Besser spät als nie.
Hätte ich von der Existenz dieser umwerfenden Band gewusst, ich hätte mir diese drei überwältigenden Alben von PAUL BRETT’S SAGE schon vor 35 Jahren beschafft, als meine Sucht so richtig los ging, als meine Jagd nach musikalischen Wunderschätzen einen ersten Höhepunkt erreichte. PAUL BRETT’S SAGE wurde nun eben erst viel, viel später zu einer Herzensangelegenheit. Ja, ich gestehe, ich habe mich verliebt, völlig verliebt in diese Truppe die sich zu Beginn der Seventies innert kürzester Zeit von einer emsigen Raupe in einen farbenfrohen Schmetterling verwandelte.
Der Name des Gitarristen, Sängers und Songwriters PAUL BRETT ist nicht gerade geläufig. Als er Ende Sixties die PAUL BRETT SAGE gründete (das „‚S“ bei BRETT’S SAGE tauchte erst auf der zweiten LP auf), war er allerdings auch kein Unbekannter, jedenfalls tauchte er damals schon in der britischen Folkszene auf, unter anderem im Dunstkreis der STRAWBS, bei ROY HARPER, VELVET OPERA und mit ARTHUR BROWN hatte er bereits eine Single eingespielt.
PAUL BRETT SAGE (1970)
Die Unternehmung landete bei PYE und veröffentlichte 1970 ihr erstes, schlicht PAUL BRETT SAGE betiteltes Album, eine Hommage an den Folkrock damaliger Prägung, durchdrungen von BOB VOICE’S Kongas und Bongos und DICK DUFALL’S Bassgitarre und veredelt mit Farbtupfern der Flötistin NICKY HIGGINBOTTOM. Mittendrin der Namensgeber der mit dieser Platte seine Visitenkarte als ausgezeichneter Songschreiber und Interpret der eigenen Songs hinterlegte, man höre und sehe sich (Promofilm) nur mal „3D Monalisa“ an.
JUBILATION FOUNDRY (1971)
Nach dem Abgang von HIGGINBOTTOM in einen bürgerlichen „Beruf“ (Journalismus), ergänzte der Gitarrist/Keyboarder STUART COWELL das Lineup. Mit dem 71er Longplayer JUBILATION FOUNDRY (auf dem Label DAWN, der PYE-Tochter die sich um Progressives kümmerte), entfernte sich PAUL BRETT’S SAGE (jetzt mit dem erwähnten „‚S“) etwas mehr vom Folkrock des Debuts, ohne allerdings die Wurzeln zu verleugnen. US-amerikanische angehauchte Westcoast-Folk-Bauteile tauchten auf, byrds-liker Harmoniegesang machte sich breit, VOICE setzt stellenweise ein richtiges Drumset ein und BRETT griff verstärkt zur E-Gitarre. Und selbstverständlich eiferte man den Label-Kollegen von MUNGO JERRY nach, allerdings ohne auch nur entfernt an deren Erfolg anknüpfen zu können. Fazit: Aus musikalischer Warte betrachtet ein durchs Band gelungener Wurf ohne Ausfälle, kommerziell plus/minus ein Flop, trotz des Mini-Hits „Goodbye Forever“.
Tragisch…
SCHIZOPHRENIA (1972)
Aufgabe infolge mangelnden Tonträgerabsatzes? Nein, „on tour“ lief die Chose nicht schlecht. Man spielte 1971 auf einem Festival auf Augenhöhe neben BARCLAY JAMES HARVEST, T. REX, CARAVAN, FACES und KING CRIMSON. Die finale PAUL BRETT’S SAGE veröffentlichte eine dritte LP, ohne DICK DUFALL, dafür mit STRAWBS‘ DAVE LAMBERT und Gastmusikern und neuen Nuancen. Teilweise elektrischer, härter, aber immer noch genauso verspielt wie die Vorgänger und wieder mit Songmaterial für das andere Bands meilenweit gehen würden. Irgendwie war der Wurm drin, eine Tour als Anheizer für STATUS QUO brachte den angestrebten Erfolg ebenfalls nicht, stattdessen warf COLWELL sein Handtuch in den Ring. In einer der letzten dokumentierten Besetzungen der PAUL BRETT’S SAGE stand dann der Violinist MIKE PIGGOTT auf der Bühne, siehe den faszinierenden Auftritt beim „Old Grey Whistle Test“ den man bei You Tube findet, sie spielten dort zwei feine Versionen von „Custom Angel Man“ und „Charlene“.
PAUL BRETT‘S SAGE scheiterten kläglich, sie hatten es nicht geschafft ihren aussergewöhnlichen Folkrock vernünftig zu vermarkten. Wie so oft trifft die Musiker wohl die kleinste Schuld. Viel eher hatte es die Marketingabteilung der Plattenfirma verbockt, die hatte nicht geschnallt, welche Juwelenkisten von PAUL BRETT’S SAGE in ihrem Büro abgeliefert wurden. Der Namensgeber der Band ist bis heute noch immer aktiv in der britischen Folkszene, PAUL BRETT veröffentlichte ab 1973 unzählige Soloplatten.
Wie eingangs erwähnt: Besser spät als nie, also her mit dem Inselkoffer:
PAUL BRETT’S SAGE muss da unbedingt mit rein. Die drei erwähnten Alben sind 2009 bei ESOTERIC RECORDINGS wiederveröffentlicht worden. Da lohnt sich jeder Cent, Ehrenwort, ich jedenfalls bereue die Anschaffung nicht…
mellow
Nebenbaustelle:
FIRE – THE MAGIC SHOEMAKER (1970, PYE Recordings)
Die Begeisterung für PAUL BRETT’S SAGE liess mich mein Forscherradar auch nach FIRE ausrichten. FIRE entwickelte aus der Band FRIDAY’S CHILD, war ein Baby von DAVE LAMBERT und seinen Schulfreunden BOB VOICE (Drums) und Bassist DICK DUFALL, den beiden die später das Rhythmusfundament von PAUL BRETT’S SAGE bildeten. Nach zwei Singles 1968, machte sich LAMBERT an die akustische Umsetzung des Märchens THE MAGIC SHOEMAKER in das er ein ganzes Jahr Arbeit investieren sollte. Die Leadgitarren spielte ein gewisser PAUL BRETT ein, DAVE COUSINS griff für seinen Geistesverwandten bei „Happy Man Am I“ zum Banjo. Mit dem Resultat war LAMBERT allerdings alles andere zufrieden, er löste die Truppe auf und das Album erschien erst 1970.
Musikalisch war THE MAGIC SHOEMAKER eine Achterbahnfahrt zwischen psychedelischem Spätsixtiesrock („Like To Help You If I Can“ ein toller Rocker in der Machart von GUN) und damals gebräuchlichen progressiven Bauteilen (LAMBERT als Märchenonkel der zwischen den Songs einer Gruppe Kindern den SHOEMAKER erzählt), nicht unähnlich dem Schaffen der STRAWBS.
Für das CD-Reissue wurden von von ESOTERIC RECORDINGS auch die beiden 45er aufbereitet Beeindruckend hier vor allem der Rocker „Father’s Name Is Dad“. „Round The Gum Tree“ eher weniger, zeigt aber, dass nicht FRANK ZANDER den Schlümpfe-Sound erfunden hat…
Für eine FIRE-Reunion in Originalbesetzung im Jahr 2007 fand PAUL BRETT keine Zeit, das daraus entstandene Album, THE MAGIC SHOEMAKER – LIVE, in modernem Soundgewand kann sich durchaus hören lassen…