The Spotnicks – für mich ist das eine der erstaunlichsten Instrumental-Bands der Sixties. Die schwedische Truppe um Bandleader, Gitarrist und Soundtüftler Bo Winberg (über die Jahre die einzige Konstante im Lineup) vermochte immer wieder ausgezeichnete Duftmarken im hier behandelten Genre zu setzen. Vor allem auch weil sie es schafften, sich mit eigenen Songkonstrukten wie „Amapola“ (eine wahre Powerpop-Perle, meine Jukebox hüpft jedesmal vor Freude wenn der Titel gewählt wird) oder mit neuen Kreationen bekannter Titel zu etablieren. Klar, „Telstar“ wurde auch von ihnen gecovert, aber mal ehrlich, welche Instrumental-Combo aus den 60ern kam an der Nummer vorbei?
Eigentlich keine.
Und überhaupt: Wer hat den Glamrock erfunden?
Ganz klar die Spotnicks mit ihren futuristischen Raumanzügen, ein absolutes Novum zu Beginn der 60er-Jahre…
Die „instrumentale Krise“ der späten Sixties erschütterte auch The Spotnicks, trotz der Erfolge die sie vor allem in Japan feierten (leider ist das Album „Live In Japan“ von 1967 mit dem Beatles-Tour-Notnagler Jimmie Nicol noch immer Mangelware auf dem Reissue-Markt), sie setzten vermehrt auf Vocals, verloren sich aber in der plötzlichen Vielfalt der Stile. Am ehesten konnten sie sich noch mit der immer populärer werdenden Folk- und Countrymusic identifizieren, jedenfalls zu Beginn der 70er. Die LP Something Like Country (1972) ist nicht schlecht geraten, da stört noch nicht mal Roger Withaker’s „Mexican Whistler“ (gottlob pfeift auf dieser Version aber auch niemand), ausserdem kombiniert das ausgezeichnete Cover von „Norwegian Wood“ schwedische Quetschbalken-Folklore mit einer der schönsten Melodien der bekannten Liverpooler. Insgesamt ist das eines der besseren Spotnicks-Alben in dieser Phase in der die Band immer mehr zerfiel, sprich das stand und fiel eigentlich alles mit Mastermind Winberg, respektive seiner Lust nach einer Begleitband.
1974 war wieder einmal Tournee angesagt und im Berliner Club „Badewanne“ wurde ein fantastisches Live-Album aufgezeichnet: Live in Berlin ’74 ist ein gnadenlos gutes Rockalbum das diverse Frühseventies-Musikstile auf einen Nenner bringt ohne aber nur eine einzige Sekunde lang aufgesetzt zu wirken. Das Album ist ein überzeugendes kraftvolles Statement aus Powerpop, Hardrock, Soul, funky Westcoast, ist eine bärenstarke furiose Gitarrenschlacht: Bo Winberg und die Spotnicks reissen mit ungeahnter Power die Tür zum Instrumentalrock auf und zerpflücken gleich mit dem Auftakt „Theme From A Dollars More“ Ennio Morricone’s berühmte Vorlage ehe sie sich „Jessica“ von den Allman Brothers und „Sylvia“ von Focus vorknöpfen. Lieb und brav ist das alles nicht, hier fauchen, flankiert von einem gurgelnden Elektropiano, in Perfektion 3 E-Gitarren um die Wette. Vokal-Titel tauchen ebenfalls auf, „What’s Going On“ von Marvin Gaye und Doobie Brothers‘ „Long Train Running“, aber die No-Vox-Titel dominieren klar und werden auch mit enormer Spielfreude in den Raum geschleudert. Erkennbar ist auch immer Bo Winberg’s Trademark-Sound, die drahtig/metallisch klingenden Saiten seiner Fender Stratocaster…
Fazit: Live in Berlin in der mir vorliegenden CD-Ausgabe Récital des Spotnicks à Berlin (das war 1974 auch der Titel der originalen französichen LP-Ausgabe) ist ein grandioses Live-Dokument das sich hervorragend eignet als Einstieg in die Welt des Instrumentalrocks, auch für Interessierte die absolut nichts mit den 1960’s am Hut haben…
mellow
Live in Berlin ’74 (LP, Polydor, 1974 / CD-Reissue, Magic, 2004: Récital des Spotnicks à Berlin)
1. Theme From „For A Few Dollars More“
2. Jessica
3. What’s Going On
4. Israeli Dance (Havah Nagila)
5. Sylvia
6. If You Could Read My Mind
7. Hernandos Hideway
8. Holiday Hotel
9. Tinta Verde
10. Diamonds
11. Long Train Running
12. Wildwood Flower
Bonustracks auf der CD Récital des Spotnicks à Berlin:
13. Wichita Lineman
14. Introduction of the band by Bo Winberg
15. Hey Good Looking
16. Last Date
17. Moonshot
18. Johnny Guitar
19. Amapola