Golden Earrings – Miracle Mirror (1968)

1968 kam es zu einem Besetzungswechsel bei den Golden Earrings (zu dem Zeitpunkt noch mit dem „s“ am Schluss) und zu was für einem: Das Songwritergespann Rinus Gerritsen (Bass) und George Kooymans (Gitarre) stellte den Sänger Barry Hay in seine Dienste. Ein Glücksgriff, der Typ spielte zudem auch noch Querflöte und wusste wie man eine Gitarre in die Hände nahm. Und siehe da, der unverkennbare Sound von Golden Earring war geboren worden, unglaublich eigentlich was eine Stimme alles ausmachen kann. Ein letztes Mal sass zudem Drummer Jaap Eggermont (der in den 1980ern mit seinem Projekt Stars On 45 einen Riesenerfolg einfahren sollte) hinter der Schiessbude, er wurde schon bald von Cesar Zuiderwijk abgelöst.

Die LP Miracle Mirror (1968) war für die holländische Band einen klarer Break zu den zwei vorangegangenen Alben die noch deutlich von britischem Beat beeinflusst waren. Die Songs turnten zwar mehrheitlich noch immer um die 3-Minutengrenze herum, die Kompositionen jedoch waren durchs Band eigenständiger geworden, wiesen nun eine eigene Handschrift auf. Klar, Fremdeinflüsse gab es noch immer, da und dort tauchten die damals gängigen Psych-Einflüsse auf („Mr. Fortune’s Wife“) und selbst vor massiver Orchestereinbindung schreckten die Ohrringe nicht zurück. Aber dort wo bei vielen Bands Strings und Gebläse wie ein Fremdkörper wirkten, dort gelang den Ohrringen eine perfekte Symbiose, man höre sich bloss mal „Gipsy Rhapsody“ an. Für mich einer der grossen, frühen Klassiker der Band. Umwerfend diese Geräusch-Einschübe in der Mitte des Tracks, oder wie sie gegen Ende der Nummer die ganze Melodieführung dem Orchester überlassen, bloss die quirligen Drums lassen sich noch klar orten. Aber das ist genau das was Golden Earring später noch viel mehr perfektionieren sollten, diese grossartigen, absolut zwingenden Spannungsbögen die sich allmählich aufbauen und keine Möglichkeit zur Flucht lassen.

„Crystal Heaven“? Aber ja doch, ein typisches Gerritsen-Bassriff, genauso betörend wie viele andere die noch folgen sollten. Man achte hier mal auf die Strings, sowas gab es eigentlich erst 10 Jahre später, das Streicherensemble steckte dann allerdings meist in einem Synthesizer drin.

„Born A Second Time“ ein weiteres gelungenes Statement, diesmal aber mit gezupfter Gitarre und mit Barrys Flöte, sie waren eh nicht mehr die einfallslosen 4/4-Takt-Rocker, als weiteren Beweis möchte ich mal auf die Ballade „Nothing Can Change This World Of Mine“ verweisen.

Miracle Mirror strotzt vor Kraft und Selbstvertrauen und ist in klanglicher Hinsicht eine Offenbarung, die LP wirkte auf mich noch nie wie eine Produktion von ’68 und ist nach wie vor einer meiner liebsten Earring-Klassiker. Und wie gesagt, bei „Gipsy Rhapsody“ drehe ich noch immer fast durch wenn ich das höre, werde fiebrig, kriege augenblicklich Schweissausbrüche und dieses dämliche Grinsen um die Mundwinkel…

LONG LIVE ROCK!
mellow

 

Golden Earrings – Miracle Mirror
(1968, LP, Europa: Polydor / USA: Capitol)
A1  The Truth About Arthur
A2  Circus Will Be In Town In Time
A3  Crystal Heaven
A4  Sam And Sue
A5  I’ve Just Lost Somebody
A6  Mr. Fortune’s Wife
B1  Who Cares
B2  Born A Second Time
B3  Magnificent Magistral
B4  Must I Cry
B5  Nothing Can Change This World
B6  Gipsy Rhapsody

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