Klaus Doldinger verzückte unter dem Namen „Paul Nero“ mit Mainstream-Platten ein großes Publikum. Mit diesen Verkäufen und mit den Kompositionen von unzähligen Filmmusiken verdiente er sein Geld. Klaus Doldinger konnte aber auch anders! Er war im Grunde ein Jazzer, der auch anderen musikalischen Strömungen gegenüber immer offen blieb. Ende der 1960er und Anfang der 1970er gab es viele Jazzer die sich mit dem „modernen“ Rock beschäftigten, so wie Miles Davis, George Benson und einige andere. Klaus Doldinger versuchte es sehr erfolgreich mit Passport.
1971 erschien das erste Album „Passport“ mit Lothar Meid (Embryo und Amon Düül II), Udo Lindenberg, Olaf Kübler und Jimmy Jackson. Nach der ersten Platte wechselte die Besetzung. 1973, zum Zeitpunkt der Jubilee Konzerte, waren das: Curt Cress (für mich der beste deutsche Schlagzeuger aller Zeiten und heute Professor an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater), Wolfgang Schmid (jeder Bassist sollte ihn kennen) und Kristian Schultze (Sohn des Komponisten Norbert Schultze, Lili Marleen war einer seiner Songs) an den Keyboards.
1973 hatte Siegfried E. Loch zum 20. Bühnenjubiläum von Klaus Doldinger zwei Konzerte veranstaltet. Als Begleitung verpflichtete er, vielleicht kamen sie auch freiwillig, bekannte Gastmusiker. Es war wohl nicht so einfach die Termine festzulegen. Schließlich fanden diese sich und zwar am 16.10.1973 in Düsseldorf und irgendwann in Hamburg. Das Datum für Hamburg wird leider nicht angegeben. Mitgeschnitten wurde der Gig in Düsseldorf mit dem damals modernsten Equipment, dem Rolling Stones Mobile. Die Qualität der Aufnahme ist daher sehr gut! Die so schwer zu verpflichtenden Gäste waren Volker Kriegel Gitarre, Brian Auger Keyboard, Pete York Drums, Johnny Griffin Saxophon und Alexis Korner Gitarre und Gesang.
Es geht los mit „Handmade“, der Titelsong des damals noch aktuellen Albums. Leider wird hier, im Vergleich zu der Studioversion, stark gekürzt. Höhepunkt ist das Gitarrensolo von Volker Kriegel, leider auch etwas zu kurz.
Der folgende „Freedom Jazz Dance“ ist ein Standard von Brian Auger und erschien auf seinem Album „Second Wind“ mit dem Oblivion Express. Komponist war der Saxophonist Eddie Harris. Herausragend ist der Rhythmusteppich der beiden Drummer York und Cress und das darübergelegte Orgelspiel von Brian Auger.
„Schirokko“ gehört den beiden Saxophonisten Doldinger und Johnny Griffin. Zu einem Solo von Doldinger steigt Griffin langsam in einen Dialog ein. Beendet wird „Schirokko“ von den Schlagzeugern mit ebenfalls einem Solo. Wer das Solo spielt, ob York oder Cress oder beide ist nicht vermerkt. „Schirokko“ erschien auf dem ersten Album von Passport, damals noch mit Udo Lindenberg an den Drums
„Rockport“ wurde beinahe zeitgleich für das neue Album „Looking Thru“ aufgenommen. An sich war „Rockport“ ein 3-Minuten-Song, hier wird allerdings gejammt und das beinahe 10 Minuten lang. Das Thema lädt auch zu einer Jamsession ein, muss man gehört haben. Solisten sind hier der Reihe nach Griffin, Auger und Kriegel. Das Ganze wieder auf einem erstklassigen Klangteppich aus dem sich besonders Kristian Schultze mit seinem Mellotron hervor spielt. Das Ende ist es chaotisch.
„Rock Me Baby“ ist der Blues von Alexis Korner! Wie oft kann man den auf seinen Alben hören. Es ist auch der einzige Titel des Albums bei dem gesungen wird. Irgendwie passt Blues nicht so richtig zu Passport. Man merkt es, Passport ist zu sehr dem Jazz verschrieben. Alexis Korner und mir macht diese Version trotzdem Spaß, vielleicht weil sie so untypisch ist.
Mit „Lemuria’s Dance“ stammt ebenfalls vom ersten Album „Passport“. Die Musiker bieten hier ein großartiges Finale, jeder darf sich und sein Können einmal zeigen.
Rocker und Blueser werden es schwer haben dieses Konzert zu mögen, man muss auch den Jazz etwas mögen. Was hier abgeht ist für mich eine Sternstunde des Jazzrocks in Deutschland. „Passport“ konnte ich sehr oft auf der Bühne sehen und hören, aber leider nicht eins der beiden Konzerte. 1975 fand ein ähnliches Ereignis statt, auch das verpasste ich zu meiner Schande.
In einem der nächsten Beiträge versuche ich das „Jubilee `75 Live in Hamburg“ vorzustellen. Besetzung und Songs sind anders. Wahrscheinlich lockte der Erfolg zu Wiederholung.