beispielsweise habe mich richtiggehend verliebt in Nummern wie „Off And Running“, „Judy’s Turn To Cry“ oder das betörende, mit Westcoastflair ausgestattete und mit Turtles-Groove lackierte „Magic Colors“.

LONG LIVE POP MUSIC!
mellow

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