THE KINKS & MIKE COTTON SOUND
Ende Seventies hatte ich Peter – der Typ hatte einen Plattenladen hier in den Highlands – damit beauftragt, mir das Album MUSWELL HILLBILLIES von den KINKS zu organisieren.
Die LP war extrem rar, selbst in den sonst gut bestückten Plattenläden in Zürich liess sich die nicht auftreiben, vergriffen hiess es überall, noch nicht mal als Second-Hand-Artikel kursierte der Longplayer von 1971. Die Szene vergess‘ ich nie, als mich Peter ca. ein Jahr später in Wetzikon in der Bahnhofstrasse erblickte, seinen imposanten Ford V8 anhielt, die Scheibe runterkurbelte und rief: Ich hab‘ sie… „deine“ HILLBILLIES… ein Traum wurde wahr! Nebenbei muss ich sagen, dass mich damals das KINKS-Fieber gepackt hatte, 1978, 1979 und 1980 hatte ich sie live erlebt, wiedererstarkt und spritzig waren sie, scharf wie die Truppen der neuen, sogenannten “New Wave“.
Nach wie vor ist diese 71er HILLBILLIE-Platte eine meiner liebsten KINKS-Scheiben in der Sammlung, auch die beiden Titel „Acute Schizophrenia Paranoia Blues“ und „Alcohol“ die damals von einer – meiner Meinung nach – ziemlich versumpft klingenden Bläsertruppe namens MIKE COTTON SOUND mit Dixie-Gehupe veredelt worden waren.
MIKE COTTON JAZZMEN &
THE MIKE COTTON SOUND
Ausser der Verbindung zu den KINKS blieb dieser Name ein weisses Blatt für mich, erst
Jahrzehnte später stiess ich dann erneut auf MIKE COTTON, als ich 2015 über den RPM-Silberling THE MIKE COTTON SOUND stolperte. Der namengebende Trompeter, Bluesharper und Sänger war eigentlich ein typisch britisches Relikt aus dem Jazz-Boom der späten 50er, frühen 60er, man nannte sich genretypisch MIKE COTTON JAZZMEN.
Allerdings war der Bandleader kein Fossil das sich nur an altbewährtes Liedgut halten mochte, er ging mit der Zeit, war offen für Beat, R&B und vor allem für Soul, wurde deshalb auch im Umfeld der Mods sehr geschätzt. Seine immer wieder ummodellierte Truppe (Bassist JIM RODFORD sollte bei ARGENT und COLIN BLUNSTONE, noch später dann in der Geschichte der KINKS auftauchen / als Gitarrist MIKE GRIFFITHS – vormals bei THE ARTWOODS – auf einer Tour der Liebe wegen lieber in Rom zurück blieb, wurde er durch MICKY MOODY ersetzt) wurde oft als Backingband für Stars wie SUGAR PIE DESANTO, GENE PITNEY, STEVIE WONDER, SONNY BOY WILLIAMSON, DORIS TROY, THE FOUR TOPS oder SOLOMON BURKE gebucht.
1964 spendierte COLUMBIA der Band einen Longplayer und ein paar Singles die jedoch kein Aufsehen erregten. Die auf diesen Tonträgern festgehaltene Musik hat es allerdings in sich, ist eine berauschende Stil-Gratwanderung ohne Schwachpunkte, ein einziges Feuerwerk das den Jazz mit aktuellen Musikpartikeln verschmolz. Bis 1968 folgten mit dem US-Sänger BRUCE McPHERSON LUCAS weitere Singles für PYE, POLYDOR, MGM (teilweise unter der Bezeichnung LUCAS & MIKE COTTON SOUND), unter anderem wurde da auch eine betörende Version von „Harlem Shuffle“ eingespielt. Danach wurde die Band als Begleitung für MARY HOPKINS‘ Album POSTCARD (1969) engagiert.
1969 der nächste Schnitt, THE MIKE COTTON SOUND mutierten zu
SATISFACTION.
Faszinierender progressiver Rock, Brassrock, an manchen Stellen vielleicht auch eher Jazzrock, aber ganz sicher und bestimmt – also für damals – absolut zeitgemäss, ich denke mir wer die KEEF HARTLEY BAND mag, der wird sicher auch auf SATISFACTION abfahren. Für die Rockkomponente sorgte der zurückgekehrte Gitarrist/Sänger MIKE GRIFFITHS, Bass spielte LEM LUBIN, BERNIE HIGGINSON sass am Schlagzeug. In der Hornabteilung: JOHN BEECHAM (Posaune, Tuba), NICK NEWALL (Flöte, Sax) und… klar, MIKE COTTON. Bei DECCA erschien 1970 ihre einzige LP, 1971 folgten zwei Singles. Wie immer bei MIKE COTTON könnte man sagen, blieben die Veröffentlichungen ohne Resonanz, ein zweites Album wurde zwar aufgenommen, blieb aber in der Schublade da sich SATISFACTION auflösten, die Aufnahmen erschienen erst 2014 als THREE AGES OF MAN beim Label ACID JAZZ und belegten einmal mehr eine Neuorientierung denn es war sowas wie ein Konzeptalbum zum Thema „Leben auf Tour“. Witzigerweise war man bei ACID JAZZ auf der Suche nach Recordings für eine RARE-MOD-Zusammenstellung gewesen und bei einem Studio-Date mit DEREK GRIFFITHS hierzu, hatte der die unveröffentlichten Recordings dabei und liess das Band vom anwesenden Toningenieur einspannen und abspielen: Bei ACID JAZZ fiel man aus allen Wolken, Gänsehaut pur, per Zufall war man bei der Grabung auf einen völlig unbekannten Schatz gestossen. Ich persönlich möchte mal behaupten, dass man „House Of The Rising Sun“ in der ausufernden Jam-Version von SATISFACTION mindestens einmal im Leben gehört haben sollte. SATISFACTION, meinerseits eine späte Entdeckung, dafür ein umso strahlender Stern der in meinem Archiv aufging.
MIKE COTTON liess danach alles Modernistische hinter sich und widmete sich wieder dem Traditional Jazz, der Einsatz bei MUSWELL HILLBILLIES war seine letzte Spur die er in Rockkreisen hinterliess. Und JOHN BEECHAM? Der wurde fester Bestandteil der KINKS, jedenfalls bis ca. 1978.
mellow
PS.
Nachtrag zum Intro: Peter gab ein paar Jahre später seinen Platten-Shop auf und wäre mittlerweile eigentlich im Pensionsalter angekommen, er betreibt aber nach wie vor einen florierenden Handel mit Autoersatzteilen für Oldtimerkisten.