Manch einer wird sich fragen, weshalb ich bisher nicht näher auf The Shadows eingegangen bin. Nun, das verhält sich in meinem Fall ähnlich wie mit dem uralten Cliché „Beatles vs Stones“, die einen die Guten und Netten, die anderen die Finsteren und Bösen. Naja, so einfach geht das dann doch nicht, aber mir persönlich sind die biederen Briten im Gegensatz zu ihren amerikanischen Pendants The Ventures oder den schwedischen Spotnicks ganz einfach zu sauber und brav und zu süss, mir scheint sie haben sich nie wirklich von ihrer Rolle als Begleitcombo eines Teen-Stars und Schlagersängers (Cliff Richard) trennen können. Phuuuh… ich weiss, harter Tobak für Shadows-Fans die das hier lesen…
Okay, da hätten wir noch „Apache“ (übrigens nicht von ihnen sondern vom Komponisten Jerry Lordan) und „FBI“ (von Peter Gormley), aber rocken konnten die Shadows nicht, ich vermisse bei den Shadows ganz einfach die harten Drum-Grooves die man bei den Ventures findet, oder Gitarrensounds die an die Grenze des technisch Machbaren oder darüber hinaus gingen. Die aufkeimende Beat-Explosion in England trug wohl ihren Teil dazu bei, dass The Shadows schon bald mal als „altbacken“ galten. Ähnlich experimentelle Ansätze wie bei der hier von mir verherrlichten Truppe aus Seattle kann ich ich bei den Shadows keine ausmachen… ausser…
Doch, auch die Shadows haben eine LP gemacht der ich blind mein Vertrauen schenken kann: Shades Of Rock von 1970, so etwas wie der Versuch eines Comebacks. Die Platte belegt bei Verehrern der Shadows allerdings so ziemlich den letzten Platz im Shadows-Tonträger-Ranking, eine Klatsche ins Gesicht eines jeden seriösen Fans. Mit der Unterstützung von Keyboarder Alan Hawkshaw sowie der Bassisten John Rostill, Dave Richmond, Herbie Flowers und Brian Odgers gelang Gitarrero Hank Marvin und dem langjährigen Shadows-Trommler Brian Bennett meiner Meinung nach ein wirklich witziges und spannendes Instrumentalalbum. Im Booklet zu Shades Of Rock fällt der Begriff „Loungecore“, eine passendere Beschreibung zur LP gibt es fast nicht. Es rockt und rollt und es gibt hier wirklich faszinierende Passagen die sich teilweise aus dem Zusammenspiel heraus ergeben. Marvin’s Gitarre hat einen herrlich dreckigen Touch (kein Vergleich zu den fürchterlichen Schmalzklängen die er seiner Stratocaster in den 80ern entlocken sollte), Hawkshaw bearbeitet wie ein Irrer alles was Tasten hat und der Diddley-Beat bei „Paperback Writer“ ist schlicht und einfach umwerfend. Zur Fahrstuhlbeschallung taugt Shades Of Rock hingegen weniger, zu viele Ecken und Kanten, zu sperrig und aufregend, ganz einfach zu wenig einlullende Zuckerwatte. Als Alternative oder Vergleich zu den (nicht immer gelungenen) Siebziger-Alben der Ventures ist die Platte eine ausgezeichnete Ergänzung, für jede Instrumentalrocksammlung eine Bereicherung und wer rumpelnden Pop und Rock aus den frühen Seventies mag, wird bedient mit nahezu unbekannt gebliebenen Interpretationen bekannter Songs. Ausgenommen natürlich Shadows-Freaks, die mögen offenbar weder wüste Motorradrocker (siehe Cover) noch schmutzigen Rock! Der Longplayer blieb in dieser extremen Form leider ein Einzelexemplar in der Shadows-Gallerie, Marvin setzte die folgenden Jahre auf das Projekt Marvin Welch & Farrar.
LONG LIVE LOUNGECORE!
mellow
The Shadows – Shades Of Rock
(1970, LP, COLUMBIA EMI / CD-Reissue 2010, RPM)
1. Proud Mary
2. My Babe
3. Lucille
4. Johnny B. Goode
5. Paperback Writer
6. (I Can’t Get No) Satisfaction
7. Bony Moronie
8. Get Back
9. Something
10. River Deep, Mountain High
11. Memphis
12. What’d I Say
Bonus Track RPM-Edition :
13. Scotch On The Rocks (1966)