Ein Motown-Projekt welches ziemlich unbekannt geblieben ist. Eigentlich unfair, spiegelt dieses Experimentierfeld von Norman Whitfield doch ziemlich genau die Soul-Entwicklung in den Seventies, in relativ kurzer Zeit mutierte damals das Genre zu Funk und Disco.
The Undisputed Truth: Sänger Joe Harris war in den Sixties mal mit den Ohio Players herumgezogen, seine beiden Mitstreiterinnen Billie Rae Calvin und Brenda Joyce sangen bei The Delicates und Background bei Diana Ross, den Four Tops und Edwin Starr.
The Undisputed Truth waren in Wirklichkeit so etwas wie das Sound- und Versuchslabor von Whitfield. Hier wurden Ideen und Songs ausprobiert (und auf dem Motown-Sublabel Gordy veröffentlicht), hier durfte sich die bewährte Studiomannschaft austoben und profilieren. Die vielversprechendsten Nummern zupfte sich der Chef aus der Kollektion heraus, liess sie von seinen Schneidern dampfbügeln, faltenfrei und millimetergenau an sein Paradepferd Temptations anpassen. Zwischen 1971 und ’79 reichte das Material für acht schillernde, eigenständige LP’s der Gesangstruppe The Undisputed Truth. Auf das Motown-Rezept mit den langen, groovenden und ausufernden Longtracks mit Jamcharakter die im Kontrast zu kürzeren Soulsongs im klassischen Stil standen, trifft man auch bei The Undisputed Truth. Manches was hier zuerst getestet wurde (z. B. „Papa Was A Rolling Stone“) wurde später zum Hit für andere Artisten im Motown-Imperium.
Anderes verschwand, für untauglich befunden wieder in den Schubladen, Dylans „Like A Rolling Stone“ beispielsweise, obwohl The Undisputed Truth eine faszinierende Version davon einspielten, ich vermute in diesem Fall spielte die Autoren- und Tantiemenfrage eine nicht unwesentliche Rolle. Anderes war weniger überzeugend, „Down By The River“ kann man problemlos überspringen. Insgesamt stösst man hier aber bei den Grabungsarbeiten auf wesentlich mehr Nuggets als Granit, vom Psychedelic-Soul der ersten beiden Alben über den Space-Funk von 1975 bis hin zu den Disco/Funk-Krachern auf dem abschliessenden Album „Smokin“ (1979).
Als sich Norman Whitfield von Motown trennte und sein eigenes Label Whitfield Records gründete, hatte das auch Folgen für The Undisputed Truth: Das Projekt machte zwar den Umzug mit, allerdings ohne Billie und Brenda. Joe Harris erhielt mit Taka Boom (eigentlich Yvonne Stevens, die Schwester von Chaka Khan) einen weiblichen Stimmenersatz und zusätzlich die Sänger Tyrone „Lil Ty“ Barkley und Calvin „Dhaak“ Stephenson. Bei der letzten Langrille stand Harris dann zusammen mit Mary Thomas, Lloyd Williams und Melvin Stewart hinterm Mikro. Danach packte Mastermind und Produzent Whitfield sein Steckenpferd Undisputed Truth endgültig in die Schublade.
LP-Diskografie:
Face To Face With The Truth (Gordy, 1971)
The Undisputed Truth (Gordy, 1971)
Law Of The Land (Gordy, 1973)
Down To Earth (Gordy, 1974)
Cosmic Truth (Gordy, 1975)
Higher Than High (Gordy, 1975)
Method To The Madness (Whitfield Records, 1976)
Smokin‘ (Whitfield Records, 1979)
Wer mal Lust auf Blackmusic abseits der ausgetretenen Pfade hat, wird bei The Undisputed Truth garantiert fündig werden und sich zu Recht fragen weshalb der Inhalt dieser schillernden Unternehmung nie grössere Verbreitung gefunden hat.
LONG LIVE FUNKY MUSIC!
mellow
Nachtrag.
Oder Insidertipp.
Oder „wer sich um Undisputed Truth gekümmert hat und nicht genug davon kriegen kann, der bekommt jetzt ein leckeres Dessert serviert“:
Taka Boom veröffentlichte 1979 bei Ariola Records America eine atemberaubend scharfe Funk-Rille, nicht nur wegen dem Plattencover, die Chose groovt wie die Hölle. Killer-Tracks wie „Red Hot“, „Anything You Want“ und „Night Dancin“ sind es absolut wert sich auf die Suche nach dem Album zu machen…