Fräulein eigentlich gar nicht, weil die Schauspielerin Eva Pflug war 1966 schon jenseits von 30 als sie in der Rolle der zackig gestylten Tamara Jagellovsk an Bord der Raumpatrouille Orion so richtig abhob. Noch mehr Beatzeitgeist, Pop, Mode und Fiktion als hier ging Mitte 60er eigentlich gar nicht, die kleine TV-Weltraumsaga mit ihren witzigen, zum Teil aus Baumarkt-Materialien improvisierten und gefertigten Kulissen, wurde zum Kult. Leider schaffte es der fiktive Gesellschaftstanz „Galyxo“ der in der Basis am Meeresgrund getanzt wurde (davon gab es übrigens diverse Variationen, teilweise gehörten die Verrenkungen schon fast in den Bereich Kunstturnen) nie in auf breiter Basis in die Diskotheken der Republik, trotzdem sind diese bewegten s/w-Sequenzen noch heute eine Augenweide. Für die Musik der sieben Episoden war der Komponist Peter Thomas mit seinem Peter Thomas Sound Orchestra zuständig, bis zum heutigen Tag ein erfrischender Mix aus Jazz, Beat, Easy Listening und undefinierten Bauteilen.
Daran angelehnt, aber offenbar unabhängig von der Serie, erschien (ca. 1968) „Das Mädchen vom Mond“, eine Produktion von Christian Bruhn und dem Texter Rudolf-Günter Loose. Und das ist ganz einfach ein umwerfender Titel, ein wunderschönes Stück Sixties-Pop, ein bezaubernder Schlager der zu Unrecht vom Bodenradar der Musikarchäologie verschwunden ist, Eva und Tamara verschmolzen hier zu einer unzertrennlichen Einheit.
Raketen fliegen kreuz und quer im Weltenall
Wenn ich sie sehe wünsche ich mir jedes Mal
Ja so ein Raumschiff, das wär mein Traumschiff,
und er steigt aus und lacht mir zu…
Ich bin das Mädchen vom Mond und bin noch immer allein
und schau voll Sehnsucht auf die gute alte Erde.
Ich denke immer daran, wann kommt der richtige Mann,
der es mal wagt und sich was traut und nicht nur in die Sterne schaut,
mein Astronaut…
Man schiesst von unten so viel Männer in die Bahn
Hier oben kommen stets nur Instrumente an
Ich mach mich täglich schön, doch frag ich mich für wen,
bisher hat keiner mich gesehn…
Ich bin das Mädchen vom Mond und bin noch immer allein
und schau voll Sehnsucht auf die gute alte Erde.
Ich denke immer daran, wann kommt der richtige Mann,
der es mal wagt und sich was traut und nicht nur in die Sterne schaut,
ich wär so gerne deine Braut… mein Astronaut…
Herzzerreissend, was für ein Text, was für eine Interpretin, was für eine funkelnde Songperle deutscher Liederschmiedekunst! Nein ich erlaube keine Fragen, hier ist einzig hinsetzen, anhören und abheben angesagt. „Das Mädchen vom Mond“ ist vielleicht der schönste Spacebeat-Schlager der jemals aus einem deutschen Tonstudio ins Weltall geschossen wurde. Zugegeben, „Captain Starlight“ von Frank Zander war auch nicht schlecht, aber das war dann eine andere und spätere Epoche in der Kommandant Major Cliff Allister McLane (Dietmar Schönherr), seine Crew und die süsse kleine Orion keine Chance gehabt hätten gegen die gigantsch grossen Sternenkreuzer von Star Wars.
Das Chanson „Du siehst mich an“, die jazzy B-Seite der Single, enthält keinen direkten Hinweis zu Weltraum und Raumschiffchen, nichtsdestotrotz eine weitere klasse Gesangsdarbietung von Raketen-Eva. Vielleicht die Bilanz der Beziehung vom „Mädchen vom Mond“ und ihrem Astronauten nach Jahren der Zweisamkeit in der einsamen Mondbasis?
Nach der Langspielplatte Ich mit der furiosen Jazz-Nummer „Du“ im Jahre 1970 war die Gesangs-Karriere von Eva Pflug leider bereits vorbei, ab und zu sang sie noch einzelne Titel in TV-Unterhaltungssendungen. Leutnant Tamara Jagellovsk erwies sich im Nachhinein als zu stark und emanzipatorisch für den weiteren Karriereverlauf von Eva Pflug, die Schauspielerin wurde dermassen mit dieser fiktiven Weltraumheldin verknüpft, dass ihr nach der Raumpatrouille keine grossen Filmrollen mehr angeboten wurden. Es folgten kleinere Filmauftritte, Boulevardkomödien, aber auch grosses Theater mit Goethe, Brecht und Shakespeare, zudem arbeitete sie als Synchronsprecherin. Eva Pflug starb 2008 im Alter von 78 Jahren.
Fundsachen / Abteilung Obskures & Skurriles :
Jessy.
Da finden sich keine vernünftigen Infos zu dieser Sängerin, ausser ein paar Singles die sie Mitte der 60er veröffentlicht hat. Im Web behauptet jemand das sei nicht Jessy sondern Rika Sand.
Rika wer?
Okay, gemäss Discogs war das eine Schlagersängerin mit zwei 45ern Anfang der 70er auf Mabel Records, eine davon mit dem Song „Aber dann“, offenbar dieselbe Jessy-Aufnahme von 1967, einfach unter anderem Namen veröffentlicht. Rika Sand verwandelte sich danach auf wundersame Weise in Manuela Mertens die 1974 der Nachwelt eine weitere Single hinterliess.
Im Prinzip alles egal, Jessy zerriss keine grossen Stricke, ob sie nun real war oder ein Geist aus dem Keller der Plattenfirma Vogue. Die mir zur Prüfung vorliegende Single „Bis zur Hochzeit wird alles wieder gut“ (1966) ist dabei nicht mal schlecht produziert und hat ein fein polterndes Drum à la Phil Spector im Soundbed, verantwortlich dafür waren Chor und Orchester Friedel Berlipp. Die B-Seite „Das Wunder unserer Liebe“ ist nicht einfach einzuordnen – „da-di-da-damm, da-di-da-damm…“ – schmissiger für 1966 nicht unüblicher melodiöser Pop eben, gar nicht allzu weit weg von vielen der französischen Lolitas.
Eine grosse Sängerin war Jessy nicht, sie scheint nicht allzu viele Gesangsstunden gebucht zu haben, aber genau dieser Dilettantismus macht die Sache im Nachhinein sympathisch. Und das Platten-Cover von „Bis zur Hochzeit“ ist doch einfach grandios, oder etwa nicht?
Okay, ich glaube ich habe mich verraten, die wunderhübsche Plattenhülle ist der eigentliche Grund für diesen kurzen Einschub zu Jessy.
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Jacqueline Boyer.
Französische Chanteuse, im Prinzip eine typische Chanson/Schlager-Vertreterin.
Und damit hätte sie hier in diesem Thread eigentlich rein gar nichts verloren. Ihre Single „Oh, Cheri, je t’aime (Kommst du heut‘ oder morgen?)“ von 1968, verfasst (oder verbrochen, je nach Sichtweise) von Henry Mayer und Kurt Hertha kann man locker in die Sparte Fusion-Trash einordnen: Pop goes Polka, Lichtjahre bevor in Österreich dieser seltsame Skihüttenrock erfunden wurde.
Das Positive an so einem Outlet-Fundstück ist, dass man daran erkennen kann, dass die Musiklandschaft in den Sixties noch nicht nach Normen definiert war, es gab Freiräume in denen die Produzenten auch etwas wagten und Experimente machten. Es sind nicht die Gitarren die auf diesem Titel dominieren, es ist ein simpler Taktwechsel der von Pop-Beat-Grundstruktur der Nummer in diesen unmöglichen Quetschbalken-Maultrommel-Polka-Schluckaufrhythmus wechselt. Jacqueline kann man getrost vergessen, der Fokus liegt hier zu 100% auf dem Drummer. Hut ab vor diesem unbekannten Schlagzeuger der sich so entschlossen in die Schlacht warf, er ist das Herz der Nummer, ihm gebührten die Lorbeeren falls man welche vergeben würde. Der arme Kerl hat damals garantiert Blut geschwitzt, Komponisten und Arrangeure verflucht, sie ohne Rückflugticket am liebsten zum Mond geschickt.
Ah Mond, schau an, auch hier schliesst sich der Kreis, vergiss Jacqueline, ich setze sanft am Anfang dieses Kapitels wieder auf, bei Eva, dem wunderbaren „Mädchen vom Mond“…
mellow
Och – auf was bin den hier gestoßen! Auf der Suche nach einem vernünftigen TROGGS-Sampler lese ich hier die Schlagerinfo über Eva Pflug – sensationell!
Schön diese Seite entdeckt zu haben – ich komme jetzt öfter 🙂
Liebe Grüße
Dierk aus Köln
Klasse, da „draussen“ gibt es tatsächlich einen dem der Name Eva Pflug noch etwas sagt, also DAS empfinde ich jetzt aber als Sensation!
Die Troggs müssten dringend wieder mal von einem seriösen Reissue-Spezialisten aufgearbeitet werden. Es ist schlichtweg erschreckend und verwirrend wie viele billig aufgemachte Troggs-Sampler existieren. Repertoire Records hat 2004 mit „Singles As & Bs“eine 3-CD-Compilation veröffentlicht, immerhin ein Label mit gutem Renommee.
mellow