Twinkle

Okay, eine Songzeile wie „daheine ‚ohsen blühn‘ noch imma in meinem klainan Zimma…“ die einzig von dem extrem gerollten „r“ bei „daheine Brrrriefe“ noch getoppt wird (Twinkle’s deutsche Version von „Tommy“, 1965), ist kaum dafür geschaffen in die Popannalen einzugehen, ausser als kleiner witziger Sprachunfall vielleicht. Die britische Sängerin Twinkle, alias Lynn Ripley, veröffentlichte ab 1964 bei Decca, ihr selbst geschriebenes Biker-Drama „Terry“ das recht nahe bei den amerikanischen Shangri-La’s parkiert war, platzierte sich ’64 auf Platz 4 der Insel-Charts, ein gewaltiger und auch überraschender Smash-Hit für das aus wohlhabendem Haus stammende Mädchen. Es folgte Single auf Single, an den Grosserfolg vermochte keine anzuknüpfen, obwohl die Titel durchaus zeitgeistig, teilweise von Twinkle selber komponiert und von den Decca-Arrangeur-Profis angerichtet wurden. No chance, und als 1969 nach dem Wechsel zu Immediate die 45er „Micky“ erschien, machte das Label noch in der gleichen Woche den Laden dicht.

Gefrustet nicht nur von dem ganzen Business, sondern auch wegen der Beziehung mit ihrem Freund Michael Hannah, zog sich Twinkle für ein paar Jahre aus der Szene zurück. Angespornt durch ihr Management das sich auch um Colin Blunstone und Mike D’Abo kümmerte, reifte allmählich der Entschluss, ihrer Beziehung mit Michael einen Longplayer zu widmen. Kaum hatten die Aufnahmen begonnen, erreichte sie am 3. März 1974 die Botschaft, dass Michael Hannah in der Nähe von Paris beim Flugzeugabsturz einer DC-10 der Turkish Airlines ums Leben gekommen war. Ihr Ex-Freund, der als Fashion-Model die Karriereleiter hochgeklettert war, befand sich auf der Heimreise von einem Foto-Shooting in Spanien. Mit ihm fanden 375 weitere Passagiere und Besatzungsmitglieder in den Tod.

Nicht nur für Angehörige und Freunde muss das schreckliche Ereignis die Hölle gewesen sein, auch für Twinkle war es wohl so etwas wie ein Weltuntergang. Trotz aller Trauer zog sie die von D’Abo begleitete Session durch. Die fertigen Aufnahmen wollte allerdings niemand, die Plattenfirmen lehnten sie durchs Band ab, das dem verstorbenen Hannah gewidmete, feinfühlige, zwischen Pop und Folk tänzelnde Album verschwand in der Dunkelheit und Twinkle und D’Abo kamen dann irgendwann ihre Tonspulen abhanden. Manager David Evans „vergass“ die fertige Produktion ebenfalls, bis er sich nach einem zufälligen Aufeinandertreffen mit Mike D’Abo in seinem Archiv auf die Suche machte und die verloren geglaubten Aufnahmen wiederfand. Und siehe da, die gehorteten Mastertapes konnten restauriert werden und erschienen 2003 auf CD. Und ja, Michael Hannah, The Lost Years ist eine faszinierende Songsammlung, eine Geschichte bei der es sich lohnt genauer hinzuhören, vor allem wenn man die tragische Story dahinter kennt…

Twinkle verlegte sich auf schreiben und produzieren von TV-Musik und Werbespots, trat bis zu einer Single anno 1984 und seltene Auftritte bei befreundeten Musikern nicht mehr in Erscheinung. Ihr musikalisches Vermächtnis der Sixties und Seventies braucht sich allerdings nicht zu verstecken, das überschaubare Oeuvre gräbt sich in meinen Ohren mindestens so tief wie dasjenige von Marianne Faithfull oder Dusty Springfield

mellow

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