Bee Gees?
Ein rotes Tuch?
Geh mir bloss weg mit dem Vibrato-Zeug?
Nun, über die Qualität der australischen Gebrüder Gibb lässt sich bekanntlich gut streiten, aber das faszinierende, romantische Doppelalbum ODESSA sollte man zumindest einmal im Leben gehört haben bevor man den Stab über dieses Gesangstrio bricht.
ODESSA war der Versuch aus dem Single-Format auszubrechen, im Schatten der allgegenwärtigen Beatles etwas Grosses zu schaffen. Das locker gehandhabte Motto des Albums lautete „Emigration nach USA“ und die Gibbs konnten da aus eigener Erfahrung durchaus mitreden, waren sie doch selber von Australien nach UK „zurückgewandert“.
Impresario Robert Stigwood ging hier einen ganz anderen Weg als beispielsweise mit seinen Schützlingen Cream, für die Aufnahmen wurde zur Verstärkung ein grosses Orchester engagiert was dem Grossteil der Aufnahmen einen symphonischen Touch verlieh.
Die meisten Songs gerieten grossartig, hymnische Schmachtfetzen im Stil von „Lamplight“, „Edison“, „You’ll Never See My Face Again“ oder „Sound Of Love“ neben dylaneskem Material wie dem grandiosen „Marley Purt Drive“, dem von Country & Western infizierten „Give Your Best“ oder „Melody Fair“ mit deutlich erkennbarem McCartney-Stempel. Orchestrale Einflüsse der Moody Blues waren ebenfalls herauszuhören, genauso wie man die eigene Vergangenheit nicht leugnete. ODESSA geriet zu einem stimmungsvollen Projekt, sticht mit seinem exzellenten Sound bis heute aus der Discographie der Bee Gees heraus.
Andererseits zerstritten sich damals Barry und Maurice mit Bruder Robin wegen der Auswahl der Singleauskopplung, Schlagzeuger Colin Peterson hatte eh nichts zu melden, er war ohnehin nur ein Angestellter der Gibb-Brüder, Leadgitarrist Vince Melouney war bereits 1968 von der Lohnliste verschwunden. Robin verlor das Duell mit seinem „Lamplight“, das etwas kitschig geratenen „First Of May“ das in Deutschland Platz 3 der Charts erreichte wurde die A-Seit. Als Konsequenz des Streits verabschiedete sich Robin bald darauf aus dem familiären Kreis um es vorerst mal mit einer Solokarriere zu versuchen. Mitte 1970 kam es aber bereits zum Comeback der Streithähne, die Marke Bee Gees war ganz einfach zu wertvoll um sie auf den Komposthaufen der Musikgeschichte zu werfen.
Es ist durchaus nachvollziehbar wenn jemand die späteren Bee Gees aus der Discozeit nicht mag, das geht mir auch so, aber ODESSA, ja diese Songsammlung hatte was, die ist absolut zeitlos, ist für meine Ohren das unübertroffene künstlerische Vermächtnis der drei Australier.
LONG LIVE POP MUSIC!
mellow
Bee Gees – ODESSA
(1969, DoLP, Polydor / diverse CD-Reissues)
1. Odessa (City On The Black Sea)
2. You’ll Never See My Face Again
3. Black Diamond
4. Marley Purt Drive
5. Edison
6. Melody Fair
7. Suddenly
8. Whisper Whisper
9. Lamplight
10. Sound Of Love
11. Give Your Best
12. Seven Seas Symphony
13. I Laugh In Your Face
14. Never Say Never Again
15. First Of May
16. The British Opera
Danke Jürgen, ich hab’s korrigiert im Artikel.
kleine Berichtigung zur Rezension: Nicht Robin gewann das A-Seiten Duell mit „First of May“, sondern Barry. Robin’s „Lamplight“ wurde auf die B-Seite verbannt, was letzlich zum vorübergehenden Bruch der Brüder führtr
Zustimmung. „Odessa“ muss sein! Tolles Album! Aber die „here at last“ gefällt mir einen Tick mehr, wegen des Brückenschlags zwischen damals „alten“ BeeGees und den neuen, kurz vor „Saturday night fever“.