The Trammps aus Philadelphia waren sozusagen die Kronprizen der Discomusik, gleich hinter den Bee Gees. Die Tatsache, dass ihr Titel „Disco Inferno“ 1976 auf dem 77er Filmsoundtrack Saturday Night Fever gelandet war, bescherte der Truppe grosse Aufmerksamkeit und selbstverständlich auch Spitzenplätze in den Charts auch wenn sie nie Platz No. 1 belegten. Zur exakt richtigen Zeit am exakt richtigen Punkte könnte man sagen.
Obwohl… Disco?
Nun, auch im Falle der Trammps ist die Genre-Definition längst nicht so klar wie man es vermuten könnte, viel mehr basierte ihr Sound auf Soul und Funk und orientierte sich stark an den Temptations, Four Tops, O’Jays und am Philly-Sound aus dessen Umfeld sie ja auch stammten. Ihre manchmal langen XXL-Songs – „Disco Inferno“ beispielsweise ist ein groovy Killer-Marathon über 10 Minuten – beinhalteten meistens sich scheinbar endlos wiederholende Elemente mit hypnotischem Flair und waren vor allem für Bewegungsmenschen ein von Bass und Drum befeuerter Segen da sie sich ohne störende Rhythmuswechsel in Ekstase tanzen konnten.
Die Gesangsstimme von Leadsänger Jimmy Ellis die manchmal sogar Richtung Rock ausschlug, stand oft in herrlichem Kontrast zur tiefen Bassstimme von Drummer Earl Young. Der vielstimmige Gesang und das Gespür für einprägsame Melodien und tanzbare Grooves waren eines der Markenzeichen der Trammps, ein Trademark das sie sich bereits vor der eigentlichen Disco-Hochblüte mit Aufnahmen wie „Love Epidemic“ oder dem The Legendary Zing Album (1975, Buddah Records, eigentlich eine Zusammenstellung älterer Aufnahmen) und ihren Recordings für Fleece Records / Philadelphia International Records (ebenfalls 1975 nach der Vertragsunterzeichnung bei Atlantic zu einer LP gebündelt) verpasst hatten.
Anhand der Trammps-Aufnahmen zwischen 1972 und 1980 kann man relativ gut verfolgen, wie sich aus Soul, Funk und Phillysound in relativ kurzer Zeit das Genre Disco entwickelte. Die von den Trammps bei Atlantic veröffentlichten Langrillen sind allesamt hörenswerte Perlen und enthalten durchwegs hervorragendes Material. Zu meinen derzeitigen Song-Favoriten zähle ich „Can We Come Together“ und „Soul Searchin‘“ vom 76er-Album Where The Happy People Go sowie das furiose, dem legendären Blackout in New York (13./14. Juli 1977) gewidmete „Night The Lights Went Out In New York City“ und „Love Per Hour“ vom Album The Trammps III (1977). Aber auch das bereits erwähnte infernale „Disco Inferno“ (zwingend in der XXL-Stretch-Fassung) oder das sieben Minuten lange „I Feel Like I’ve Been Livin‘ (On The Dark Side Of The Moon“ sind klasse Ohrgranaten.
Der Stern der Trammps begann parallel mit dem Niedergang von Disco zu sinken, nach Slipping Out (1980), dem finalen Album für Atlantic, wurden allmählich die Lichter gelöscht im einstigen Tempel der Discomusic. Der letzte Longplayer This One Is For The Party (1984) mit vornehmlich Coverversionen wie „Are You Ready“ erschien nur noch in den Niederlanden und krankt bereits am typischen, klinischen und kalten 80er-Jahre-Sound. In späteren Jahren versuchten verschiedene Trammps-Ausgaben auf den Oldie-Circle aufzuspringen. Aktuell ist Trammps-Sänger Robert Upchurch Vorsteher einer solchen Trammps-Nostalgie-Unternehmung die bislang allerdings keine Tonträger veröffentlicht hat. Jimmy Ellis kümmert es nicht mehr, er verstarb 2012 im Alter von 74 Jahren.
Falls man es wagt über seinen Schatten zu springen (ich hab’s gemacht, habe musikalische Grenzsteine verschoben und lebe trotz allem noch) und es danach schafft seine alte, abfällige, vor Jahrzehnten gebildete Meinung zur Discomusik auszublenden oder zu überdenken, die Bee Gees, die dazugehörigen Erinnerungen an Saturday Night Fever und John Travolta auf die Seite schiebt, dann stösst man hinter der Glitzerfassade und den funkelnden Discokugeln mit den Trammps auf ein hervorragend funktionierendes Musikerkollektiv. Die Musik der Trammps (die normalerweise in einheitlichen Anzügen auftraten, ich vermute sie bekamen aufgrund der Ensemble-Grösse, sprich fünf Trammps PLUS… Mengenrabatt beim Schneider) ist äusserst vielschichtig und immer wieder für eine Überraschung gut.
Und das schreibt einer (ich) der damals Discomusik auf den Tod nicht ausstehen konnte, er hatte sich stattdessen auf eine Liaison mit Punk und New Wave eingelassen. Für viele Italo-Freunde des Schreiberlings wurde der schicke geschniegelte Travolta-Style zum Mass aller Dinge, die Jungs gaben plötzlich ein Vermögen für Klamotten aus, wollten statt Rockkonzerte lieber Discos besuchen. Unterschiedliche Interessen konnten trotzdem keine Freundschaften zerschlagen und der Rocker (ich) machte immer wieder brav Plakate (Hauptsache kreativ!) für die Italo-Disco und staunte über das krasse Zeug (Funk!) das die DJ’s in ihren Platten-Kisten mitschleppten zu ihren nächtlichen Einsätzen.
LONG LIVE SOULFUL DANCEMUSIC!
mellow
Trammps (1976, auf der LP Disco Inferno):
Jimmy Ellis – Lead Vocal
Robert Upchurch – Lead & Baritone Vocal
Earl Young – Bass Vocal
Harold Wade – First Tenor
Stanley Wade – Second Tenor
Musicians:
Ronald Baker – Bass
Earl Young – Drums
Norman Harris – Guitar
Bobby Eli – Guitar
T.J. Tindall – Guitars
Ron Kersey – Keyboards
T.G. Conway – Keyboards
Bruce Gray – Keyboards
Carlton Kent – Keyboards
Larry Washington – Congas
Robert Cupit – Congas
Allan Felder – Tambourines
Ronald Tyson – Tambourines
Yep. Applaus. Sehe ich auch so, ging mir ja auch so damals: Zu Phillyzeiten hab ich sie nicht gekannt. Später Saturday night fever – pfui. (Pst, obwohl wir alle die BeeGees Hits vom Soundtrack auf Band hatten, so ganz heimlich).
Inzwischen hab ich das dicke Schatzkästlein (4er Pack) „Philadelphia International Classics – the Tom Moulton Remixes“ und da sind die Trammps vertreten mit
– „Love epidemic“ 7:32
– „Trammps Disco Theme/Zing went the strings of my heart“ 6:41
– sowie „where do we go from here“ 5:30
da hab ich sie entdeckt und schätzen gelernt.
Aber Harold Melvin and the blue notes sind noch einen Tacken schärfer.