Jode

Es muss irgendwie um ’72 / ’73 herum gewesen sein, ich kann mich da an meine Single-Sammlung mit 45ern von Suzi Quatro, Sweet und Slade erinnern: „Can The Can“, „Co-Co“, „Blockbuster“, „Gudbye T. Jane“, T. Rex waren auch dabei. Mein grosser Bruder ging da schon wesentlich progressiver zur Sache, hatte Platten von Deep Purple, Taste, Zeppelin, Kinks, Hendrix, natürlich alles auf LP oder Spule. Er spielte Elektro-Gitarre und hatte einen Sound-City-Amp mit dazugehöriger Riesenbrüllbox und liess seine italienische (oder japanische?) Fender-Jaguar-Kopie da drüber heulen. Im Nachhinein gesehen, war das wohl meine erste Begegnung mit Heavy Metal. Kurz darauf begann ich dann ebenfalls die ersten Griffe zu lernen. Zwei Scheiben aus seiner Plattensammlung sind mir nie mehr aus dem Kopf gegangen: Die eine war eine Compilation der Stones, da war auch das Berry-Cover „Around And Around“ drauf, diese Sixties-Zusammenstellung hat mir immer unheimlich gut gefallen.

Die andere Platte die mein Leben veränderte war die LP von Jode.

Drei Hippies die vor ihrem VW-Bus posierten und unheimlich cool aussahen. Jason und Omar Rivera, und ein gewisser Dave, der mit seinem traurigen Ringo-Starr-Hundeblick das Herz des Betrachters zu erweichen versuchte. Was sich aber in den Rillen dieser Scheibe verbarg, das haute mich echt um: Creedence Clearwater Revival fusioniert mit den Beatles und Mungo Jerry oder so ähnlich! Was für ein elektrifizierender Good-Time-Rock mit Folk- und Beat-Einflüssen, nur mit Gitarre, Bass und Schlagzeug vorgetragen, Jode glänzten mit perfektem Harmoniegesang, bei „Human Behavior“ unterstützt von einem Kammerorchester. Gewaltig diese schlichten Melodiebögen, wenn man die einmal gehört hat, dann vergisst man die nie mehr, die kann man nach Jahrzehnten noch Note für Note vor sich hinsummen. Ich habe mir später tausende von Platten angehört, aber ich habe keine andere mehr gefunden die vergleichbar wäre mit der einzigen LP dieser mysteriösen Band. Später fiel mir auf, dass das Vanguard-Label immer klangtechnisch ganz exquisite Scheiben produzierte, keine monströsen, fetten Rock-Dinger, sondern, lebendige, schon fast intime folky und bluesy angehauchten Produktionen bei denen du jeden Saitenanschlag genau hörst, Larry Coryell zum Beispiel, ich liebe „Lady Coryell“ (1968), das ist auch so eine Vanguard-Aufnahme mit diesem ganz speziellen Vanguard-Klang. Zurück zu Jode (die für die Verkaufszahlen ihrer LP offenbar eine Goldene Schallplatte erhalten hatten): Der Bandname setzte sich aus den Anfangsinitialen der Bandmitglieder zusammen, also Jason, Omar, Dave, das E am Schluss steht gemäss Plattenhüllen-Rückseite leicht hippiesk für Everybody, sprich das Publikum. Die Band blieb eine Fussnote der Musikgeschichte oder noch weniger, über die Plattenhüllen-Infos hinaus existieren praktisch keine gesicherten Facts, ausser der überlieferten Tatsache, dass Jode aus Kalifornien stammten und zuvor schon als Schülerband aktiv gewesen waren.

Tja, aber wer waren denn nun die Rivera-Brüder und ihr Freund Dave und was ist aus meinen frühen Pop-Idolen geworden? Fragen die ich mir immer wieder einmal gestellt habe, im Laufe der Jahre wurde die Wahrscheinlichkeit an Informationen zu gelangen jedoch immer kleiner. Seit ich Internet verwende wurde immer wieder einmal einen Suchlauf gemacht, meistens ohne erhellendes Resultat, kürzlich bin ich allerdings auf einen Nachruf gestossen der doch den ein und anderen Punkt klären sollte.

Jason (Humberto) Ephraim Rivera, geboren am 19. Januar 1951 in Cuamo, Puerto Rico, starb am 8. März 2016 an einer seltenen Form von Krebs. Nach dem Ende (oder dem fliessenden Übergang) von Jode gründete Jason Rivera Mitte oder Ende 70er die Band Cool Jets bei der auch seine spätere Frau Cheryl als Sängerin und Keyboarderin einstieg. In Orange County, California betrieben sie zusammen den Musikinstrumente-Shop Cool Jets Music den sie nach der Übersiedlung nach Canton, Ohio am neuen Standort Belden Music Store nannten, das Geschäft, respektive der Familienbetrieb existiert übrigens noch immer. Jason entwickelte hier auch spezielle Bünde für Gitarren, seine patentierten Jet Fretz. Neben der Coverband Cool Jets  widmete sich Jason zusammen mit seiner Gattin auch christlicher Musik und veröffentlichte mehrere mir nicht bekannte CD’s.

Über Omar Rivera liess sich nicht in Erfahrung bringen, ausser dass er lebt.
Vermutlich zog er sich nach Jode irgendwann aus der Musikszene zurück.

Dave ist nach wie vor ein Phantom. Manche Quellen behaupten er sei auch ein Rivera gewesen, allerdings gibt es offiziell keinen Rivera-Bruder der so hiess, er könnte aus verwandtschaftlicher Sicht vielleicht ein Cousin gewesen sein. Auf einem Bild auf der FB-Site der Cool Jets findet man einen Gigbesucher der mit Dave bezeichnet wird und der dem Dave auf der Plattenhülle von Jode ähnlich sieht.

Weshalb der einzige Tonträger von Jode noch nie restauriert wurde ist mir ein Rätsel, noch nicht einmal die Vanguard-Nachlassverwalter ACE Records haben diese Schatztruhe angerührt, aber vielleicht gibt es ja rechtliche Probleme. Ich würde jedenfalls kostenlos meine zwei gehorteten Jode-LP’s zur Verfügung stellen für ein Remaster, also falls ACE daran interessiert wäre…

LONG LIVE ROCK!
mellow

 

JODE
(LP, 1971, Vanguard, VSD 6564)
A1  Jode Theme – 1:16
A2  When I Was A Younger Man – 1:48
A3  Faith – 2:48
A4  Let The Morning Shine – 2:15
A5  Tomorrow Is Gone – 3:07
A6  Got Something On My Mind – 1:55
A7  Julie – 3:48
A8  Fly Away With My Brother – 4:25

B1  Miscommunication – 2:57
B2  Did You Not Hear Me – 2:48
B3  Good Times – 2:34
B4  Human Behavior – 2:45
B5  There’s No Reason To Cry – 2:12
B6  I Think It’s The Man – 6:16
B7  Why – 0:39

All Songs written by Jason and Omar Rivera.
Producer: Bob Scherl (u.a. Mississippi John Hurt)
Engineer: Dave Hassinger (u.a. Rolling Stones, Jefferson Airplane)
Recorded at Sound-Factory, Hollywood California.

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